Wir brauchen eine linke Antwort auf den KI-Hype

Künstliche Intelligenz hält nun auch in der Verwaltung Einzug. Warum diese Technik eine politische Haltung braucht und wo Die Linke hier steht, erklärt unser Autor in seinem Beitrag. Wenn Algorithmen über soziale Leistungen entscheiden, während Konzerne an der Software verdienen, dann ist das keine „Innovation“, sondern Klassenpolitik von oben.  

In Potsdam läuft seit Frühjahr 2025 das erste Pilotprojekt zum Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) in der Verwaltung: „Wohni“, ein KI-gestütztes Assistenzsystem der Firma „forml GmbH“ zur Bearbeitung von Wohngeldanträgen. Das System kann Papier- und Mailanträgen einlesen, auf Vollständigkeit prüfen, Anschreiben erstellen und sogar Plausibilitätsprüfungen durchführen. Im Pilotbetrieb wurde „Wohni“ von der Wohlgeldstelle mit Unterstützung des Landes Brandenburg getestet, mit dem erklärten Ziel, Bearbeitungszeiten zu verkürzen, Mitarbeitende zu entlasten und es für den Einsatz in allen Brandenburger Kommunen zu erproben.
Was auf den ersten Blick nach einem Fortschritt der Verwaltungsmodernisierung klingt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als reiner Fokus auf Effizienz und Produktivität. Fragen von Datenschutz, algorithmischer Verzerrung (Bias), sozialer Wirkung oder Mitbestimmung der Beschäftigten bleiben ungeklärt. Hier liegt der politische Kern der Debatte und der Grund, warum wir als Linke eine grundlegende andere Perspektive auf Digitalisierung brauchen. 

KI braucht Kontrolle

Wenn Effizienz wichtiger wird als Gemeinwohl und Transparenz, läuft Digitalisierung in die falsche Richtung. KI darf niemals gesellschaftliche Verantwortung oder politische Entscheidungen ersetzen. Sie kann unterstützen, aber die Entscheidung muss immer beim Menschen bleiben. Das gilt erst recht im Sozialbereich, wo jeder Fall und seine Bearbeitung über reale Existenzen entscheidet. Eine algorithmische Vorprüfung mag helfen, Papierberge zu bewältigen- aber sie darf niemals bestimmen, ob jemand Anspruch auf Sozialleistungen hat oder nicht. 

Niemand darf dem Algorithmus ausgeliefert sein

Deshalb fordert die Linke Potsdam klare Leitplanken für den Einsatz von KI in der Verwaltung. Jeder Einsatz muss von einer ethischen und sozialen Folgenabschätzung begleitet werden, die offenlegt, welche Auswirkungen ein System auf Bürger:innen und Beschäftigte hat – und prüft, ob es andere technische Alternativen zum KI Einsatz mit weniger Nebenwirkungen gibt. Ebenso braucht es eine verpflichtende Veröffentlichung von Fehlerstatistiken und eine transparente Information der Betroffenen, damit niemand einem Algorithmus ausgeliefert ist.
Vorrang sollen Open-Source Lösungen haben, um zu verhindern, dass die Verwaltung in teure, intransparente Systeme privater Anbieter abrutscht. Gleichzeitig müssen Beschäftigte von Beginn an in die Einführung und Bewertung neuer Systeme eingebunden werden – denn sie sind es, die täglich mit den Tools arbeiten und die Verantwortung tragen, dass im Sinne der Bürger:innen mit ihnen gearbeitet wird. Und nicht zuletzt braucht es einen massiven Ausbau digitaler Bildung und Schutzrechte für die Beschäftigten, damit KI nicht zu einem neuen Instrument des Leistungsdrucks wird, sondern tatsächlich zur Unterstützung menschlicher Arbeit beiträgt. 

