Widerspenstig, lernbegierig und reformorientiert.

Für eine LINKE, die sich neu erfindet.

Unsere Partei muss sich als widerspenstige und reformorientierte Kraft erneuern. Dafür brauchen wir Lernbereitschaft, Verständigung und ein strategisches Zentrum, das nur Ergebnis intensiver gemeinsamer Diskussionen sein kann. Wie es aussehen wird, wissen wir noch nicht. Wir möchten aber dazu beitragen, den dafür notwendigen Gesprächsprozess zu beginnen.

Krisen können zum Ende führen. Oder zu einem Neuanfang, durch den alte Schwächen überwunden werden. Es kommt auf uns an, wie diese Geschichte ausgeht. Dazu gehört sicherlich eine nüchterne Bestandsaufnahme von Problemen und eigenen Fehlern, dazu gehört aber auch die Bereitschaft, in einer Dialektik von Kontinuität und Bruch Bewährtes zu bewahren, um neue Wege zu gehen. Wäre die LINKE von 2013 die Antwort auf die Probleme von 2023, es wäre doch wirklich zu schön (und einfach), um wahr zu sein.

Kein heutiger Teil der LINKEN, auch nicht der, aus dem wir kommen, hat die fertige Antwort in der Schublade.

Wir glauben das nicht. Wir glauben, dass wir uns als Partei neu erfinden müssen – und dazu möchten wir beitragen und einladen. Neugierig und offen im Wissen, dass – frei nach Dieter Strützel – die Wahrheit, die uns fehlt, die Wahrheit von euch anderen sein könnte. Kein heutiger Teil der LINKEN, auch nicht der, aus dem wir kommen, hat die fertige Antwort in der Schublade, wie unsere Partei wieder stärker wird. Wer heute meint, die Partei müsse nur tun, was man selbst schon immer gesagt hat, ist vermutlich Teil eines tieferen Problems, nicht der Lösung.

Die sozialistische Lücke im Land

In diesem Land wird eine sozialistische Partei dringend gebraucht, weil die Verhältnisse danach schreien. Weil die herrschenden Eliten und ihre Parteien viele Menschen politisch verlassen und vergessen haben, deren Wünsche und Ansprüche unerfüllt bleiben. Weil wir von den Krisen betroffen sind, die das gesamte kapitalistische System durchziehen und sich nicht durch oberflächliche Reformen bewältigen lassen: die schleichende soziale, die sich verschärfende ökologische und die sich ausweitende demokratische Krise.

An den grundlegenden Problemen im Land ändert diese Regierung nichts oder viel zu wenig

Vor diesem Hintergrund versagt die Ampel-Regierung. Durch schwere Fehler hat sie der AfD das Feld bereitet. An den grundlegenden Problemen im Land – Armut, kaputtgesparte Kommunen, undemokratische Lobbymacht der Konzerne, ein verschlafener Klimaschutz, marode Infrastruktur, unsichere Arbeitsverhältnisse – ändert diese Regierung nichts oder viel zu wenig. Weil sie es nicht will und weil sie es nicht kann. Gleichzeitig vollzieht sich eine Rechtsverschiebung, weil die Parteien der sogenannten Mitte Argumente der AfD in mehr oder minder moderaterem Ton übernehmen, Schritte zur Abschottung in Regierungspolitik umsetzen.

