Kein Angebot

Nach zwei Verhandlungsrunden legt die Deutsche Post kein Angebot vor.

Jana Seppelt spricht mit Isabell Senff im Gespräch via Zoom

Jana Seppelt spricht mit Isabell Senff, Betriebsrätin bei der Deutschen Post AG, über die aktuelle Tarifrunde und die Forderungen der Kolleginnen und Kollegen.

Jana Seppelt:  Ich spreche heute mit Isabell Senff, Betriebsrätin bei der Deutschen Post AG, über die aktuelle Tarifrunde und die Forderungen der Kolleginnen und Kollegen. Herzlich willkommen Isa!

Isabell Senff: Hallo Jana, schön, dass wir uns beide virtuell sehen. Ich wünsche uns viel Spaß und den Kolleginnen und Kollegen, die sich das dann auch anschauen werden. Ich hoffe, die werden auch Spaß haben.

Jana Seppelt: Bestimmt. Ihr seid auf jeden Fall jetzt in einer ziemlich angespannten Situation und auch einer spannenden Situation, denn letzte Woche ist die dritte Verhandlungsrunde bei euch gescheitert. Was haben die Arbeitgeber denn an Inhalten vorgelegt in der dritten Verhandlungsrunde. Was hat euch bewogen, abzulehnen?

Isabell Senff: Ich würde erstmal sagen, was eigentlich bis hierher passiert ist. Viele haben gestreikt. Viele Kolleginnen und Kollegen haben sich an den Warnstreikaktivitäten angeschlossen. Insgesamt sind fast 100.000 Postlerinnen und Postler in den Warnstreik gegangen und haben ihre Arbeit niedergelegt, um für ihre berechtigte Forderung von 15 Prozent mehr Lohn einzustehen.
Die Post hat in den ersten zwei Verhandlungsrunden kein Angebot auf den Tisch gelegt. Kann man machen, aber das ist trotzdem kacke. Sie haben dann gesagt, ja, in der dritten Verhandlungsrunde wird es ein Angebot geben. Das gab es dann auch. Aber sagen wir mal so: Das trägt der derzeitigen Situation überhaupt nicht Rechnung.
Die Post hat den Kolleginnen und Kollegen angeboten, die Inflationsausgleichsprämie auf 24 Monate verteilt anzubieten. Wir haben das abgelehnt, weil das nicht mal annähernd die Reallöhne sichert. Und das sollte ja wohl das Mindeste sein.
Die Post flüchtet sich in Ausreden. Das wäre alles nicht finanzierbar. Bei einem Konzern, mit 8,4 Milliarden Euro Gewinn ist alles nicht finanzierbar – schon klar. Dieses Rumgeheule kennen wir. Und deswegen hat die Konzerntarifkommission, in der ich ja auch Mitglied bin, gesagt: Wir lehnen das Angebot ab und wir leiten jetzt die Urabstimmung ein, damit unsere Mitglieder selbst entscheiden. Sie sind jetzt am Zug zu sagen, ob sie das Angebot ablehnen und ob wir dann in den unbefristeten Arbeitskampf einsteigen, damit die Post sich hier an dieser Stelle nochmals deutlich, deutlich bewegt.

Tarifverhandlungen bei Post gescheitert - und jetzt? Ein Gespräch mit Betriebsrätin Isabell Senff
  • DIE LINKE

Jana Seppelt: Es ist auf jeden Fall ein großer Aufreger, bei dem Gewinn, den die Post jetzt gemacht hat, nur eine nicht tabellenwirksame Inflationsausgleichsprämie vorzulegen. Das weiß zwar kein Arbeitgeber mehr, aber die war dazu gedacht, oberhalb (!) von Lohnerhöhungen einen Ausgleich für die Inflation zu zahlen. Meines Erachtens ein vergiftetes Geschenk der Bundesregierung, dass Arbeitgeber nun missbrauchen in den Tarifverhandlungen. Wir sehen hinter dir ein Foto aus Berlin. An vielen Orten sind Kolleginnen und Kollegen wirklich für ihre Forderungen auf die Straße gegangen. Wie geht es  jetzt weiter? Was ist so das Szenario, was bei Euch in den nächsten Wochen passieren wird?

Isabell Senff: Die Urabstimmung ist nichts, was wir jeden Tag machen und auch nicht täglich üben. Das ist etwas sehr Formales. Und es ist auch gut so, dass wir das formal richtig und alles sauber machen. Morgen wird der ver.di-Bundesvorstand darüber entscheiden, dass es die Urabstimmung gibt. Und dann wird im Laufe der Woche darauf die Urabstimmung in den Postbetrieben vollzogen. Schließen sich 75 Prozent der Mitglieder der Empfehlung der Konzerntarifkommission an, dann sind die Tarifverhandlungen gescheitert. Dann werden wir wieder gemeinsam auf die Straße gehen, um dem Arbeitgeber zu bewegen, ein verbessertes Angebot vorzulegen.

