Ein Blick auf den Widerstand

Der Widerstand gegen Armut oder soziale Ungerechtigkeiten ist mühselig und aufreibend. Warum also dennoch sich dieser Herausforderung stellen?

Warum kämpfen Sie gegen die Armut? Diese Frage stellen mir gerne Journalist*innen in Interviews, bei Hintergrundgesprächen oder in lockeren Plauder Runden. Manchmal variiert die Frage auch in die Fragestellung: Warum kämpfen Sie gegen Hartz IV? Grundsätzlich muss ich erstmal aufklären, dass jede*r, der gegen etwas kämpft, dem Grunde nach für etwas kämpft. Für ein Leben ohne Armut, für ein Leben ohne Hartz IV und stattdessen für eine existenzsichernde Grundsicherung oder für eine gerechtere Welt. Entsprechend fiel meine Antwort auch aus. Als „Hartz-IV-Rebellin“, eine mediale Wortwahl, die mir den Stempel aufdrückt, rebellisch zu sein, hoffte man vermutlich auf eine rebellische Antwort: Gegen etwas kämpfen bis der Stier umfällt. Zücken, was es zu zücken gilt. Action, Wut und Emotionen verkaufen sich medial nun mal besser als reserviertes Handeln.

Widerstand bringt Bewegung

Mein „Kämpfen für etwas“ begleitet mich inzwischen knapp 40 Jahre. Die Themen änderten sich im Laufe der Jahre: Friedensbewegung, Inklusion, Integration, Schule, prekäre Arbeitsbedingungen. Der Widerstand gegen die Soziale Ungerechtigkeit schwang dabei immer mit. Widerstand kostet Zeit und Kraft und kann Kraft zurückgeben. Die Armut kenne ich aus vielen Jahren persönlich. Sie prägt. Sie prägt negativ, als auch positiv und diese Gefühle bleiben wohl ein Leben lang bestehen. Dem Positiven habe ich entnommen, dass es immer irgendwie weiter ging. Das nach dem Plan A, der Plan B oder Plan C eintrat. Und dass die nordische Sturheit durchaus nützlich sein kann. Um beim Thema Widerstand zu bleiben: Widerstand kann Spaß machen. Er kann aber auch anstrengend sein. Er kann einen physisch wie psychisch kaputt machen oder von außen kaputt gemacht werden. Wenn man Glück hat, zieht der Widerstand ein paar Kreise und es ändert sich etwas zum Positiven. Widerstand bringt Bewegung. Für einen selbst, und wenn der Widerstand Kreise zieht, auch für andere. Widerstand geht auf die Politik zu. Er distanziert sich nicht. Widerstand geht auf die Straße, er blockiert Zufahrten, teilt die Sorgen der Menschen und diskutiert. Auf diese Art und Weise versucht der Widerstand Einfluss auf die Politik zu nehmen. Ebenso kann der Widerstand die Kreativität und die Gemeinschaft fördern. Sprüche für Demoschilder zu kreieren, sich zusammenzufinden und gemeinsam für eine Sache einzustehen macht auch einfach mal Spaß. Es gibt unterschiedliche Widerstandsformen und es ist umstritten, welche Formen legitim sind. Denken wir nur an Teile der Klimabewegung, die sich aus Protest festkleben. Darüber wird heiß diskutiert. Und trotzdem ist jeder Widerspruch und Widerstand ein Baustein für eine lebendige Demokratie. Für eine Demokratie, in der es möglich ist, dass sich andere Menschen für andere einsetzen und gemeinsam sagen, was falsch läuft. Erst dadurch ist es möglich, dass gesellschaftliche Probleme erkannt werden und Teile der Politik reagieren oder zumindest darüber nachdenken und diskutieren, um neue Gesetze oder Regeln zu erlassen.

Armut hemmt die Partizipation

Allerdings müssen wir bedenken, dass gerade Armut die Partizipation hemmt. Jede Demo kostet Geld, was nicht vorhanden ist. Eine Teilnahme an einer Kundgebung gehört jedoch prinzipiell zur gesellschaftlichen Teilhabe, für die unsere Grundrechte stehen, genauso wie der Gang zur Wahlurne. Geringes Einkommen sind häufig mit Scham und Stigmatisierung verbunden. Freunde, Bekannte und Verwandte ziehen sich zurück, weil sich Betroffene selbst zurückziehen. Soll jeder sehen, dass ich arm bin? So bleibt oftmals nur noch die Möglichkeit, den eigenen Widerstand in die sozialen Netzwerke zu verschieben. Das kostet kein Geld und die eigene Vereinsamung kann damit temporär überbrückt werden. Eigentlich ein idealer Ort für einen gemeinschaftlichen Widerstand, wenn die sozialen Netzwerke inzwischen nicht von negativen Emotionen und häufigen Polarisierungen überladen wären. Beschimpfungen, Verleumdungen oder unsachliche Diskussionen versperren den Weg für einen inhaltlichen und konstruktiven Widerstand. Dabei ist die Zuversicht vieler Menschen zerbrochen. Die Politikerverdrossenheit wächst und das Gefühl noch etwas bewirken zu können, ist einem Ohnmachtsgefühl gewichen.

Letztens hörte ich im Fernsehen den Satz einer Widerständlerin, dass empfundene Gefühle wichtig sind. Es aber genauso wichtig ist, wie ich mit diesen Gefühlen meinen weiteren Weg bestreiten möchte. In welche Kanäle ich diese Gefühle leite und wie ich diese Kraft positiv umwandle, um meinen eigenen Weg zu gehen, damit ich nicht von anderen abhängig bin. Johann Wolfgang von Goethe schrieb einmal: "Sein Jahrhundert kann man nicht verändern, aber man kann sich dagegen stellen und glückliche Wirkungen vorbereiten“.