Angesichts der Probleme und verfehlten Politik eint uns die Überzeugung, dass es tatsächlich eine politische Lücke in Deutschland gibt. Von der LINKEN konnte sie zuletzt nicht gefüllt werden, weil sie nach 5 Jahren intensivierten Auseinandersetzungen nicht vertrauenswürdig und durchsetzungsfähig erscheint. So fehlte eine Partei, die sich glaubhaft für die sozialen und politischen Anliegen derjenigen einsetzt, die sozial abgehängt werden, aber auch für die, denen es noch relativ gut geht, und sich nach mehr Freiheit sehnen – eine Arbeiter:innenpartei des 21. Jahrhunderts; eine Partei, die sich für Gleichheit und Entwicklungsfreiheit der Menschen in allen Lebensbereichen einsetzt; eine Partei, die das Überleben unserer Kinder und Enkelkinder ermöglicht – eine ökologische Linkspartei; und eine Partei, die um Köpfe und Herzen kämpft, andere nicht mit Belehrungen erschlägt – eine Partei des demokratischen Sozialismus. Unser Problem ist nicht, was wir so oft auf Parteitagen entschieden haben. Unser Problem ist das, was wir nicht in der Lage waren glaubhaft für die Menschen im Land zu machen. Das muss und kann anders werden.

Widerspenstig, einladend, reformorientiert

DIE LINKE ist kein Selbstzweck. Wir glauben, dass unsere Partei wichtig ist, um eine grundlegende Alternative zu den Krisen unserer Zeit zu erfinden und durchzusetzen - und weil es eine politische Kraft braucht, die so sehr für die Arbeiter:innen und einfachen Angestellten und ihre Anliegen kämpft, wie mit ihnen gemeinsam.

Wir brauchen eine durchsetzungsstarke Reformkraft, einen phantasievollen sozialen und ökologischen Reformmotor.

Nicht alles wird möglich sein. Radikale Linke können und müssen in der LINKEN der Zukunft eine wichtige Rolle spielen, aber die LINKE kann keine revolutionäre Partei (den verschiedenen Entwürfen des 20. Jahrhunderts entsprechend) werden – sie muss ihr Hauptaugenmerk darauf richten, im Hier und Jetzt Reformen durchzusetzen, die das Leben der Mehrheit verbessern und so dazu ermutigen, mit uns den demokratischen Weg zum Sozialismus zu suchen. Wir brauchen eine durchsetzungsstarke Reformkraft, einen phantasievollen sozialen und ökologischen Reformmotor – der auch für Veränderungen kämpft, die das Sozialistische im Heute ausweiten und als Einstiege in den Ausstieg aus dem Kapitalismus gelten können. Als organisierende Kraft, die gemeinsam mit den Menschen für Veränderungen kämpft, ob nun gewerkschaftlich im Betrieb oder in Initiativen wie Deutsche Wohnen & Co Enteignen. Aber auch als Regierungspartei, die sich vor Konflikten nicht scheut, um Verbesserungen zu ermöglichen.

Das bedeutet aber auch: DIE LINKE hat als SPD 2.0 oder Grüne 2.0 keine Zukunft. Wir brauchen eine überzeugende Strategie der Basisarbeit, die Gegenmacht von unten aufbaut – oder popular (Volksmacht), wie unsere spanischsprachigen Genoss:innen das nennen. Und wir brauchen eine zuspitzende, eine bissige und witzige Art der Öffentlichkeitsarbeit, die alle anspricht, die politisch von den Wirtschaftseliten und den ihnen loyalen Politiker:innen vergessen und verlassen wurden: ob Arbeiter bei Amazon, ob die Großmutter, die von einer Armutsrente leben muss, ob Klimaaktivisten, deren Sehnsucht nach einer angemessenen Klimapolitik enttäuscht wird, oder Kollegen, die in ihrem Alltag unter Rassismus leiden. Eine Öffentlichkeitsarbeit, die zeigt wer profitiert und daran mitwirkt, eine breitere gesellschaftliche Bewegung für ein solidarische Republik aufzubauen. Denn eine solche Bewegung brauchen wir - und eine Partei, die für das fortschrittliche Drittel der Bevölkerung eine verlässliche politische Adresse und Bündnispartnerin ist. Eine Partei, die jeden Tag daran arbeitet, konkrete Verbesserungen durchzusetzen, ob in der Opposition oder in Regierung, und die fortwährend darum ringt die soziale Basis für eine demokratische, ökologisch-sozialistische Politik zu vergrößern. Die immer wieder ihre Nützlichkeit beweist.

