Luchadoras

In der mexikanischen Ciudad Juárez, laut ihrer Bewohnerinnen die gefährlichste Stadt für Frauen auf der ganzen Welt, hat sich im Schatten anderer Sportarten das Frauen-Catchen etabliert. Nun ist der „Lucha Libre“ neben Fuß- und Baseball zu einer beliebten Sportart in ganz Mexiko geworden, er findet in großen und kleinen Hallen und Ligen statt. Zur Ausrüstung der Kämpfer_innen gehört immer die charakteristische Maske, mit deren Tragen die Akteurinnen sich zu Superheldinnen stilisieren.

Paola Calvo und Patrick Jasim haben über die Protagonistinnen dieses Gewerbes, dessen Wettkampf-Honorare einigen ein zusätzliches Einkommen beschert, einen wunderschönen, einfühlsamen und mitreißenden Dokumentarfilm gedreht.

Ciudad Juárez ist als verlängerte Werkbank der USA bekannt, viele Montagefabriken gibt es hier. Das durchschnittliche Monatseinkommen liegt bei 300 Dollar. Viele Frauen arbeiten in den Werkstätten, hier setzt der Film an: Denn die Arbeiterinnen fahren spät abends allein mit dem Bus nach Hause. Eine gefährliche Fahrt, erzählen sie: Entweder wird gleich der Busfahrer übergriffig oder Banditen stehen bereit, sie zu entführen und Lösegeld zu verlangen. Wer nicht zahlen kann, endet als Leiche in der Wüste vor den Toren der Stadt.

Wir erfahren wie nebenbei von diesen Verhältnissen, während die spektakulären Bilder der Kämpfe gezeigt werden. Denn immer im Mittelpunkt des Films stehen die furchteinflößenden Kämpferinnen mit ihren so fantasievollen wie naheliegenden Noms de guerre: Mini Serenita ist selbstredend kleinwüchsig und Baby Star noch nicht mal volljährig.

Mit dem vermeintlich brutalen Sport – oft genug freundliches, aber wild aussehendes Umherwerfen –kompensieren sie ihre gewaltvolle Umgebung, ihre reale Unterlegenheit. Sie schlüpfen in ihre Superheldinnenrolle im Ring, um zu vergessen, dass auch Familienangehörige zu den Opfern gehören. Gemeinsam mit dem Publikum praktizieren sie ihre symbolische Rache am Patriarchat.

„Frauen sollen sich organisieren“, sagt Lady Candy. In ihrem Land werde alle zwei Stunden eine Frau getötet, sie selbst war wie viele ihrer Mitstreiterinnen bereits Gewalt ausgesetzt. Von ihrem Ex-Partner bekam sie „eine Pfanne ins Gesicht“.

Die Luchadoras steigen in den Ring, kämpfen gegen ihre Angst, gegen Unterdrückung und beschissene Verhältnisse, die sie nicht länger hinnehmen wollen.

Ein würdiger Film für den Frauenkinomonat März.

„Luchadoras“. D/MEX 2021. Regie: Paola Calvo und Patrick Jasim. Kinostart: 10. März 2022