Interview

Corona mit links bekämpfen

Ein-Euro-Schnelltests für alle!

Die Corona-Pandemie ist noch lange nicht ausgestanden. Da präsentiert die LINKEN-Spitze einen "Corona-Fahrplan“. Wohin soll die Reise denn gehen?

Katja Kipping: Dieser "Fahrplan für den Corona-Winter“ enthält Vorschläge, wie wir in den nächsten Monaten soziale Härten abfedern und besser mit der Pandemie umgehen als bisher. Wir wollen das Papier erst einmal mit den Landesvorsitzenden der LINKEN diskutieren.

Wieso veröffentlicht ihr dieses Papier ausgerechnet jetzt?

Weil abzusehen ist, dass uns ein Corona-Winter bevorsteht. Die Krankheit ist nicht überstanden. Im Gegenteil: In weiten Teilen Europas breitet sie sich wieder extrem schnell aus. Auch hier in der Bundesrepublik. Das heißt, dass wir mit der Pandemie vorerst weiterleben müssen. Deshalb müssen wir nun vorausschauend handeln und die notwendigen Schritte einleiten.

Ist das nicht Sache der Bundesregierung?

Die Bundesregierung versagt doch auf ganzer Linie bei der vorausschauenden Planung. Sie wurde vom Pflegenotstand ebenso überrascht, wie von den infizierten Reiserückkehrern, vom Schulanfang und jetzt sogar vom Winter.

Was muss denn jetzt geschehen?

Wir müssen die sozialen Härten der Corona-Maßnahmen besser abfedern. Wir müssen die Ärmeren schützen. So bekommen Sozialleistungsberechtigte keine Corona-Unterstützung. Das wollen wir ändern und fordern einen Corona-Aufschlag auf alle Sozialleistungen von 200 Euro im Monat. Davon würden auch Aufstockende profitieren, deren Zuverdienste jetzt in der Krise wegfallen. Zudem sollen Solo-Selbstständige bei Corona-Hilfen ein fiktives Unternehmergehalt von 1.200 Euro im Monat ansetzen und diesen Betrag für den Lebensunterhalt nutzen dürfen. Bislang ist ihnen das nicht möglich.

Was ist mit den Pflegekräften oder Kassierer*innen im Supermarkt?

Hier dringen wir darauf, dass Tarifverträge leichter für allgemeinverbindlich erklärt werden können, etwa in der Pflege oder im Einzelhandel, auch ohne Zustimmung der Unternehmerverbände. Außerdem müssen die Auslagerung von Tätigkeiten auf Subunternehmen und Werkverträge gesetzlich stark eingeschränkt werden. Der Mindestlohn muss auf 13 Euro angehoben werden, auch damit Beschäftigte später auf eine Rente über Hartz-IV-Niveau kommen.

Zudem fordert ihr in dem Papier, soziales Leben wieder zu ermöglichen. Was meint ihr damit?

Niemand kann genau vorhersagen, wann uns ein Impfstoff zur Verfügung stehen wird. Wahrscheinlich kommt ein solches Vakzin aber erst 2021. So lange können wir aber nicht auf Präsenzunterricht, Kulturveranstaltungen oder Besuche bei den Großeltern verzichten. Wir sollten stattdessen nach Wegen suchen, wie wir trotz Corona möglichst viele Dinge tun können. So könnten etwa Ein-Euro-Schnelltest helfen, die Pandemie weiter einzudämmen.

Diese Tests sollen aber fehleranfällig sein …

Man wird so nicht jedes Risiko vermeiden können, aber die Tests finden Menschen, die gerade besonders ansteckend sind ziemlich zuverlässig. Die Infizierten, die durch die Schnelltests unerkannt bleiben, sind meistens weniger ansteckend. Diese Ein-Euro-Schnelltests können Labortests nicht ersetzen, aber viel breiter eingesetzt werden und so helfen, besonders infektiösen Menschen zu finden. Deshalb muss die Produktion solcher Tests in großem Stil gefördert werden.

Tests schlagen aber erst Alarm, wenn es bereits zu spät ist. Wie lassen sich Infektionen denn vermeiden?

Wir wissen, dass Aerosole Viren tragen und sich in Innenräumen im Laufe der Zeit so verteilen, dass Abstandsregeln unwirksam werden. Klassenzimmer mit geschlossenen Fenstern erhöhen das Infektionsrisiko also enorm. Das gilt auch für Restaurants. Da die Option "Fenster auf“ im Winter nicht praktikabel ist, brauchen wir Luftfilter, die Aerosole mit Corona-Viren aus der Luft filtern können. Die Bundesregierung muss dringend die ausreichende Verfügbarkeit von Luftfiltern über ein Bundesprogramm sicherstellen. Für die Gastronomie, die schon jetzt ums Überleben kämpft, brauchen wir ein Leasing-Programm, damit sich auch kleine Restaurants und Kneipen Luftfilter leisten können.

Was sagst du zu der Diskussion über Bußgelder für Maskenmuffel?

Statt über höhere Strafen für „Maskensünder“ zu diskutieren, sollten wir es den Menschen möglichst einfach machen, sich an die Regeln zu halten. Zum Beispiel durch das Aufstellen von Masken-Automaten an Bus- und Bahnhaltestellen.

Besonders gefährdet sind ältere Menschen. Viele leiden aber unter der Isolation. Wie können wir hier helfen?

Ich schlage dafür ein Besuchslotsenprogramm vor: »Kaffee mit Oma? Na klar!«. Die Lotsen würden die Familien und die Pflegebedürftigen so unterstützen, dass Besuche wieder möglich werden. Sie müssten Angehörige über die besonderen Hygieneanforderungen informieren , FFP2-Masken könnten zur Verfügung gestellt werden, Besuche über den Gartenzaun könnten geplant und umgesetzt oder spezielle Räume mit Virenbarrieren eingerichtet werden. Viele Menschen, die jetzt zum Beispiel in Gastronomie und Tourismusbranche nicht arbeiten können, aber auch Menschen aus der Veranstaltungsbranche – kurz Menschen, die gerne mit Menschen zu tun haben, wären für diese Arbeit geeignet.