DIE LINKE hat als SPD 2.0 oder Grüne 2.0 keine Zukunft. Wir brauchen eine überzeugende Strategie der Basisarbeit, die Gegenmacht von unten aufbaut.

Ob wir das radikalen Reformismus oder revolutionäre Realpolitik nennen: Möglich wird dies nur, wenn wir in der Partei Schluss machen mit einer Politik der „möglichst kleinen Differenz“, des Misstrauens, der Strömungsbefindlichkeiten, mit einer Kultur, die gemeinsames Lernen verhindert. Wenn wichtiger ist wer etwas sagt als das, was gesagt wird, dann wird eine Partei kollektiv dumm. Wir müssen aber gemeinsam viel klüger werden, um wieder zu gewinnen.

Für eine strategisches Zentrum, das Handlungsfähigkeit und Einheit stärkt

In den vergangenen Monaten wurde oft darüber geschrieben, unsere Partei brauche ein „strategisches Zentrum“. Wir haben selbst in den vergangenen zwei Jahren für diese Idee geworben. Ein solches Zentrum lässt sich nicht am Reißbrett beschließen oder fix am Küchentisch zusammensetzen, weil man – vermeintlich – prägende Persönlichkeiten der Partei zusammenbringt.

Wir stellen uns darunter mehr vor: Einen Verständigungsprozess zur Bestimmung gemeinsamer strategischer Leitplanken für die Neuaufstellung der LINKEN nach der Abspaltung. Der über alle Strömungsgrenzen und Traditionen hinausgreift, der auf Vertrauen, gemeinsamer Diskussion und Erfahrung beruht. Den wir aktiv befördern müssen und der nur dann entsteht, wenn wir dafür Zeit und Geduld aufbringen. Und wenn wir die Bereitschaft und Kraft haben, Brücken zu bauen, statt Gräben aufzureißen oder zu vertiefen. Das geht, ohne begründete inhaltliche und strategische Meinungsverschiedenheiten zu leugnen oder zu überspielen. Es ist nicht einfach, aber dringend nötig.

In unseren Augen muss ein dabei entstehendes strategisches Zentrum erstens strategiefähig und deshalb lernfähig sein. Darum muss es plural zusammengesetzt sein, denn die Strategie- und Lernfähigkeit wächst mit den unterschiedlichen Erfahrungshintergründen und Arten des Wissens der Menschen, die zusammenarbeiten. Aber nötig ist auch die Fähigkeit zur Entscheidung und Übersetzung in praktische Vorschläge für die Partei. Zweitens darf ein strategisches Zentrum nicht mit einem überschaubaren Kreis von Menschen verwechselt werden – ein strategisches Zentrum braucht ein weitgeknüpftes Netz von Angehörigen und Multiplikatoren, damit Sichtweisen aus allen Ebenen und Teilen der Partei einfließen können. Und damit Vorschläge des Zentrums auch eine Chance haben, verwirklicht zu werden. Drittens lebt ein solches Zentrum von Selbstdisziplin: Wer die Selbstprofilierung durch Angriffe auf geltende Beschlüsse betreibt (ob in der Presse oder in sozialen Medien), kann auf Dauer nicht Teil eines solchen Zentrums sein. Das setzt voraus, dass innerparteiliche Opposition gewertschätzt wird. Teamgeist und Zusammenhalt kann man viertens nur fordern, wenn Beschlüssen lebhafte und kontroverse demokratische Diskussionen vorausgehen. Und fünftens darf ein strategisches Zentrum nicht der Versuchung erliegen zu allererst Formelkompromisse zu organisieren, die zwar „nach innen“ die Partei befrieden, aber „nach außen“ eigentlich kaum jemanden überzeugen und begeistern. Ein gutes strategisches Zentrum eint, aber es zwingt sich immer, überzeugende Antworten auf die sozialen und politischen Herausforderungen zu formulieren, von denen wir selbst auch glauben, sie seien – und sei es um den Preis großer sozialer Kämpfe – machbar und einleuchtend für die Menschen.

