Debatte um Höhn-Papier

Angriff auf friedenspolitische Positionen der LINKEN?

Konsequente Friedenspolitik ist mittlerweile ein Alleinstellungsmerkmal der LINKEN

Vor wenigen Tagen veröffentlichte der Bundestagsabgeordnete Matthias Höhn (LINKE) ein Papier zu linker Sicherheitspolitik. Das Papier verstehe sich „als Diskussionsangebot“, so Höhn, der für seine Fraktion im Verteidigungsausschuss sitzt. Sein Vorstoß solle „Debatten in der LINKEN und darüber hinaus anstoßen“. Die Debatte erreichte schnell den Parteivorstand, der am 23. Januar den Beschluss fasste, „keine Aufweichung friedenspolitischer Positionen“ zuzulassen. Doch was steht im Papier? Matthias Höhn geht in seinem Beitrag für „Links bewegt“ auf seine Vorschläge für Alternativen zum 2-Prozent der NATO ein. Heike Hänsel, Vize-Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Bundestag, gehört zu den schärfsten Kritiker*innen des Höhn-Papiers. In ihrem Beitrag für „Links bewegt“ erklärt Hänsel, warum sie die Vorschläge Höhns ablehnt.

Matthias Höhn: Sicherheit durch Abrüstung! - Linke Alternativen zum 2-Prozent-Ziel der NATO

Seit Jahren dominiert weltweit die Logik der Aufrüstung. Einsamer Spitzenreiter sind dabei nach wie vor die Länder der NATO. Über 1000 Milliarden Dollar stecken sie mittlerweile in Militär und Rüstung. Aber auch in anderen Teilen der Welt steigen die Zahlen. Eine verhängnisvolle Entwicklung. Mehr Waffen bedeuten nicht mehr Sicherheit, das Gegenteil ist richtig.

Matthias Höhn: "Wir brauchen einen realistischen Gegenentwurf"

Viele hatten am Ende des Kalten Krieges die Hoffnung, dass „Abschreckung“ in der Außen- und Sicherheitspolitik der Vergangenheit angehören könnte. Doch längst ist sie zurückgekehrt ins Arsenal der Hardliner. Auch die Bundesrepublik spricht wieder ganz offen von Abschreckung, beispielsweise wenn es um Russland geht. Schon 2014 schloss sich die Bundesregierung aus Union und SPD dem Ziel der NATO an, künftig zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für sein Militär aufzuwenden - real bedeutete dies eine Verdopplung des Verteidigungshaushaltes. Milliarden fließen seitdem in große Rüstungsprojekte, etwa in die neue Fregatte MKS180 oder den Nachfolger des - auch nuklearen - Kampfbombers Tornado.

Wir brauchen einen realistischen Gegenentwurf
DIE LINKE muss einen anderen Ansatz verfolgen. Aus meiner Sicht sollte es dabei um zweierlei gehen: zum einen dem herrschenden Mantra der Aufrüstung einen realistischen Gegenentwurf der Abrüstung entgegenzusetzen, zum anderen deutlich zu machen, dass Sicherheit aus unserer Sicht in dieser Welt nur erreichbar ist, wenn sich weltweit Gerechtigkeit und Solidarität durchsetzen. Darum mein Vorschlag: Bis 2030 die Ausgaben für die Bundeswehr runter auf ein Prozent des BIP und die Investitionen in internationale Entwicklungszusammenarbeit endlich rauf auf ein Prozent. Für das deutsche Militär wäre dies innerhalb von zwei Legislaturperioden das niedrigste Niveau an Finanzen in der Geschichte der Bundesrepublik. Ambitioniert, aber erreichbar, wenn der politische Wille und die Mehrheiten dafür vorhanden wären.

Und für die internationale Solidarität wäre es das höchste Niveau, das Deutschland jemals bereit war aufzubringen. Ich finde, das ist ein Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnt. Und es wäre noch etwas anderes damit verbunden: Deutschland würde sich an die Spitze setzen, wenn es darum geht, global einen anderen, einen transparenten und nachvollziehbaren Weg einzuschlagen, einen Weg der Abrüstung und des Miteinander, anstatt einen der Aufrüstung und der Konfrontation.

Ziele, die über den Tag hinausgehen
„DIE LINKE verfolgt langfristig das Ziel eines Deutschlands, eines Europas ohne Armeen, einer Welt ohne Kriege“, heißt es in unserem Programm. Genau darum geht es. DIE LINKE als demokratisch-sozialistische Partei macht sich überflüssig, wenn sie sich nicht Ziele setzt, die über den Tag hinausgehen, die die Dinge grundsätzlich ändern wollen - die eine andere, eine friedliche Welt anstreben. DIE LINKE will und muss aber auch nachvollziehbar machen, wie der Weg in diese Gesellschaft aussieht. Wir tun dies in vielen Politikbereichen seit Jahren sehr konkret, ob bei der Rente oder der Steuer. Ich meine, wir sollten und müssen das auch im Feld der Abrüstung und Sicherheit leisten. Ich habe dafür Vorschläge auf den Tisch gelegt. Manchen ist das zu wenig, die Schritte zu zaghaft. Darüber müssen wir diskutieren. Aber es ist doch kein Militarismus, wie mir einzelne unterstellen, wenn ich Abrüstung konkret mache.

Klar ist auch: Es geht um noch mehr als die wichtige Frage, wieviel Deutschland für sein Militär ausgibt. Internationale Rüstungskontrollverträge sind jüngst mehrfach beschädigt oder gekündigt worden. Das Völkerrecht ist in den letzten Jahren mehr als einmal klar gebrochen worden. Die EU lässt sich von den Vereinigten Staaten immer wieder vorschreiben, wie ihre Politik zu laufen hat. Die UNO wird ein ums andere Mal geschwächt, weil einige meinen, das Recht des Stärkeren gelte, weil sie meinen, sie müssten sich nicht an Regeln halten. Wer dem etwas entgegensetzen will, muss durchdachte Alternativen für alle diese Punkte entwickeln und für diese werben. Die Menschen wollen von uns sehr genau wissen, wie wir unsere richtigen Ziele erreichen wollen. Lasst uns darüber reden!

