Das verstrahlte Paradies versinkt

Die Menschen des Bikini-Atolls werden die ersten sein, denen der Klimawandel die Heimat raubt
  • Filmtheater Sendlinger Tor

Drei Inseln, 53 Korallen-Atolle, 53.000 Einwohner: Die Marshall-Inseln sind nichts, was heute unbedingt oft in die Schlagzeilen findet. Und dennoch haben sie mehr vom Weltgeschehen abbekommen, als ihnen lieb sein kann. In den vierziger Jahren verfügte die US-Regierung, dort eine Reihe Atom- und später Wasserstoffbomben zu testen. Dies auf dem eigenen Staatsgebiet durchzuführen, schien dann doch politisch zu brisant. Das Testgelände befand sich auf dem Bikini-Atoll im nördlichen Teil der Marshall-Inselgruppe, weil es schön weit weg von den Schifffahrtsrouten lag. Die Bewohner wurden umgesiedelt. Später wurde die Bikini-Insel als Namensgeberin für recht freizügige Badekleidung bekannt, das Kleidungsstück sollte Fortschritt und Modernität verheißen wie sie damals der Atomkraft zugeschrieben wurden. Da war aber von dem Atoll schon nicht mehr viel da; die 15-Megatonnen-Wasserstoffbombe „Bravo“ hatte ganze Arbeit geleistet! Wer zum Teufel sprengt Südsee-Inseln in die Luft, die wie ein schöner Badeanzug heißen?

Rückkehr ins verstrahlte Atoll

Alson Kelen ist einer jener Bikinianer, die mit den Eltern auf die Inseln zurückkehrten. 1978 dann wieder Umzug, zu viel Reststrahlung. Später wieder zurück. „Wunderschön, friedlich und sauber“, findet er heute seine Heimat. Lange Strände, es könnte alles prima sein. „Wir sind Meeresmenschen“, sagt er. „Aber der Ozean, der uns nährt, könnte uns verschlingen. Unsere Atombombe ist der Klimawandel.“ Die Inseln liegen kaum zwei Meter über dem Meeresspiegel, Ozeanologen prognostizieren, dass der Wasserpegel mit dem Abschmelzen von Gletscher- und Pol-Eis wegen der Erderwärmung ansteigt. Der Geoforscher Chip Fletcher von der Universität Hawaii konstatiert: „Bei Flut sind Teile des Landes jetzt schon überschwemmt.“

Dafür dürfte es jetzt mehr Aufmerksamkeit geben. Kelen, Fletcher und viele andere sind Protagonisten eines bemerkenswerten Films, den Mark und Viviana Uriona aus Berlin gedreht haben. „One Word“ soll ein „partizipativer Dokumentarfilm“ sein: Unter Mitwirkung der Bevölkerung von Marshall wurde das Skript in Filmworkshops entwickelt und dann über einen Zeitraum von neun Monaten gedreht. Interviews mit Experten wie Fletcher runden die Geschichte ab.

Eine neue Bedrohung

Die Treibhausgasemissionen der Industriegesellschaften, sagen Macher wie Protagonisten, könnten die alte Kultur zerstören, wenn das Meer ansteigt. Negative Prognosen sagen gar die Unbewohnbarkeit der Inseln bis zum Jahr 2050 voraus. „One Word“ ist eine Liebeserklärung an die arg gebeutelte Inselgruppe. „Die Palmen, die in meiner Kindheit auf dem Strand standen, stehen nun im Wasser. Die meisten Menschen wohnen in Gegenden, wo sie nicht vom Klimawandel betroffen sind. Wir leben mittendrin“, sagt die ortsansässige Dichterin Kathy Jetñil-Kijiner, die 2017 ihre „Iep Jãltok: Poems from a Marshallese Daughter“ veröffentlicht hat. “

Der Film versammelt Statements und Geschichten von Menschen wie Jetñil-Kijiner. Die vom Leben auf den Inseln, von der Anstrengung, dort zu überleben, künden. Sie sind zwar traurig - und Melancholie ist durchaus die Grundstimmung über weite Teile des Films -, wenn sie an ihre nicht gerade strahlende Zukunft denken; wenn sie sehen, wie die Inseln jetzt schon in Teilen vom Meer abgetragen werden.

Aber sie geben auch nicht auf und überlegen, ob sie mit dem Bau von Deichen beginnen. Tenor: Wir sind vor 2.000 Jahren gekommen, um zu bleiben. Und die drohenden Veränderungen haben auch ein soziales Experiment ausgelöst, indem sich die Betroffenen ständig weiterbilden und politisch aktiv geworden sind, Kontakte mit Umweltgruppen, der Forschung und internationalen Institutionen weltweit aufgebaut haben. Motto: Wir sind die Insassen des Klimawandels. Aber er kann uns auch alle zusammenbringen. So wenden sie sich auch über eine Reihe von selbstgegründeten NGOs wie zum Beispiel die „Women United Together Marshall Islands“ an die Weltöffentlichkeit.

Ein gleichermaßen drastischer, berührender wie hoffnungsfroher Film. „One Word“ läuft derzeit in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit einem besonderen Konzept unter Corona-Bedingungen in teilnehmenden Kinos und auf Filmfestivals. Der Film kann auch jederzeit in Bildungseinrichtungen u. ä. gezeigt werden. Eine Liste der Kino-Termine und Kontaktformulare gibt es auf www.kameradisten.org

Den Film gibt es auch unter: https://one-word-the-movie.com/de/kinowahl/