Emanzipation in Kurdistan

Hala ist erst 19 Jahre alt, musste aber schon einer arrangierten Ehe entkommen. Sich herumkommandieren zu lassen, ist nichts für die junge Syrerin. Denkste. Denn ihr Wege führt geradewegs über den Fluss, den Euphrat, rüber zu den kämpfenden Fraueneinheiten der kurdischen Verteidigungseinheiten. Und nicht immer kann sich die energische junge Frau an die militärischen Gepflogenheiten anpassen.

Dafür steht sie im Fokus der Weltöffentlichkeit. Sie findet sich inmitten der Verteidigungslinie gegen den Islamischen Staat und andere Horden wieder – und kann kurz drauf sogar ihre Heimatstadt Minbij befreien.

Der Hintergrund: Ab 2011 kämpften die militärischen Kräfte von Rojava, genannt YPG/YPJ, erfolgreich gegen die islamistischen Gruppen und eroberten mehr und mehr Gebiete. Der IS regierte Minbij drei Jahre lang, bis er dort rausgeschmissen wurde. Unterstützt wurden die kurdischen Einheiten von internationalen Brigaden. Als sie die Stadt einnahmen, war für Regisseurin Antonia Kilian der Moment gekommen, dorthin zu reisen und mit Unterstützung ansässiger Videojournalisten ihren Film über Hala zu drehen.

Sie ist dabei, wenn die jungen Frauen ausgebildet und in den feministischen Idealen der kurdischen Frauenbewegung unterrichtet werden. Hala ist zunächst beeindruckt und lässt sich dazu inspirieren, auch ihre Schwestern in die Freiheit zu führen. So einfach ist das dann allerdings nicht, und die Zuschauer werden Zeuginnen von Halas Kampf mit ihren Zweifeln und dem militärischen Regime, das trotz aller Freiheitsversprechen nun einmal in Kurdistan herrscht.

Antonia Kilian schildert in ihrem auf vielen Festivals erfolgreich gelaufenen Film „The Other Side of The River“ den Weg Halas, der sich so grundlegend von dem anderer Jugendlicher unterscheidet. Kilian will ihren Film als Werk über Frauen in einem aufgezwungenen Krieg verstanden wissen, die sich nicht mehr länger als Opfer sehen wollen. Ein leichtes Leben ist das nicht. Ein mitreißender Dokumentarfilm, der seiner Protagonistin viel Platz einräumt. Und zeigt, wie schwierig und gefährlich Emanzipation sein kann.

"The Other Side of The River“, D/FIN 2021, Regie: Antonia Kilian, Kinostart: 27. Januar 2022