Die Ampel muss jetzt liefern!

Wie geht es weiter nach dem Parteitag? Interview mit Bundesgeschäftsführer Tobias Bank zur Niedersachsenwahl und Protesten im Herbst.

Tobias, erst mal noch herzlichen Glückwunsch zu deiner Wahl in das neue Amt des Bundesgeschäftsführers. Neu in der Partei bist du aber keineswegs …

Als mich die Ortsgruppe der Linksjugend [‘solid] Falkensee in den Stadtvorstand der PDS delegierte, war ich so gerührt von dem Vertrauen, dass ich im Februar 2005 Mitglied der Partei geworden bin. Nie hätte ich damals daran gedacht, irgendwann einmal Bundesgeschäftsführer zu werden. Seit 2008 bin ich zudem kommunaler Mandatsträger für DIE LINKE und seit 2018 im Parteivorstand. 

Steigende Lebensmittel- und Energiepreise machen schon jetzt vielen Menschen Angst und viele Tafeln in Deutschland stehen vor einem Ansturm, den sie kaum noch bewältigen können. Was macht die Partei in diesem Herbst, was sind deine Pläne?

In enger Abstimmung mit den Landesverbänden bereiten wir uns darauf vor, gemeinsam mit Sozialverbänden und Gewerkschaften landesweit kleinere und größere zentrale Protestveranstaltungen im Herbst zu organisieren. Einige Aktionen finden schon statt, erste Materialien sind schon produziert, weitere sind in Planung, die Gespräche laufen und die Ideen sprudeln. Ziel ist es, soviel Protest wie möglich gegen die Preissteigerungen bei Lebensmitteln und Energie sowie die Inflation auf die Straße zu bekommen, um den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen und für unsere Vorschläge zu werben. Denn wer 100 Milliarden für Rüstung ausgeben kann, aber nicht genug Geld für die Entlastung und den Schutz der Bevölkerung zur Verfügung stellen will, dem muss man mit lautem Protest und konkreten Vorschlägen begegnen. 

Im Vorfeld des Parteitages gab es viele Stimmen, die ein abgestimmtes Auftreten und Agieren von Parteivorstand und Bundestagsfraktion, aber auch mit Landesverbänden und der LINKEN in Regierungen forderten. Braucht es dazu neue Strukturen in der Partei?

Zuallererst sollten wir bestehende Beschlüsse vollständig und leidenschaftlich umsetzen und mit Leben füllen. Bloße Lippenbekenntnisse bei strukturellen Fragen bringen uns nicht weiter. Die Zusammenarbeit mit der Bundestagsfraktion haben wir nach einer gemeinsamen Debatte mit den Fraktionsvorsitzenden durch einen Beschluss und ein zusätzliches Kooperationspapier der Geschäftsführer auf eine komplett neue Grundlage gestellt. Das wurde von allen Seiten begrüßt. Erste praktische Auswirkungen sind bereits zu sehen. Die Einbindung der Landesverbände findet jetzt viel aktiver statt. Nicht vordergründig mit einer Erwartungshaltung, sondern auch mit der Bereitschaft zuzuhören, Erfahrungen zu nutzen und Vorschläge aufzunehmen. Genau so werden wir es auch mit unseren Vertreter:innen in den vier Landesregierungen mit LINKER Beteiligung handhaben. Auch wenn nicht alles auf einmal geht.

Zusätzlich brauchen wir aber auch strukturelle Änderungen, dazu wird eine Kommission eingesetzt werden, die Vorschläge erarbeiten wird.

Am 9. Oktober ist in Niedersachsen Landtagswahl. 2017 konnten wir 4,5 % der Zweitstimmen erringen. Was braucht’s, um wieder in den Landtag einzuziehen? 

Die Wahlkampfkampagne steht und die ersten Materialien sind gedruckt. Jetzt heißt es, die Spitzen- und Direktkandidierenden in Stellung zu bringen, unsere Mitglieder zu ermutigen, Wahlkampf zu machen, praktische Unterstützung aus anderen Landesverbänden zu organisieren und das Wählerpotenzial auszuschöpfen. 

Für uns wird erst einmal entscheidend sein, geschlossen aufzutreten und sich nicht öffentlich zu streiten. Das schreckt Wähler:innen ab. Wir können das, wenn sich alle zusammenreißen, mehr Politik auf der Straße als in den sozialen Netzwerken gemacht wird und wir uns mehr an den anderen Parteien anstatt an uns selbst abarbeiten. 2. sollten wir uns auf die LINKEN Kernthemen konzentrieren, den Unterschied zu anderen Parteien deutlich machen und unsere Vorschläge in den Mittelpunkt stellen. 3. braucht es die organisatorische und inhaltliche Unterstützung aus anderen Landesverbänden und den MdBs, um flächendeckende Angebote zu machen. Hier bitte ich alle zu prüfen, welche Unterstützung für unsere Genoss:innen in Niedersachsen gegeben werden kann.

Wir werden keine Wunder bei der Niedersachsenwahl erleben, aber wir haben die Chance, unseren Abwärtstrend zu stoppen. Das sollte uns Ansporn genug sein, von Niedersachsen ein Signal für eine sich aufrappelnde LINKE auszusenden. Das ist realistisch und machbar.

In ihrem Mitgliederbrief vom 13. Juli haben Janine und Martin eine Mitgliederoffensive angekündigt. Was bedeutet dies praktisch?

Durch verständliche und klare Ansprache, sehr gute politische und auch mal weniger politische Angebote, mehr Beteiligung, mehr Wertschätzung der ehrenamtlich Aktiven und auch der Erfahreneren, ein modernes Erscheinungsbild und mehr Präsenz von Funktionsträger:innen wollen wir an die Mitgliedschaft herantreten und auch neue Mitglieder gewinnen. Es wird nicht alles auf einmal gehen, aber wir arbeiten dran.

Die kommunalpolitische Arbeit ist dir besonders wichtig. Wie können wir es schaffen, diese Säule unserer Arbeit zu stärken?

Zeitnah werde ich einen Beirat für Kommunalpolitik berufen, der Inhalte für den Parteivorstand, für Fraktionen und fürs Wahlprogramm vorschlagen wird. Dieser ist direkt beim BGF angesiedelt und ein rein digital arbeitendes Arbeitsgremium. Außerdem wird es demnächst eine Zusammenkunft der hauptamtlichen Bürgermeister:innen und Landrät:innen geben, um auch ihnen mal Danke zu sagen. Zusätzlich wird es ein bundesweites Treffen geben, wo sich zu den veränderten Bedingungen bei Listenaufstellungen in Vorbereitung der bevorstehenden Kommunalwahlen ausgetauscht wird und Vorschläge und Hinweise gegeben werden. In den kommen Tagen wird es zusätzlich einen Austausch mit den kommunalpolitische Vereinigungen geben, bei dem keine Erwartungshaltung VON der Partei, sondern AN die Partei im Mittelpunkt stehen wird. Das kommunalpolitische Wissen muss mehr wertgeschätzt und genutzt werden.

Auf dem Parteitag haben wir einen Aufschlag zur schmerzlichen Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in unseren Reihen gemacht. Die Debatte war ein Anfang, aber wie geht es weiter?

Der entsprechende Parteitagsbeschluss wurde auf der ersten Sitzung des Parteivorstandes behandelt, in einen Arbeitsauftrag umgewandelt und befindet sich bereits in der Startphase der konkreten Umsetzung. Zusätzlich arbeiten bereits bestehende Strukturen weiter.