Was zu diskutieren wäre

DIE LINKE will in dem Sinne Klassenpartei sein, dass sie die mit der Klassenstruktur verbundenen Ausbeutungs-, Unterdrückungs- und Benachteiligungsverhältnisse in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellt.

Wir glauben, dass wir uns einige wichtige Fragen stellen müssen, über die es ohne Besserwisserei zu reden gilt. Es gibt sicher noch mehr, aber diese erscheinen uns als besonders wichtig:

Erstens: DIE LINKE will in dem Sinne Klassenpartei sein, dass sie die mit der Klassenstruktur verbundenen Ausbeutungs-, Unterdrückungs- und Benachteiligungsverhältnisse in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellt, gemeinsam mit den Ausgebeuteten, Unterdrückten und Benachteiligten für ihre Anliegen und Interessen streitet und eine Perspektive der sozialen Befreiung eröffnet. Aber innerhalb unserer Partei gibt es momentan keine weithin geteilte Diagnose darüber, auf welche Teile der unteren Klassen (in denen es sehr unterschiedliche Lebens- und Arbeitsbedingungen, und die verschiedensten politischen Überzeugungen gibt) wir uns vor allen beziehen, welche Konflikte und Probleme wir in besonderem Maße aufgreifen müssen und wie wir Klassenmacht aufbauen wollen, um Reformen durchzusetzen und Schritte zum demokratischen Sozialismus zu gehen. Es gibt einen reichhaltigen Erfahrungsschatz aus den vergangenen Jahren innerhalb der Partei, sowohl aus der Praxis wie aus der inhaltlichen Debatte, den wir nutzen sollten.

Zweitens: Wir selbst kommen aus Traditionen der Linken, die – spätestens seit Ende der 1970er Jahre – darauf bestehen, die alte Arbeiter:innenbewegung (die sich auch immer erneuern muss) und neue soziale Bewegungen zusammenzuführen, ein gemeinsames politisches Projekt zu erfinden. Das ist offensichtlich leichter beansprucht als getan. Unseres Erachtens können wir nur im Gehen lernen und auch strittige Fragen, die es in der Partei gibt, klären. Der Kritik etwa, die von einigen Genoss:innen geäußert wird, so würde „die Welt der Arbeit“ aus dem Blick geraten, lässt sich nur konkret diskutieren und – möglicherweise – widerlegen. Zum Beispiel, indem wir ganz praktisch zusammen mit anderen daran mitwirken, gemeinsame Perspektiven und Auseinandersetzungen für die Gewerkschafts- und Klimabewegung zu öffnen, wie etwa bei der Kampagne „Wir fahren zusammen“ von Fridays for Future und ver.di für bessere Arbeitsbedingungen für Beschäftigte des ÖPNV und mehr Investitionen für einen besseren öffentlichen Nahverkehr. Aber das ist nur ein Beispiel. Wir müssen genauer diskutieren, wie alte und neue soziale Bewegungen verbunden werden können – freilich ausgehend von der Erkenntnis, dass die alte Klassenpolitik immer mehr war als Betriebs- und Gewerkschaftspolitik.

Wir wollen eine Partei, die stolz ist links zu sein.

