Wir können auch mal verlieren, aber niemals den antifaschistischen Kampf

Der Kampf gegen die AfD ist nicht nur symbolische Geste. Es geht um den Erhalt der Demokratie in den nächsten Jahren. Antifaschistische Strategien müssen daher über den „Schutz der Brandmauer“ hinausgehen und regionale sowie Ost-West-Unterschiede, den industriellen Abbau und soziale Kämpfe um bessere Löhne und wirksame Mitbestimmung – wie sie etwa Gewerkschaften führen – gezielt aufgreifen. Ob eine „antifaschistische Wirtschaftspolitik“ – wie sie in Teilen der Partei derzeit diskutiert wird – allein ausreicht, ist fraglich. Wahrscheinlich kann sie nur ein Teil einer umfassenderen Strategie sein. Wir schlagen deshalb eine „Drei-plus-Strategie“ vor: Erstens den Kampf um Demokratie, zweitens einen linken Kulturkampf, drittens einen sozialen Antifaschismus – ergänzt um eine spezifische Ost-Perspektive.


Kampf um Demokratie


Bei der Bundestagswahl hat die AfD ihr Ergebnis bundesweit verdoppelt. In allen ostdeutschen Bundesländern wurde sie stärkste Kraft, gewann fast alle Wahlkreise direkt – teils mit über 50 Prozent. Auch im Westen erzielt die AfD inzwischen flächendeckend zweistellige Ergebnisse. Sie hat in den letzten Jahren andere neonazistische Akteure marginalisiert und aufgesogen, sie gibt der extremen Rechten eine politische Heimat, eine Plattform und Einkommensquellen. Vielerorts
sind lokale Bündnisse mit der AfD schon Alltag – über 100 Kooperationen bestehen auf kommunaler Ebene, quer durch alle Parteien. Die Frage ist nicht mehr ob, sondern wann die AfD zur realen Machtoption auf Bundesebene wird. Wir befinden uns mitten im Faschisierungsprozess, dessen Ausgang offen in beide Richtungen ist. Die AfD wird alles daransetzen, sich als koalitionsfähige Kraft zu inszenieren. Ob das gelingt, hängt nicht nur von ihrer Selbstverkleidung
als bürgerliche Partei ab, sondern auch davon, wie entschlossen wir als Gesellschaft dagegenhalten – mit klaren Strategien, politischem Mut und gesellschaftlichem Zusammenhalt. Wer die Demokratie stärken will, muss auch das Vertrauen der Menschen in die Politik zurückgewinnen.


Die politische Einflussnahme großer Konzerne muss offengelegt und kritisiert werden. Gleichzeitig braucht es glaubwürdige Gegenmodelle, wie wir sie in der Partei stark machen. Unsere Lobby sind nicht Unternehmen, Konzerne und Tech-Giganten – es sind Menschen und Bewegungen, die die Gesellschaft von unten aufbauen.

Dem Bild einer käuflichen Politik müssen wir entgegenwirken. Um Vertrauen zurückzugewinnen, braucht es klare und glaubwürdige Signale – etwa durch die Begrenzung von Mandatszeiten, eine Deckelung von Politiker:innengehältern und volle Transparenz bei Nebeneinkünften und Parteispenden.


Klassenpolitik statt Desillusionierung: Viele fühlen sich nicht gehört und vertreten. Genau hier setzen wir an: mit konkreter Unterstützung wie bei „Die Linke hilft“ und mit organisierender Politik – im Betrieb, im Viertel, in der Schule, überall dort, wo sich Alltag und Ungleichheit begegnen. Demokratie zu verteidigen heißt, Machtverhältnisse infrage zu stellen – und gelebte Alternativen sichtbar zu machen.


