Vergesellschaftungen im Energiesektor – für eine zukunftssichere Energieversorgung

Energiepark Lausitz: K

In deutschen Großstädten steigen und steigen die Mieten, Wohnungen sind Mangelware, Baugrund ist endlich und nichts deutet darauf hin, dass sich die Notlage in den nächsten Jahren entschärfen wird. 2021 stimmte deshalb die Mehrheit der Berliner:innen in einem Volksentscheid für die Forderung der Initiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“, die Wohnungsbestände großer Immobilienunternehmen zu resozialisieren.

Nun explodieren auch die Energiepreise und es mehren sich Forderungen in der gesellschaftlichen Linken, die Enteignungsdebatte auf eine Vergesellschaftung großer Energiekonzerne auszudehnen und so die öffentliche Kontrolle über diesen wichtigen Teil der Daseinsvorsorge sicherzustellen. Vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden Klimakrise stellt sich hier jedoch die Frage nach der Zukunftsfähigkeit solcher Milliardeninvestitionen.

Warum die Vergesellschaftung von RWE und E.on nicht zielführend ist.

Schon jetzt schrumpft durch die ordnungspolitisch erzwungene Stilllegung von AKWs und Kohlekraftwerken der Anteil der großen Energiekonzerne an der Stromerzeugung in Deutschland. In der Vergangenheit reagierten diese Unternehmen mit einer Ausweitung und Internationalisierung ihrer Geschäftsfelder, kaum jedoch mit Investitionen in erneuerbare Energien in Deutschland. 2020 betrug der Stromverbrauch in Deutschland rund 570 Terawattstunden, 250 Terawattstunden davon wurden durch Wind- und Solarenergie, Biomasse und Wasserkraft erzeugt. (Eine Terawattstunde entspricht einer Milliarde Kilowattstunden.) Die Anlagen zur Produktion von erneuerbarem Strom sind mehrheitlich in der Hand von Einzelpersonen, landwirtschaftlichen Unternehmen und Gewerbebetrieben, ein steigender Anteil wird von Fonds und Banken gehalten. Der Energieriese RWE hingegen entpuppt sich als Öko-Zwerg: 2020 produzierte er in Deutschland nicht einmal fünf Terawattstunden erneuerbaren Strom. E.on, EnBW, EWE und Vattenfall schneiden ähnlich kläglich ab. Durch eine (teure) Vergesellschaftung der beiden privaten Energiekonzerne RWE und E.on handelt man sich ein Portfolio abgeschriebener und stillzulegender AKWs und Kohlekraftwerke ein. Eine Bündelung der relevanten, klimaneutralen, zukunftsfähigen Stromerzeugung in öffentlicher Hand wird damit nicht erreicht.

Wohin das Geld stattdessen fließen soll: Erneuerbarer Strom aus öffentlicher Hand

Zielführender wäre es, öffentliche Gelder direkt in den Ausbau erneuerbarer Energien zu investieren. Der Strombedarf Deutschlands wird sich in den nächsten Jahren mindestens verdoppeln, da für eine klimaneutrale Energieversorgung auch im Wärme- und Verkehrssektor Erdgas, Kohle und Erdöl durch erneuerbaren Strom ersetzt werden müssen. Vier Fünftel der benötigten Stromerzeugungsanlagen sind noch gar nicht gebaut. Um den Anteil von Stromerzeugungskapazitäten in öffentlicher Hand zu erhöhen, könnten beispielsweise bestehende kommunale Energieversorger und Stadtwerke bzw. landeseigene Energieunternehmen beim Ausbau erneuerbarer Energien durch Zuschüsse oder günstige Darlehen unterstützt werden. Es wäre zu prüfen, ob der Bund nicht auch direkt in Erzeugungsanlagen für erneuerbare Energien investieren könnte.

