Aufrüstung ist als Konjunkturprogramm ungeeignet
- Die Redaktion
Neben der angeblichen Notwendigkeit für die Landesverteidigung gibt es ein weiteres Argument, das oft als Rechtfertigung für die geplante massive Aufrüstung in Deutschland und Europa herangezogen wird: der Nutzen für die Wirtschaft. Höhere Ausgaben für Panzer, Kampfflugzeuge und Munition seien ein großes Konjunkturprogramm, behaupten viele, die sich für höhere Militärausgaben einsetzen. Gerade von der Spitzenpolitik, aber auch von Thinktanks und Wirtschaftsinstituten wird dieses Argument gerne angeführt. Von einem angeblichen „Militärkeynesianismus“ ist dann häufig die Rede, der der gesamten Gesellschaft zugutekommen soll.
Die Ökonomen Tom Krebs und Patrick Kaczmarczyk von der Universität Mannheim haben nun in einer Studie systematisch untersucht, ob ein solcher Effekt von zusätzlichen Rüstungsausgaben auf die Wirtschaft in Deutschland zu erwarten ist. Das Ergebnis ist eindeutig: „Militärkeynesianismus“ ist die schlechteste Form des Keynesianismus. Als Konjunkturstütze ist Aufrüstung praktisch gänzlich ungeeignet.
Konkret fokussiert die Studie auf Abschätzungen des sogenannten Fiskalmultiplikators für Rüstungsausgaben in Deutschland. Diese Kennzahl gibt an, wie viel zusätzliche wirtschaftliche Aktivität öffentliche Ausgaben nach sich ziehen. Ein Fiskalmultiplikator von 1,5 bedeutet etwa, dass für jeden Euro, den die öffentliche Hand in einem bestimmten Bereich ausgibt, 1,5 Euro an zusätzlicher wirtschaftlicher Aktivität durch Unternehmen und Privathaushalte zu erwarten ist. Während zahlreiche internationale Vergleichsstudien etwa für öffentliche Infrastrukturausgaben einen Fiskalmultiplikator von deutlich über eins, mitunter sogar von über zwei festgestellt haben, lässt sich für Militärausgaben meist kein oder nur ein sehr geringer positiver Effekt auf die Gesamtwirtschaft feststellen. Verwunderlich ist das nicht, denn anders als in anderen Bereichen entstehen durch militärische Investitionen keine zusätzlichen Produktionsmittel, noch ist mit gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsgewinnen, etwa durch verkürzte Reise- und Transportzeiten, zu rechnen.
Für die USA gehen optimistische Schätzungen davon aus, dass der Fiskalmultiplikator für Rüstungsausgaben bei ca. 1,5 liegt – andere Untersuchungen widersprechen dem allerdings, und stellen einen wesentlich geringeren Nutzen fest. Doch selbst, wenn letztere falsch liegen sollen, gibt es eine Reihe von Gründen, warum dieser Effekt in der Bundesrepublik sehr wahrscheinlich noch schwächer ausfallen dürfte, wie die Mannheimer Ökonomen darlegen.
Erstens beziehen die USA – anders als Deutschland – Rüstungsgüter fast ausschließlich von der heimischen Industrie. Zweitens: Selbst, wenn Rüstungsausgaben im Land verbleiben, ist durch die bereits sehr hohe Auslastung der deutschen Rüstungsindustrie ein inflationärer Effekt auf die Preise im Bereich der Militärbeschaffung zu erwarten, der sich auch schon heute beobachten lässt. Die Ökonomen verweisen etwa auf Aktienkurse von großen deutschen Rüstungsunternehmen, seit dem Beginn der russischen Invasion der Ukraine teils um mehr als das zwanzigfache angestiegen sind: Die Märkte gehen hier eher nicht von einer Steigerung der Rüstungsproduktion um den Faktor 20 und mehr, sondern von stark ansteigenden Gewinnmargen im Rüstungsbereich aus, so ihre Schlussfolgerung. „Aus ökonomischer Sicht ist die geplante Militarisierung der deutschen Wirtschaft eine risikoreiche Wette mit niedriger gesamtwirtschaftlicher Rendite“, fassen sie ihre Erkenntnisse zusammen. „Die Analyse zeigt, dass der kurzfristige Fiskalmultiplikator für Militärausgaben in Deutschland nicht wesentlich größer als 0,5 ist, und eventuell sogar bei 0 liegen kann. Ein zusätzlicher Euro für die Rüstungsindustrie schafft also höchstens 50 Cent zusätzliche gesamtwirtschaftliche Produktion, aber die zusätzlichen Staatsausgaben könnten auch gar keinen Produktionseffekt entfalten.“
Die Ergebnisse der Mannheimer Forscher bestätigen die Kritik der Linken an der geplanten massiven Aufrüstung – auch aus ökonomischer Perspektive. „Die Rüstungs-Milliarden sind eine wirtschaftspolitische Fehlinvestition“, so Ines Schwerdtner, Bundesvorsitzende der Linken, zu den Ergebnissen der Studie. Sie verwies darauf, dass „die Aufrüstungsstrategie der Bundesregierung auch wirtschaftspolitisch kurzsichtig“ ist. „Die Investitionen in Rüstungsgüter leisten kaum einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung oder zur Stärkung der Innovationskraft. Stattdessen fließen die Steuergelder vor allem in die Gewinne der Rüstungsindustrie“, so Ines Schwerdtner.
„Die Konjunktur braucht einen Kurswechsel: Statt auf Steuergeschenke für Unternehmen und militärische Aufrüstung zu setzen, muss die Bundesregierung den Binnenmarkt stärken und in die öffentliche Daseinsvorsorge investieren“, betonte die Linken-Vorsitzende. „Das kann jedoch nur gelingen, wenn wir uns endlich an die Schuldenbremse wagen. Die Einsetzung einer Kommission zur Reform der Schuldenbremse darf nicht länger aufgeschoben werden. Die beste Reform der Schuldenbremse wäre ihre Abschaffung.“