Jana Seppelt: Eure Kolleginnen und Kollegen kämpfen mit Preissteigerungen, insbesondere bei Lebensmitteln, aber auch bei Energie. Im Schnitt acht Prozent in 2022. Aber was auf der Demo klargeworden ist, ist, dass 80 Prozent der Beschäftigten bei der Deutschen Post in den unteren Entgeltgruppen 1 bis 3 sind. Was begegnet dir jetzt im Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen? Was sind die Probleme, die Eurer hohenForderung von 15 Prozent zugrunde liegen?

Isabell Senff: Zum einen belasten die Kolleginnen und Kollegen die in die Höhe geschossenen Spritpreise. Die Post ist ja nicht nur in den Ballungsgebieten wie Berlin, Frankfurt, München oder Hamburg unterwegs, sondern auch in sehr viel ländlichem Bereich stationiert. Und die Kolleginnen und Kollegen müssen da ja irgendwie zur Arbeit kommen. Das trifft die total hart an der Stelle. Natürlich geht es aber auch um Themen, wie schaffe ich es eigentlich noch ein Geburtstagsgeschenk für meine Kinder zu bezahlen, oder was ist denn eigentlich mit dem Thema Urlaub. Können wir uns es überhaupt noch leisten in den Urlaub zu fahren? Du hast das berechtigterweise gesagt – die Kolleginnen und Kollegen bei der Post, also auch ich, sind jetzt nicht diejenigen, die jeden Monat 10.000 Euro nach Hause schleppen oder irgendwie Geldsäcke zu Hause stapeln können, weil wir nicht wissen, wohin mit Geld. Sondern wir reden hier von Gehältern zwischen 1.600 und 2.000 Euro netto im Monat. Jetzt will ich da nicht auch noch vom Thema Miete reden. Gerade in so einer Stadt wie in Berlin oder in anderen Metropolen frisst uns die natürlich auch total auf.

Jana Seppelt: Wir stehen auf jeden Fall an Eurer Seite. Ganz klar. Als stellvertretende Parteivorsitzende der Partei DIE LINKE: Was können denn Parteien tun? Was können Kolleginnen und Kollegen anderer Bereiche tun, um euch in eurer Auseinandersetzung zu unterstützen?

Isabell Senff: Was ich total gut finde, und ich weiß, das kommt auch bei den Kolleginnen und Kollegen gut an: Es gibt so einen tollen Soli-Aufkleber von DIE LINKE, wo draufsteht, dass man auf kommerzielle Werbung verzichten kann, dafür aber den Lohnkampf der Postbeschäftigten unterstützt. Und das ist praktische Solidarität!Und vor allem ist die sichtbar. Die kann man sich an seinen Briefkasten kleben. Wenn es geht, nicht vor dem Schlitz und auch nicht den Namen überkleben, damit wir auch ordentlich die Post zustellen können. Das kann manweiterverbreiten, damit man auch sieht, wer hier solidarisch an der Seite der Postlerinnen und Postler steht.

Jana Seppelt: Wie nimmst du denn so die gesellschaftliche Stimmung wahr, wenn ihr draußen seid, wenn ihr demonstriert, wenn ihr streikt? Hast du das Gefühl, es gibt einen öffentlichen Support für euch oder ist das eher schwierig?

Isabell Senff: Ich nehme die Öffentlichkeit richtig gut wahr. Vor allen Dingen im Hinblick darauf, dass viele die Kolleginnen und Kollegen unterstützen. Die Kolleginnen und Kollegen sagen mir: Mensch, wir sind heute wieder von den Kunden angesprochen worden. Die finden das total gut, dass wir denen mal zeigen, wer hier eigentlich das Geld verdient und dass sie das gut finden, dass wir in den Streik eingetreten sind. Es gibt also ein positives Feedback. Und man muss ehrlicherweise auch mal sagen: Die Presse finde ich super gut: viel Unterstützung für die Kolleginnen und Kollegen und auch eher wenig Verständnis für das Rumgejammere dieses Vorstandes.

Jana Seppelt: Liebe Isa, ich wünsche dir einen kühlen und klaren Kopf in der Tarifkommission. Ich wünsche euch ein brennendes Herz auf der Straße. Und wenn wir unterstützen können in irgendeiner Form, dann lasst es uns wissen!

Isabell Senff: Vielen Dank! In diesem Sinne: Glück auf, und wir werden das schon gemeinsam rocken.

Die Urabstimmung bei der Post startete am 20.2.2023. Noch bis 8. März 2023 können alle tarifbeschäftigten Verdi-Mitglieder abstimmen, ob sie das Angebot der Deutschen Post annehmen oder bereit sind, für ein besseres Ergebnis zu streiken. Mehr Informationen: Deutsche Post 2023 – ver.di