 

Heike Hänsel: Linke Politik heißt Abrüsten nicht Aufrüsten!

Vorab: ich begrüße es, dass der Parteivorstand den Angriff von Matthias Höhn auf die friedenspolitischen Grundpositionen der LINKEN ohne Gegenstimme zurückgewiesen hat. Weder die Forderung nach Auslandseinsätzen der Bundeswehr noch nach einer so genannten europäischen Armee, wie Matthias Höhn sie erhebt, haben irgendetwas mit linker Programmatik zu tun. Mit dem Vorschlag, Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht mehr grundsätzlich abzulehnen, steht in der Folge natürlich ein Ja für adäquate Ausrüstung für Auslandseinsätze und damit verbunden auch eine Aufrüstung der Bundeswehr. Um nur einige Beispiele zu nennen: bisher fordern wir den Verzicht auf die Anschaffung des Militärtransportflugzeugs Airbus A 400 M.

Heike Hänsel:
Heike Hänsel: "Besonders fatal aber ist die Akzeptanz des 2-Porzent-Ziels der NATO mit kreativer Aufteilung in Sicherheit und Entwicklung."

Aber wer mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr mit UN-Mandat möchte, der musss sich in dieser Logik dann natürlich auch um die Verlegefähigkeit im Zusammenhang mit Auslandseinsätzen kümmern. Kostenpunkt 1,5 Milliarden Euro. Dies gilt auch für das Militärkampfschiff MKS 180, das mit 3 Milliarden Euro zu Buche schlägt. Und wer auch nicht mehr raus will aus den militärischen Strukturen der NATO, der muss in der Logik des verlässlichen Bündnispartners in der NATO, auch über die Neuanschaffung von 210 PUMA-Panzern, die dann gegen Russland stationiert werden, nachdenken, in Höhe von 3 Milliarden Euro. Und auch FCAS, der Einstieg in die Autonomisierung der Luftwaffensysteme, bei denen der Bund rund 166 Milliarden Euro der Kosten tragen soll, macht dann natürlich Sinn, um sowohl Verlässlichkeit im Bündnis, als auch die Bundeswehr als Armee im Einsatz zu sichern.

Fatale Akzeptanz des 2-Prozent-Ziels
Besonders fatal aber ist die Akzeptanz des 2-Porzent-Ziels der NATO mit kreativer Aufteilung in Sicherheit und Entwicklung. Dies würde bedeuten, dass wir regelmäßig mindestens 1 Prozent des Bruttosozialprodukts von 2020, sprich fast 34 Milliarden Euro, für Rüstung und Militär ausgeben. Die Rüstungsausgaben sollen dann analog der Steigerungen des BIP steigen, das würden dann 4,5 Prozent der diesjährigen Prognose der Bundesregierung sein. Das ist nicht nur angesichts der Pandemie glatter Wahnsinn. Mit welcher Bedrohungslage ist sind derartige Rüstungssteigerungen denn zu rechtfertigen? Deutschland wird von niemanden, weder konventionell noch atomar, bedroht. Russland und China als Feind an die Wand zu malen zur Rechtfertigung der eigenen Aufrüstung ist mehr als perfide. Die immer wieder vorgetragene Leier bei der Bundeswehr funktioniere nichts mehr, taugt vielleicht fürs Boulevard, aber zu mehr auch nicht.

Die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit mit den Militärausgaben zu koppeln, so ähnlich wie es die SPD ja bereits vorgeschlagen hat, führt zudem nur zur weiteren Versicherheitlichung von Entwicklungspolitik, wie bereits bei der zivil-militärischen Zusammenarbeit geschehen, und wäre verheerend. Gegen solche Vorschläge haben sich Entwicklungsorganisationen, wie z.B. Brot für die Welt, immer wieder ausgesprochen. Und wir sollten auch nicht der Mär, dass eine Europäisierung von Militär, also die militärische Begleitung eines Euro-Nationalismus, letztendlich zu Einsparungen durch Synergieeffekte führen würde, auf den Leim gehen.

Abschaffung des Parlamentsvorbehalts
Die implizierte Abschaffung des Parlamentsvorbehalts für Auslandseinsätze der Bundeswehr durch eine europäische Armee, da muss man wahrlich kein Prophet sein, hätte noch mehr Auslandseinsätze zur Folge und würde selbstverständlich massiv die Kosten für Verlegung und Ausrüstung erhöhen. Die Bundesregierung will die Rüstungsausgaben auf gigantische 85 Milliarden Euro in den kommenden Jahren steigern, trotz sozialer Krise, Klimakrise und Pandemie. Die Aufgabe der LINKEN angesichts dieses gefährlichen Vorhabens muss doch sein, genau jetzt massiv auf Abrüstung zu orientieren und auf Investitionen in Gesundheit, Soziales und Klimaschutz. Allein 2021 gibt die Bundesregierung 8 Milliarden Euro für die Neuanschaffung von Kampfsystemen aus. Diese Summe nur einen Jahres reicht dagegen aus, um 37000 Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen für 5 Jahre nach Tarif zu bezahlen. Darauf sollten wir gerade im Wahljahr fokussieren.

Das Höhn-Papier in voller Länge: Linke Sicherheitspolitik

Der Beschluss des Parteivorstands: Keine Aufweichung friedenspolitischer Positionen