Interimszeit

In der Rolle der Wilma gibt Schauspielerin Fritzi Haberlandt den Nachwendejahren ein prägnantes Gesicht. Denn „Wilma will mehr“, und so heißt der facettenreiche Spielfilm von Maren-Kea Freese auch. Ausgebildet zu DDR-Zeiten im mittlerweile geschlossenen Lausitzer Kohlkraftwerk, hat Wilma nach der Wende einen Job im Elektrohandel gefunden. Der Job stimmt, verheiratet ist sie mit Alex, ehemals Ingenieur bei Robotron. Das Leben ist langweilig, könnte aber schlimmer sein. Wilma kann alles und hat einen Haufen Weiterbildungszertifikate. Walzer-Lehrerin, Bezirksmeisterin im Langstreckenschwimmen, ehrenamtliche Touristenführer im Kraftwerksmuseum – da ist ne Menge Potenzial.

Dann fällt die Existenz wie ein Kartenhaus zusammen: Das Geschäft ist pleite, Alex kocht nackt mit einer anderen Frau Spaghetti. Wilma haut nach Wien ab, wo sie Kontakte hat, die alsbald nichts mit ihr zu tun haben wollen. Sie landet im Obdachlosenasyl, bietet sich täglich als Handwerkerin im Tagelohnbetrieb an.

Irgendwann geht’s wieder aufwärts: Wilma findet ein Zimmer in einer Künstler-WG, gibt gar Walzerkurse, auch mit der Arbeit klappt‘s wieder. Bis zur nächsten Katastrophe. Richtig irgendwo anzukommen, trotz all der Talente, scheint in Wilmas Leben nicht vorgezeichnet.

Haberlandt, selbst 1975 in Ost-Berling geboren und mit respektabler Kino-Vita ausgestattet, gibt die Überlebenskünstlerin mit ordentlich Verve. Nichts kann Wilma verwüsten, so scheint es. Aber ohne Narben geht’s nicht: Das Leben findet zwischen den Stühlen statt.

In der Figur der Wilma porträtiert Freese diejenigen Arbeiterinnen der DDR, die mit der Wende zusehen durften, wie ihnen die Arbeitsbiografie abhandenkam, persönliche Beziehungen und noch mehr. Menschen, die Stationen ihres Lebens als Zwischenlösungen betrachten, bis die ganze Biografie aus Zwischenstationen besteht.

 

 

„Wilma will mehr“. D 2025. Regie: Maren-Kea Freese. Mit Fritzi Haberlandt, Thomas Gerber. Kinostart: 31. Juli 2025