Unbezahlte Überstunden? Nicht mit uns!

Unbezahlte Arbeit im Wert von 15 Milliarden Euro leisteten die Beschäftigten in Deutschland im Jahr 2023.

Die Linke bekräftigt zum 1. Mai ihre Forderung nach einer Vier-Tage-Woche und will die Beschäftigten darüber hinaus deutlich entlasten. Auf einer Pressekonferenz am Montag in Berlin stellten der Parteivorsitzende Martin Schirdewan und Ines Schwerdtner, Kandidatin für das Europäische Parlament, einen Vier-Punkte-Plan der Partei zum Tag der Arbeit vor. Dieser beinhaltet neben einer Arbeitszeitverkürzung auf vier Tage pro Woche bei vollem Lohnausgleich auch die vollständige Bezahlung aller geleisteten Überstunden, die Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro und die Stärkung der Tariftreue.

Unser Plan für gute Arbeit: Pressekonferenz mit Martin Schirdewan und Ines Schwerdtner
  • DIE LINKE

Martin Schirdewan übte scharfe Kritik an der Ampelregierung und Arbeitsminister Hubertus Heil, der die EU-Mindestlohnrichtlinie bisher noch nicht umgesetzt hat. Der Richtlinie zufolge dürfte der Mindestlohn in Deutschland eigentlich nicht unter 14,12 Euro liegen, stattdessen beträgt er aber nur 12,41 Euro. „Ursula von der Leyen hat in dieser Legislaturperiode die Bundesregierung links überholt“ so der Parteivorsitzende. „Die Ampelregierung unter einem sozialdemokratischen Kanzler Scholz weigert sich, diese Mindestlohnrichtlinie umzusetzen.“

Die Mindestlohnrichtlinie war „einer der großen Erfolge der Linksfraktion im Europäischen Parlament. Wir haben uns von Anfang an für die Einführung dieser europäischen Mindestlohnrichtlinie eingesetzt. Wir haben dafür gekämpft, zusammen mit den europäischen Gewerkschaftsverbänden, und letztendlich haben wir sie durchgesetzt“, wie Martin Schirdewan erklärte.

„Laut unserer aktuellen Anfrage, die die Bundestagsfraktion der Linken gestellt hat, bekommen derzeit in diesem Land unglaubliche 8,4 Millionen Menschen weniger als 14 Euro pro Stunde. Ich finde, es ist untragbar, dass die Bundesregierung diesen Menschen ein Leben in Würde verweigert“, so der Bundesvorsitzende der Linken. „Deswegen gehen wir als Linke jetzt in die Offensive. Wir fordern einen Mindestlohn von 15 Euro, damit niemand im Alter in Armut leben muss“, erklärte er.

„Da hilft es auch nicht, dass jetzt pünktlich zum Europawahlkampf den SPD-Chefs Saskia Esken und Lars Klingbeil mal wieder einfällt, dass man ja eventuell den Mindestlohn erhöhen könnte – sie sind mal wieder Ankündigungsweltmeister, wie immer“, meinte er mit Blick auf die jüngsten Wahlkampfmanöver der Sozialdemokratie.

Die Linke fordert deshalb eine Reform der Mindestlohnkommission, damit die Gewerkschaften dort nicht mehr überstimmt werden können. „Die Arbeitnehmerseite muss viel stärker vertreten sein als die Arbeitgeberseite“, so Martin Schirdewan. „Es geht darum, dass die Menschen Löhne erhalten, die ein Leben in Würde ermöglichen.“

Der Bundesvorsitzende der Linken erinnerte daran, dass Deutschland auch die Vorgaben zur Tariftreue aus der EU-Mindestlohnrichtlinie nicht erfüllt. Diese schreibt eigentlich eine Tarifbindung für 80 Prozent der Beschäftigten vor, die tatsächliche Quote liegt in Deutschland aber unter 50 Prozent, im Osten noch niedriger. „Lieber streitet die Bundesregierung […] untereinander, als für bessere Arbeits- und Lohnbedingungen für die arbeitende Klasse in diesem Land“, so Martin Schirdewan.

„Die Bundesregierung lässt die Wirtschaft in die Rezession stürzen und die Infrastruktur verrotten“, fügte er hinzu. „Was wir brauchen, sind Tariftreuegesetze und Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen und keine weitere Geisterfahrt dieser Ampelregierung oder auch dieser FDP und ihres Finanzministers“, so der Linken-Vorsitzende.

