Koalitionsbruch bei der Bürgergeldreform

Wenn erneut das Bürgergeld in den Medien auftaucht, verheißt das nichts Gutes. Es ist ein Indiz dafür, dass es irgendwo klemmt. Diesmal klemmt bei den Geldern für die Jobcenter. Es ruckelt nicht mal mehr, so dass die BA-Chefin Andrea Nahles Alarm schlägt. Mit der Bürgergeldreform versprach die Ampel-Koalition: „Die Förderung der Weiterbildung und Qualifizierung werden wir stärken.“ Eine Förderung hängt bekanntlich mit Geld zusammen. Ohne Moos, nix los. Der Koalitionsvertrag entstand anno 2021 – Finanzminister Christian Lindner lief sich erst warm.

Gelder für Eingliederung und Verwaltung werden gekürzt

Nun befinden wir uns in der Debatte für den aktuellen Haushaltsentwurf für 2024, der für Fortbildungen oder Einstiegsqualifizierungen nicht genügend Mittel enthält. Gleiches gilt für die Verwaltungskosten für die Jobcenter. Bereits in diesem Jahr lagen die Gelder für die Jobcenter um 700 Millionen Euro niedriger als im Vorjahr. Für das kommende Jahr sollen die Verwaltungsgelder nochmals um 200 Millionen Euro sinken. Die Mittel für die Jobcenter-Verwaltungskosten sind insofern ausschlaggebend, als fehlende Gelder schlussendlich aus dem Eingliederungstopf der Arbeitslosengeld-Leistungsberechtigten geklaut werden. Die erhalten nachher weniger Geld für Weiterbildungen oder sonstige Vermittlungsunterstützungen. Wenn der Topf leer ist, ist er leer. Im Haushaltsetat 2024 hat Lindner einfach mal so 700 Millionen Euro (6,6 Prozent) gegenüber 2023 gestrichen. Das findet Nahles gar nicht gut: „Wir sind schlichtweg nicht ausreichend finanziert“, sagte Nahles gegenüber der Welt. Und im Koalitionsvertrag heißt es: „Eine passgenaue und ganzheitliche Unterstützung erfordert einen ausreichend dimensionierten Betreuungsschlüssel und gut qualifiziertes Personal bei den Jobcentern. Wir werden daher Eingliederungs- und Verwaltungstitel entsprechend ausstatten.“ Und dabei wollte die Koalition doch eigentlich mit dem neuen Bürgergeld die Leistungsberechtigten besonders unterstützen. Wenn Lindner auf die Schuldenbremse pocht, die vor Jahren ins Grundgesetz geschrieben wurde und nach der Corona-Pandemie wieder greifen soll, spart er an der falschen sozialen Ecke. Er bricht damit den Koalitionsvertrag auf Kosten der Leistungsberechtigten. Eine Eingliederung, gerade für Langzeiterwerbslose, ist damit quasi ausgeschlossen. Die geplanten Sparmaßnahmen bewirken genau das Gegenteil einer Förderung. Das ist fatal. Die Schuldenbremse ist eine Bremse für das Herauskommen aus der Erwerbslosigkeit. Die Entscheidung, in diesem Bereich den Rotstift anzusetzen, gleicht einem Verbrechen. Es ist ein antisoziales Verhalten gegenüber den Einzelnen, die sich darauf verlassen haben, nun endlich eine adäquate Förderung durch ihr Jobcenter zu erhalten. Durch die quasi doppelten Einsparungen bei den Aktivierungsmaßnahmen und den Verwaltungsmitteln für die Jobcenter ist die Reduzierung der Förderungen so sicher wie das Amen in der Kirche. Eine Rückkehr in den Arbeitsmarkt ist oftmals nur mit einer anerkannten Qualifizierung oder einer endlich erreichten Ausbildung möglich. Wir können froh sein, dass die Bürgergeldreform den Weg für Weiterbildungen, Qualifizierungen und Ausbildungen jetzt endlich mehr geöffnet hat. Lindner schließt diese Tür mit einem Krachen wieder zu. Wenn also ein Jobcenter „Nein“ sagt, liegt das, gerade bei einem kleineren Jobcenter, eher am geringen Geldtopf als an Willkür. Die Abgeordneten sollten in sich gehen und überlegen, ob sie diesen Koalitionsbruch mitgehen wollen. Ampel hin oder her. Sozialbruch wirkt sich über Jahrzehnte aus. Die Agenda 2010 zeigt es bis heute. Daraus sollten die jetzigen Abgeordneten bei der Abstimmung denken und lernen.