Kulturkampf von links


Ein wirksamer Widerstand gegen die AfD und den gesellschaftlichen Rechtsruck braucht mehr als Abwehr – er braucht einen offensiven, linken Kulturkampf: Wer bestimmt die Werte, Normen und Weltbilder unserer Gesellschaft? Was macht Antifaschismus zur Selbstverständlichkeit? Wir brauchen einen breit angelegten Gegenentwurf zur rechten Ideologie – einen, der alle Lebensbereiche durchdringt: Wissenschaft, Kultur, Bildung, Wirtschaft und vor allem die Arbeitswelt. im Zentrum steht die Frage: Wie sieht ein gutes Leben für alle aus – und welche Gesellschaft schafft die Grundlage für Solidarität, soziale Gerechtigkeit und echte demokratische Teilhabe? Doch genauso entscheidend ist: Wer verhindert diese Gesellschaft? Wer spaltet, grenztaus, baut soziale Rechte ab – und warum sind genau diese Kräfte die Feinde der Demokratie?


Dafür braucht es:

Starke Bildungsarbeit: Antifaschistische und demokratische Haltungen müssen gezielt gestärkt und rechte Ideologien aktiv zurückgedrängt werden. Politische Bildung darf dabei nicht nur auf Aufklärung und Agitation gegen rechts zielen, sondern muss als ein Prozess der Ermächtigung verstanden werden: um die gesellschaftlichen Verhältnisse zu erkennen und sie verändern zu können. Es geht nicht nur um Widerstand gegen Nazis, sondern um eine Bildung, die uns aus dem
Kapitalismus befreit.
Starke Betriebe: Auch in der Arbeitswelt wächst das Misstrauen – gegenüber dem Staat, der Politik aber auch gegenüber den Gewerkschaften. Als Linke müssen wir Gewerkschafter:innen darin unterstützen, Debatten darüber in den Betrieben aktiv zu führen. Der Erfolg liegt nicht nur in den Ergebnissen, sondern im Prozess – im gemeinsamen Handeln und in der Veränderung. Wenn Kolleg:innen spüren, dass sie gemeinsam etwas bewegen können – sei es durch Streiks, Tarifverhandlungen oder andere Formen des Widerstands – verändert sich die Stimmung im Betrieb. Dieses Gefühl der Selbstwirksamkeit ist es, das wir stärken müssen. Einheit statt Spaltung bedeutet, dass wir alle gemeinsam für etwas einstehen. Nur so können wir den autoritären und spalterischen Kräften von rechts etwas entgegensetzen.
Starke Antifa-Bündnisse: Bei großen Bündnissen wie es etwa Unteilbar oder „Hand in Hand“ waren, darf die Linke nicht fehlen. Oft sind diese Bündnisprozesse mit enormem Aufwand verbunden, der nicht immer im Verhältnis zum Ergebnis steht. Auf entsprechenden Großveranstaltungen dringt die Kritik an beteiligten Regierungsparteien nur schwer durch oder führt zu Unmut. Nichtsdestotrotz sind diese Events ein Raum der Sichtbarkeit, von Empowerment und Vernetzung. Sie werden nicht sofort das Erstarken der AfD verhindern, aber sie sind für Meinungsbildungsprozesse entscheidend. Die Linke muss in ihnen ein Sprachrohr und eine kritische Stimme jenseits nomineller Demokratie-Lobhudelei sein. Ein linker Kulturkampf in allen Lebensbereichen bedeutet, den Mut zu haben, sich allem autoritären Denken und Handeln entgegenzustellen, Hoffnung zu verbreiten und sich zu stärken, um für ein besseres Lebenskonzept – wie den Sozialismus – zu kämpfen.

