Die Inklusionskonferenz der Linken NRW

Durch die Fraktionen „Die Linke in der Landschaftsversammlung Rheinland“ und „Die Linke/Die Partei in der Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe“ fand am 24. Mai die Inklusionskonferenz „Für alle und überall“ in Münster statt. Ein Einführungsvortrag über Frauen und Mädchen mit Behinderung sowie sechs Workshops füllten den Tag für die vielen TeilnehmerInnen. Themen wie die Situation von Geflüchteten mit und ohne Behinderungen, Armut und Behinderungen, queersensible Pflege, SeniorInnen-Ausgrenzung, Diskriminierung, „Pflege – Behinderung im Alter, Inklusion statt Ausschluss – Förderschulen überwinden“ sowie die Diskriminierung im Gesundheitswesen für psychisch Erkrankte wurden dabei besprochen.

Koalitionsvertrag: Eine Seite Behindertenpolitik

Nun ist ja nicht so, dass das Thema Schwer- und Behinderungspolitik seitens der Bundesregierung besondere Aufmerksamkeit genießt. Weder in der Vergangenheit, noch in der Gegenwart, und auch nicht zukünftig. Der aktuelle Koalitionsvertrag unserer neuen Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD widmet diesem Politikbereich gerade mal eine DIN-A4-Seite. Die UN-Behindertenrechtskonvention, die 2009 in Deutschland in Kraft trat, gerät in Gefahr, in Vergessenheit zu geraten. Zur Erinnerung: Die Konvention konkretisiert die Menschenrechte für die Menschen mit Behinderungen. Sie soll unter anderem die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in allen Bereichen des Lebens fördern. Der entsprechende Abschnitt des Koalitionsvertrags hingegen beginnt damit, dass alle öffentlich zugänglichen Bauten des Bundes nicht mehr bis 2030 barrierefrei gestaltet werden sollen, sondern erst bis 2035. Wer das knappe Nothilfeprogramm für Menschen mit Behinderungen ausführlicher lesen möchte, kann es auf Seite 21 des Koalitionsprogrammes finden.

Armut und Behinderung

Aber zurück zur Konferenz. Aus zeitlichen Gründen konnte ich nur an einem Workshop teilnehmen: „Armut und Behinderung“. Hierzu gab es einen Kurzvortrag, der zunächst die Fakten darüber aufzählte, wie viele Menschen mit Behinderung von Armut betroffen sind und wo sie schlussendlich oftmals landen: in den Grundsicherungen, wie im Bürgergeld und in der allgemeinen Grundsicherung bei Erwerbsminderungsrente, weil diese in der Höhe nicht ausreicht. Die Folge ist Armut, da die Regelsätze viel zu niedrig sind. Erhöhte Kosten, wie Medikamenten-, Therapie-, Krankenhaus-, Fahrtenzuzahlungen, Pflege und vieles mehr führen ebenfalls in die Armut. Menschen mit Behinderungen haben bei der Arbeitssuche viel mehr mit Vorurteilen zu kämpfen, sodass nur jede:r zweite mit Behinderung arbeitet. Im Vergleich dazu arbeiten mehr als drei Viertel der Menschen ohne Behinderung. Dabei wird gerne vergessen, dass neun von zehn Behinderungen erst im späteren Leben erworben werden; sei es durch Erkrankungen oder durch Unfälle. Eine Erfahrung machen alle Menschen, die dies betrifft: Sie erfahren sehr wenig Unterstützung.

Forderungen

Im Workshop wurde erarbeitet, dass die Bürokratie in den Ämtern, insbesondere im Antragswesen, eine große Hürde ist. Dazu gehören auch fehlende Informationen, fehlende Empathie durch Sachbearbeiter:innen, veraltete Strukturen, Behördenwillkür, fehlendes Bewusstsein in den Ämtern und die unterschiedliche Entscheidungsgewalt von häufig nicht geschulten Sachbearbeiter:innen. Gleichzeitig fehlt der Übergang zum allgemeinen Arbeitsmarkt. Dadurch fühle man sich unsichtbar gemacht, berichten viele. Die Gedanken gingen jedoch weiter. Klar, ist man selbst betroffen. Allerdings sind die Kinder der Angehörigen, die Pflegenden der Angehörigen und indirekt die Freundschaften mitbetroffen. Was tun? Was fordern? Ein Motto für viele: Netzwerken! Sich zusammenschließen! Dies umfasst Betroffene, Allianzen mit Angehörigen, Vereine, Gruppen, Bündnisse, Politiker:innen und Menschen des öffentlichen Lebens. Ein anderes Motto lautete: „Hilfe einfordern, statt warten, dass was passiert – Aktionen“! Diese Forderungen, neben Zuzahlungen abzuschaffen, Selbstorganisationen für selbstbestimmtes Leben, Beratungsstellen auszubauen und die Fahrtkostenübernahme zu erweitern, gingen an die Gesellschaft, an die Politik und an das Gesundheitssystem. Statt Hürden aufzubauen, müssen sie abgebaut werden.

In diesem Zusammenhang eine persönliche Anmerkung zum neu angedachten bundesweiten Hausarztmodell, das zukünftig für jede:n gelten soll. Die Überlegung, dass ich, außer bei ganz wenigen Fachärzten, nun erstmal zum Hausarzt für eine Facharztüberweisung rennen muss, führt bei mir zu Schweißausbrüchen. Das ist wieder ein Gang mehr, der Zeit, Energie und vor allem viel Kraft für mich bedeutet. Wer nicht mehr gut zu Fuß ist, wer nicht mehr irgendwo lange sitzen kann und sowieso seinen Körper besser kennt als jede Ärztin oder Arzt, für den ist das ein unnötiger Umweg, der eine zusätzliche körperliche Belastung ist. Darüber kann nun aus bürokratischer Sicht gestritten werden; aus Sicht der Behindertenfreundlichkeit ist das ganz klar ein Schritt zurück, genau wie der unsoziale Koalitionsvertrag. So braucht es noch viele Inklusionskonferenzen.