Auch die betriebliche Mitbestimmung will die Linke deutlich stärken. „Am Tag der arbeitenden Klasse – also am 1. Mai – ist für uns ein guter Tag, um daran zu erinnern, dass Demokratie, aber auch Freiheit, nur dann möglich sind, wenn die Menschen in diesem Land über ihr Leben selbst bestimmen können“, so Martin Schirdewan. Für ihn ist klar: „Mitbestimmung ist ein Kernelement der Demokratie.“

Ines Schwerdtner, Kandidatin der Linken für das Europäische Parlament, hält die neusten sozialpolitischen Anwandlungen der SPD für ebenso unglaubwürdig: „Sie stellen den Bundeskanzler“, wie sie erinnerte. „Das einfachste, was man tun könnte, wäre nicht auf die Ärmsten zu dreschen und die Bürgergeld-Empfänger*innen weiter zu sanktionieren, sondern einfach diesen Niedriglohnsektor abzuschaffen, den die SPD überhaupt erst geschaffen hat“, erklärte sie. „Sie könnte schlicht ihre eigene Politik zurücknehmen, dann hätten wir weniger Probleme in diesem Land.“

Die Streiks im Osten, insbesondere in der Nahrungsmittelindustrie, zeigen für sie, dass die Menschen diese Zustände nicht mehr hinnehmen und bereit sind, für die Tarifbindung zu kämpfen. „Im 35. Jahr nach der Wende ist das wirklich obszön, dass das noch sein muss. Deswegen sagen wir: Reißen wir die Niedriglohnmauer ein! Gleiches Geld für gleiche Arbeit!“, so Ines Schwerdtner.

Für den Vorstoß von Bundesfinanzminister Christian Lindner für mehr „Lust auf Überstunden“ hatte Ines Schwerdtner nur Spott übrig. „Wenn er Überstunden so sehr liebt, dann kann er sie gerne machen, aber er sollte die arbeitenden Menschen in diesem Land in Ruhe lassen“, so die Europakandidatin. „Ich bin mir auch nicht sicher, ob Menschen wie Christian Lindner überhaupt schon einmal körperlich gearbeitet haben und wissen, was es bedeutet, wenn ein Möbelpacker am Ende seines Lebens nicht mehr arbeiten kann, weil der Rücken kaputt ist – oder eine Pflegerin, die Menschen in ein Krankenbett tragen muss. Das ist Arbeit, die man nicht mal eben so macht und wo jede Überstunde zählt und den Körper kaputt macht.“

Ines Schwerdtner erinnerte daran, dass im vergangenen Jahr 702 Millionen unbezahlte Überstunden von den Beschäftigten in Deutschland geleistet wurden. „Der Wert der unbezahlten Arbeit beträgt umgerechnet 15 Milliarden Euro“, erklärte sie und machte deutlich: „Das ist Lohnraub.“ Ihre Forderung ist deshalb klar: „Überstunden müssen ab der ersten Stunde entlohnt werden.“

Ines Schwerdtner zeigte sich erfreut, dass die Forderung der Linken nach einer Vier-Tage-Woche auf so große Resonanz stieß. „Die Streiks in der Stahlindustrie, die Streiks bei der Bahn haben gezeigt, dass der Kampf um Arbeitszeit auch von den Gewerkschaften aufgegriffen wird.“

„Insbesondere Frauen wissen, wie viel Arbeit man am Tag so haben kann“, so die Kandidatin der Linken. „30 Stunden pro Woche und 4 Tage in Vollzeit sind genug. Wir sollten die Produktivitätszuwächse in unserer Gesellschaft für die arbeitenden Menschen nutzen.“

Ines Schwerdtner und Martin Schirdewan grüßten zum Abschluss der Pressekonferenz die vielen Menschen, die sich derzeit an Streiks beteiligen. „Zum schönsten Feiertag, dem Tag der Arbeiter*innenklasse, wüschen wir allen Kolleg*innen einen kämpferischen 1. Mai, einen 1. Mai für Solidarität und Frieden“, so der Parteivorsitzende. Martin Schirdewan erinnerte daran, dass im Handel und in der Lebensmittelindustrie gerade besonders viele Menschen in den Arbeitskampf treten. „Gerade die Lebensmittelkonzerne, die in der Krise ja die Preise erhöhten und höchste Übergewinne erzielt haben, halten den Beschäftigten die verdienten Lohnforderungen und Lohnerhöhungen zurück.“ Das ist „absolut inakzeptabel“, wie der Parteivorsitzende klarstellte.

Ines Schwerdtner erwähnte im Besonderen die Beschäftigten des Recyclinghofs in Espenhain bei Leipzig, die seit 170 Tagen für einen Tarifvertrag streiken – ein Rekord bei der IG Metall. „Ich glaube, das illustriert noch einmal sehr deutlich, wie hartnäckig die Kolleginnen und Kollegen im Osten dafür streiken, überhaupt einen Tarifvertrag zu bekommen“, erklärte sie und zitierte eine der streikenden Arbeiterinnen: „Wir bleiben hier, bis wir unser Ziel erreicht haben.“ „Ohne Menschen wie sie, die dort in Espenhain streiken, gäbe es am Mittwoch diesen Feiertag nicht“, so die Kandidatin für das Europäische Parlament. „Vielen herzlichen Dank! Haltet durch und bleibt standhaft, die Linke steht stets an eurer Seite.“