Zwischen EU-Regelwerk und kommunaler Realität

Mit der EU-Verordnung 2024/1689, dem sogenannten AI Act, gelten erstmals europaweite Regeln für den Umgang mit künstlicher Intelligenz. Sie definiert Risikoklassen und verpflichtet öffentliche Stellen, bei Hochrisiko-Anwendungen strenge Transparenz- und Prüfmechanismen einzuhalten.
Doch der beste Rechtsrahmen nützt wenig, wenn er auf kommunaler Ebene nicht umgesetzt wird. Jeder gelungene Kontakt mit der Verwaltung stärkt das Vertrauen der Bürger:innen in diese und unsere Demokratie- und jeder nicht-gelungene säht Zweifel. Umso sorgfältiger muss sichergestellt werden, dass der KI Einsatz in der Verwaltung mit der Rechtslage einhergeht, damit die Bürger:innen nicht enttäuscht werden von einem unsachgemäßen Umgang mit ihren sensiblen Daten. 
Die Stadt Potsdam arbeitet derzeit an einer KI-Strategie. Diese enthält unter anderem ein Innovationsportfoliomanagement, einen TÜV-geprüften KI-Beauftragten und erste Kriterien für den Einsatz. Das ist ein Schritt nach vorn. Wirklich sozial wird die Digitalisierung aber erst, wenn auch Bürger:innen, Personalräte und Stadtverordnete mitentscheiden können, wo KI sinnvoll ist und wo sie eben nichts zu suchen hat – auch wo vielleicht andere digitale Lösungen genauso gut oder besser zum Ziel führen würden. 

Eine linke Antwort auf den KI-Hype

Digitalisierung im öffentlichen Sektor ist kein Sparprogramm, sondern eine Frage der gesellschaftlichen Infrastruktur. Sie kann nur dann gerecht sein, wenn sie demokratisch, offen und solidarisch gestaltet wird. 
Eine linke Digitalpolitik muss das Gemeinwohl immer über reine Effizienzinteressen stellen. Digitalisierung kann eine Chance sein, soziale Teilhabe zu verbessern – wenn sie gut durchdacht und angemessen ist. Wenn Algorithmen eingesetzt werden, müssen ihre Entscheidungen jederzeit nachvollziehbar und überprüfbar sein. Niemand darf einer Maschine ausgeliefert sein, deren Logik sich dem demokratischen Blick entzieht. Gleichzeitig geht es um digitale Souveränität: Software, auf der Verwaltungshandeln beruht, gehört in öffentliche Hand und nicht in die Kontrolle profitorientierter Konzerne. 
Auch die Beschäftigten in den Verwaltungen müssen geschützt und qualifiziert werden, damit KI nicht zum Druckmittel wird, sondern tatsächlich dazu beiträgt, Arbeit menschlicher und gerechter zu gestalten. Schließlich braucht es starke demokratische Kontrolle, durch kommunale KI-Beiräte, offene Transparenzregister und eine breite gesellschaftliche Debatte darüber, wo Technologie im Dienst der Menschen steht und wo sie Grenzen haben muss. 

Digitalisierung als Klassenfrage

KI in der Verwaltung ist auch immer Spiegel gesellschaftlicher Machtverhältnisse. Wenn Rechenzentren Energie verschlingen, während Bürgerämter schließen, wenn Algorithmen über soziale Leistungen entscheiden, während Konzerne an der Software verdienen, dann ist das keine „Innovation“, sondern Klassenpolitik von oben. Unsere Aufgabe als Linke ist es, dieser Logik etwas entgegenzusetzen: eine digitale Zukunft, die sich am Menschen orientiert, nicht am Markt. 

Fazit: Mensch vor Maschine

Die Verwaltung der Zukunft kann digital sein, aber sie muss sozial bleiben. „Wohni“ und ähnliche Projekte zeigen, dass KI nützlich sein kann, wenn sie den Mitarbeitenden hilft, mehr Zeit für echte Beratung und Solidarität zu haben. Doch dafür braucht es politische Steuerung, klare ethische Maßstäbe und eine demokratische Kultur, die Technik nicht blind vertraut.