Aufrüstungs-Booster ins Grundgesetz?

100 Milliarden zusätzlich für die Bundeswehr: Olaf Scholz (SPD) setzt auf Aufrüstung

Nach dem Angriff Putins auf die Ukraine schien die öffentliche Einigkeit zunächst groß. Kein Wunder: Der brutale Angriff auf die Ukraine verstößt offensichtlich gegen das Völkerrecht. Er ist ein Verbrechen. Auch DIE LINKE unterstützt die bundesweiten Proteste gegen den Krieg und fordert Sanktionen gegen Putins Regime und seine wirtschaftlichen Profiteure.

Doch im Windschatten des Entsetzens über den Krieg betreibt die Bundesregierung nun eine Politik, die mit Frieden und Sicherheit nichts zu tun hat. Am 27. Februar hat sie gemeinsam mit der CDU einen verhängnisvollen Paradigmenwechsel in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik verkündet. Anlass war die Sondersitzung des Bundestags. Doch es ging dort nicht vorrangig um Sanktionen gegen Putins Regime, Hilfe für Geflüchtete und die Menschen in der Ukraine. SPD, Grüne, FDP und CDU handelten vielmehr entsprechend der alten Lobbyisten-Weisheit „niemals eine Krise verpassen“ - um alte Pläne zur sogenannten „Modernisierung der Bundeswehr“ durchzusetzen. Wofür diese Chiffre steht, machte Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung deutlich: Ein militärisches Aufrüstungsprogramm in gigantischem Umfang, von dem selbst Rüstungslobbyisten bis vor kurzem nicht zu träumen wagten.

Nun soll das von der NATO geforderte Zwei-Prozent-Ziel übererfüllt werden. Außerdem soll der Bundeswehr ein „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro zur Aufrüstung zur Verfügung gestellt werden. Das ist mehr als das 2021er Budget der Bundesministerien Bildung (20,81 Mrd.), Innen und Bau (18,45 Mrd.), Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13,20 Mrd.), Wirtschaft und Energie (10,27 Mrd.), Umwelt (2,7 Mrd.), Zusammenarbeit und Entwicklung (12,42 Mrd.) sowie Ernährung und Landwirtschaft (7,67 Mrd.) – zusammen! Gemeinsam mit den ungefähr 50 Mrd. Euro des Verteidigungsministeriums entsprechen die deutschen Ausgaben für Rüstung und Krieg dann fast dem Dreifachen der gesamten Rüstungsausgaben Russlands. So eine Höhe hat der Rüstungsetats der BRD noch nie gehabt. Dabei ist Deutschland nur eines von 30 NATO-Ländern.

Bundesregierung setzt falsche Prioritäten

Das zeigt die Prioritäten der Bundesregierung: Für Hartz IV-Bezieher*innen, Renter*Innen, Luftfilter in Schulen, Beschäftigte in Pflege und Gesundheit, für Bahn und Klimaschutz ist kein Geld da. Aber 100.000.000.000 Euro jetzt sofort für Bundeswehr und Rüstungskonzerne? Kein Problem! Die Absurdität dieser Entscheidung hat die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der LINKEN, Nicole Gohlke per Twitter auf den Punkt gebracht: Um einen Pflegebonus in Höhe von insgesamt einer Milliarde Euro habe man anderthalb Jahre kämpfen müssen. Und nun wird "über Nacht" das Hundertfache für die Rüstung ermöglicht.

Dazu kommt: das Sondervermögen soll im Grundgesetz verankerten werden. Das heißt Aufrüstung bekommt Verfassungsrang, das wird nur schwer wieder zu ändern sein. Der Parlamentsvorbehalt bei Ausgaben für das Militär wird langfristig umgangen. Außerdem wird damit die Koppelung der Verteidigungsausgaben an die Entwicklungshilfe - die sich die Ampel gerade noch selber in ihren Koalitionsvertrag geschrieben hat - ausgehebelt. Überhaupt wird die massive Aufrüstung quasi über Nacht, ohne gesellschaftliche Debatte verfügt. Langjährige Kritik an der Aufrüstungspolitik, an Killerdrohnen und Geldverschwendung - auch aus SPD und Grünen - wird einfach übergangen. Die FDP hat sich erneut durchgesetzt. Bei den Rüstungskonzernen knallen die Sektkorken. Die Aktie des Waffenherstellers Rheinmetall ist am Tag nach der Bundestagssitzung um 60% gestiegen.

Bundeswehr hat nicht zu wenig Geld

Die Begründungen überzeugen nicht. Den Menschen in der Ukraine wird damit nicht geholfen. Statt langfristige Aufrüstung zu beschließen, sollte es jetzt um für Unterstützung für Geflüchtete und die Menschen dort gehen. Auch bei den Sanktionen gegen Putins Regime und seine Oligarchen, wie durch Enteignung von Luxusimmobilien oder dem Kampf gegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung, ist noch viel Luft nach Oben. (Mehr dazu: "Die Waffen nieder" reicht nicht. Moritz Warnke) Aber das wäre unbequem, gerade auch für Reiche und Vermögende hierzulande. Selbst für die Landesverteidigung ist das gigantische Aufrüstungsprogramm unsinnig. Gegen Atomwaffen hilft eine Aufrüstung der Bundeswehr nicht. Ihr vermeintlicher "Investitionsbedarf" resultiert zudem nicht aus fehlendem Geld. Im Gegenteil: In den Jahren seit 2014 ist der Militärhaushalt bereits um mehr als 40% gestiegen! Die Bundeswehr ist nicht von Unterfinanzierung geplagt, sondern von strukturellen Problemen beim Management und der Beschaffung. Unsummen sind in den letzten Jahren an Beraterfirmen wie McKinsey geflossen. Würde die Bundeswehr auf Landesverteidigung konzentriert ließe sich auch bei fragwürdigen Auslandseinsätzen (wie in Mali) viel Geld sparen. Die deutsche Sicherheits- und Außenpolitik muss verändert, nicht aufgerüstet werden.

Sicherheit und Frieden wird es in Europa langfristig nicht durch noch mehr Militär geben. Statt in weitere Aufrüstung zu investieren, sollten der Ausbau der erneuerbaren Energien und ein sozialer Ausgleich der steigenden Energiepreise oberste Priorität haben. Das macht auch unsere Energieversorgung unabhängiger. Sonst zerstören wir das Klima und finanzieren gleichzeitig weiter Putins Kriege. Wir brauchen massive öffentliche Investitionen, aber in die Zukunft: in Bildung, Klimaschutz, Pflege und Gesundheit, bezahlbares Wohnen, weltweite Entwicklung und gute Arbeit - nicht in noch mehr todbringende Waffen. Die Schuldenbremse darf nicht länger im Wege stehen. Sie sollte abgeschafft werden. Sie ist nicht zeitgemäß und führt zu immer absurderen Haushaltskonstruktionen. Sie ist auch nicht nötig. Geld wäre genug da: Die Vermögen der Reichen und Konzerne müssen endlich richtig besteuert werden.