Drittens: Wir wünschen uns eine Partei, die offen und zugewandt mit dem Gesicht zu den Menschen diskutiert. Jede wirklich linke Partei muss eine Balance wahren. Sie muss in Initiativen und Bewegungen aktiv sein, wo sie mit Menschen zusammenarbeitet, die ein radikaleres politisches Bewusstsein entwickelt haben – ob nun über wirtschaftliche und soziale Belange, über Rassismus, Ökologie oder Geschlechterverhältnisse. Wir glauben, dass wir möglichst viele dieser Menschen als Mitglieder und Aktive für unsere Partei gewinnen müssen, ob nun Betriebs- und Personalräte, Vertrauensleute, Aktive aus Mieter:inneninitiativen, Klimabewegte oder Antirassismusaktivisten. Gleichzeitig ist es unsere Aufgabe, den Austausch mit denen zu suchen, die eben nicht in Initiativen und Bewegungen aktiv sind. Wir müssen die Überzeugten organisieren, um um die Unentschiedenen und Schwankenden zu kämpfen. Das setzt ein offenes Auftreten, Neugierde und die Bereitschaft voraus, mit der Mehrheit der Menschen zusammenzuarbeiten, die eben ein widersprüchliches Alltagsbewusstsein haben. Wir wollen eine Partei, die stolz ist links zu sein – und genau deshalb offen und zugewandt auch auf die zugeht, die von Eliten und Mainstreamparteien politisch verlassen und vergessen werden. In der Vergangenheit wurde Kritik in der Partei laut, dass genau das nicht mehr gelingt – mal offen, mal „im Vertrauen“ haben wir diese Sorge aus ganz unterschiedlichen Teilen der Partei gehört. Auch das ist also offensichtlich eine Baustelle, auf der wir zu arbeiten haben.

Wen überzeugt eine solche Sicherheits- und Verteidigungspolitik? Wir haben keine fertigen Antworten, aber wir haben viele Fragen.

Viertens: In unserer Partei war die Außen- und Sicherheitspolitik immer wichtig, für viele Genoss:innen geradezu identitätsstiftend. Wir wissen auch (u.a. aus der Nachwahlstudie der RLS), dass wir in den letzten Jahren genau auf diesem Feld am schwersten Menschen von dem überzeugen konnten, was sie für unsere Positionen hielten. Umso bemerkenswerter ist es, wie wenig offen und in einem guten Klima über komplizierte Fragen diskutiert werden kann. Betonköpfe oder Bellizisten, das sind Beleidigungen, die man (nicht nur) hinter vorgehaltener Hand häufig hörte. Wir müssen beantworten, wie eine Außen- und Sicherheitspolitik aussehen muss, die ein friedliches Zusammenleben der Völker fördert und gleichzeitig – weil Frieden mehr ist als das Ende des Schießens (Daniela Dahn) – Menschenrechte, Demokratie und sozialen Fortschritt stärkt. Was heißt das konkret in einer Welt heraufziehender imperialistischer Konfrontationen? Wir wollen uns das Leben selbst schwer machen, indem wir uns den Satz von Rossana Rossanda in Erinnerung rufen, dass eine abstrakte politische Antwort nie eine gute politische Antwort ist. Wir wollen das an einem (beliebigen!) Problem verdeutlichen: Wir sind uns weitestgehend einig, dass die Bundeswehr eine strukturell nicht angriffsfähige Verteidigungsarmee sein sollte. Dass wir wirtschaftliche und zivilgesellschaftliche Maßnahmen stärken wollen, um in den Außenbeziehungen Frieden und Kooperation zu fördern. Wir lehnen die NATO ab, wissen aber, dass die Bundeswehr alleine nicht verteidigungsfähig wäre – ohne den Schutzschild durch die USA, den wir aber ablehnen. Wir lehnen zurecht die Aufrüstung der Bundeswehr ab. Wir wollen aber auch keine europäische Verteidigungsarmee. Wen überzeugt eine solche Sicherheits- und Verteidigungspolitik? Wir haben keine fertigen Antworten, aber wir haben viele Fragen. In der Partei geht es unseres Wissens vielen so.