Mit sozialem Antifaschismus


Der Kampf gegen Faschismus ist untrennbar mit sozialer Gerechtigkeit verbunden. Wer rechte Ideologien bekämpft, kämpft auch für bezahlbare Mieten, einen günstigen Nahverkehr und eine Rente, die zum Leben reicht. Unsere Strategie setzt dabei auf Nähe und Beteiligung: Wir gehen zu den Menschen, hören zu, führen Gespräche an der Haustür, organisieren Mieter:innentreffen und überzeugen im direkten Austausch.
Dafür braucht es eine klare und verbindende Kampagne, die für Stadt und Land funktioniert. Mit flexiblen, anpassbaren Bausteinen können Genoss:innen vor Ort auswählen, was zu ihrer Region passt und direkt loslegen. Unsere Antworten auf soziale Spaltung, Klimakrise und Rechtsruck müssen im Alltag der Menschen spürbar sein. Für eine Politik, die sofort entlastet und gleichzeitig in eine solidarische Zukunft investiert. Dazu gehören konkrete Forderungen wie die Einführung eines Mietendeckels, Senkung oder Deckelung der Strom- und Energiepreise oder die Einführung einer Übergewinnsteuer. In ausgebluteten ländlichen Regionen sind es die erreichbare Nahversorgung und Räume für soziales Miteinander und Kultur. Bezahlbarer Wohnraum, Investitionen in Bildung und Gesundheit, ein klimafreundlicher, auch auf dem Land und in Kleinstädten funktionierender Nahverkehr, eine Ausbildungsoffensive, die Fachkräfte sichert und
eine Einwanderungsgesellschaft, die partizipativ ist. Eine Rüstungsindustrie, die auf zivile Produktion umgestellt und Busse und Bahnen statt Panzer baut. Das Morgen beginnt heute – mit Forderungen, die überall anschlussfähig sind.


Eine Strategie für den Osten


In Ostdeutschland, besonders in ländlichen Regionen und kleineren Städten, herrscht eine rechte Hegemonie. Rechte Straftaten, Anfeindungen und die Verharmlosung durch lokale Politiker haben extrem rechte Milieus verfestigt. Die Perspektivlosigkeit in vielen Regionen, die durch Deindustrialisierung und neoliberale Politik verstärkt wurde, hat zu einem tiefen Ohnmachtsgefühl geführt, das die Distanz zum politischen System verstärkt. Die Partei braucht für den Osten eine Strategie, die nicht nur langfristige Ziele verfolgt. Die aktive Unterstützung kommunalpolitisch engagierter Genoss:innen ist zentral – sie sind oft die erste Verteidigungslinie gegen rechteDominanz. Es braucht den gezielten Aufbau lokaler Bündnisse mit zivilgesellschaftlichen Akteur:innen, Initiativen und Gewerkschaften. Klassische antifaschistische Praxis – von der Präsenz auf der Straße bis zur Dokumentation rechter Vorfälle – bleibt unverzichtbar. Sie bietet unmittelbaren Schutz für Betroffene und schafft Räume, in denen antifaschistische Kultur erfahrbar bleibt. Unsere Verbündeten sind diejenigen, die für Demokratie und Menschenwürde eintreten. Besonders aus den Großstädten heraus muss es eine Selbstverständlichkeit sein, zu unterstützen, wenn extreme Rechte oder konservative Kräfte vor Ort angreifen. Es erfordert eine kluge Bündnispolitik, die pragmatisch die Kräfteverhältnisse vor Ort bewertet, statt sich in Distinktionen zu verlieren. An vielen Orten im Osten geht es darum, das letzte Stück „Normalität“ gegen die fortschreitende Faschisierung zu verteidigen.

Auch wenn uns die Entwicklungen Sorgen machen: Der Kampf gegen rechts ist nicht verloren. Es gibt Spielräume, die wir nutzen können und müssen. Wenn wir als Linke konkrete, sozialpolitische Perspektiven aufzeigen, tragfähige Bündnisse aufbauen und langfristige Strategien für den Weg in eine solidarische, sozialistische Gesellschaft entwickeln, dann schaffen wir auch Gegenwind. Wir sind die Hoffnung. Die Kraft, die zeigt: Es geht auch anders. Wir können vieles verlieren, aber nicht diesen Kampf.