Fünftens: Wir glauben, dass die Klimakrise (bzw. die erkennbare Klimakatastrophe) eine materialistische Existenzfrage ist, die wir in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellen müssen. Dazu gehört es selbstverständlich, die soziale Sicherheit, die demokratische Mitsprache und ein gutes Leben für die abhängig Beschäftigten als Ziel zu verfolgen. Wir brauchen überzeugende Antworten darauf, wie wir einen Klimaschutz „in sozialer Verantwortung“ betreiben wollen, wie Gregor Gysi das nennt. Dafür liegen gute Vorschläge vor, es gibt auch weitreichendere Visionen (etwa die Idee einen linken Green New Deals, wie sie von Bernd Riexinger entwickelt wurde). Das sind sehr gute Grundlagen. Aber: All das müsste mit noch mehr Leben gefüllt werden. Darum schlagen wir vor, dort noch aktiver zu sein, wo um den sozialökologischen Umbau wirklich gerungen wird. Eine drängende Aufgabe ist, Erfahrungen auszuwerten und in der Partei breiter zu diskutieren – etwa aus der Automobilindustrie, in der wir ja durchaus Mitglieder haben, die dort haupt- und ehrenamtliche gewerkschaftliche Aufgaben haben. Oder Erfahrungen, die in der bereits erwähnten Kampagne „Wir fahren zusammen“ gesammelt wurden. Wir müssen eine intensivere Debatte über unsere mittelfristigen Antworten führen, also über unseren „sozialen und ökologischen Zukunftspakt“, den wir vorschlagen. In den vergangenen Jahren haben wir es unseres Erachtens als Gesamtpartei versäumt, hier weiterzuarbeiten.

Sechstens: Die Vision linker Politik, mit der wir über längere Zeit erfolgreich waren, ist verblasst. DIE LINKE ist als Gegenbewegung gegründet worden, an unserer Wiege (als neue Partei, die aus PDS und WASG entstanden ist) stand der Sozialabbau durch Rot-Grün. Wir haben den Enttäuschten eine Stimme gegeben. Das war wichtig. Aber einerseits sind diese Zeiten vorbei und andererseits ist eine Partei, die sich als Korrektiv anderer Parteien versteht, enorm abhängig – von schlechter Politik anderer Parteien. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ohne (unsere) harte Opposition gibt es keine gesellschaftlichen Fortschritte. Aber unsere Partei muss ihren Platz neu bestimmen. Unseres Erachtens müssen wir die Partei sein, die für Gleichheit und Freiheit kämpft – in allen wichtigen Bereichen, die das Land bewegt, ob in der Arbeitsmarkt- und Einkommenspolitik, in der Asyl- und Einwanderungs- oder in der Klimapolitik. Wir müssen klar und deutlich machen, wie wir unsere Ziele durchsetzen wollen – wir brauchen einen überzeugenden „Plan to win“, der klar macht, wie aus Wollen und Sollen eigentlich Gesetze werden. Unserer Partei fehlt diese Vision im Moment. Wir haben eigene Ideen, die wir in diese Debatte einbringen wollen (z.B. die Idee eines klimagerechten Sozialstaates oder die Vision einer solidarischen Republik), aber darum geht es an dieser Stelle noch nicht. Wenn wir nicht klären, was unsere Rolle als Partei gegenüber all den anderen Parteien ist und nicht auf einfache Weise erzählen können, wie wir zu Verbesserungen kommen, werden wir auch die Köpfe und Herzen der Menschen nicht erreichen. Wie geht also die Antwort, die wir in 3 Minuten am Infostand erzählen?

In der Präambel unseres Programms heißt es unter anderem: „Wir wollen eine Gesellschaft des demokratischen Sozialismus aufbauen, in der die wechselseitige Anerkennung der Freiheit und Gleichheit jeder und jedes Einzelnen zur Bedingung der solidarischen Entwicklung aller wird.“

Lasst uns gemeinsam diesem Projekt eine Zukunft schenken – mutig und mit Ausdauer, selbstkritisch und bereit, gemeinsam zu lernen – in dem Wissen, dass wir nur so stärker werden können.