Für eine hundert Prozent erneuerbare Stromversorgung muss der volatile Wind- und Sonnenstrom in Form von elektrischer, chemischer oder Wärmeenergie zwischengespeichert werden. Die hierfür nötige Infrastruktur ist noch im Aufbau begriffen, so dass es auch hier zahlreiche Möglichkeiten für öffentliche Direktinvestitionen gäbe.

Momentan wird ein Großteil der Komponenten von Solar- und Windkraftanlagen in der VR China gefertigt. Weltweite Bemühungen um Klimaneutralität werden zu einer massiven Nachfragesteigerung führen, daraus resultierende Lieferengpässe werden auf nationaler und internationaler Ebene das Erreichen der Klimaziele erschweren. Deshalb gilt es, bestehende Fertigungsstätten in Deutschland zu erhalten, aber vor allem neue Fertigungskapazitäten aufzubauen. Statt den Aufbau neuer Industrieanlagen über günstige Kredite und Zuschüsse zu subventionieren, könnte der Staat auch direkt in die betreffenden Solarfirmen und Windkraftanlagenhersteller investieren und sich so Firmenanteile sichern. Das Gleiche gilt im Wärmebereich für die dringend benötigten Fertigungskapazitäten für Wärmepumpen.

Die Zusammenfassung und Nationalisierung der vier Stromübertragungsnetze würde Kosten sparen und Systemdienstleistungen erleichtern. Ein Beispiel hierfür ist die Netzstabilisierung, die in Hinblick auf die fluktuierende erneuerbare Energieerzeugung stark an Bedeutung gewinnt. Durch eine Rekommunalisierung der Stromverteilernetze können Privatgewinne wieder in öffentliche Kassen gelenkt werden und dort zur Quersubventionierung, z. B. für den Ausbau von Wärmenetzen, verwendet werden.

Der Traum von billigen Wasserstoffimporten führt zu milliardenschweren Fehlinvestitionen.

Die Hoffnung, dass der Weltmarkt auf absehbare Zeit signifikante Mengen an grünem Wasserstoff zur Verfügung steht, ist illusorisch. Ob Länder Südamerikas, Afrikas und des Nahen Ostens, die Ukraine, Russland oder Kanada – keiner dieser „Hoffnungsträger“ verfügt aktuell auch nur in Ansätzen über die Möglichkeit, den eigenen Energieverbrauch mit Wind- oder Solarenergie zu stillen. Man muss sich also noch nicht einmal am neokolonialistischen Grundkonzept einer Verlagerung von Flächenverbrauch in den globalen Süden stoßen: In absehbarer Zeit wird Deutschland keine nennenswerte Menge an Wasserstoffimporten zur Verfügung stehen. Der Ausbau von LNG-Terminals und Pipelines ist deshalb für eine international solidarische, klimaneutrale Energieversorgung Deutschlands nicht hilfreich. Da Gasheizungen durch Wärmepumpen und Fernwärme ersetzt werden müssen, werden große Teile der Gasverteilernetze in den nächsten Jahren außer Betrieb gehen. In diese fossile Infrastruktur sollten also nach Möglichkeit keine öffentlichen Gelder mehr investiert werden.

Wohin das Geld stattdessen fließen soll: Klimaneutrale Wärme aus öffentlicher Hand

Der Weltmarktpreis für Erdgas ist auch durch den nunmehr staatlichen Großhändler Uniper nur bedingt zu beeinflussen. Für sehr viele Stadtwerke bildet der Vertrieb von Gas jedoch das Kerngeschäft. Die explodierenden Preise können schon aus sozialen Gründen nicht (vollständig) auf die Kunden abgewälzt werden. Es ist deshalb zu erwarten, dass viele Stadtwerke in den nächsten Monaten und Jahren in eine finanzielle Schieflage geraten, die nur durch bundesweite Subventionen behoben werden können. Gleichzeitig müssten die Stadtwerke jetzt massiv in eine Dekarbonisierung investieren, um mittelfristig eine sichere und klimaneutrale Strom- und Wärmeversorgung sicherzustellen. Dafür dürften die meisten Stadtwerke dringend auf günstige staatliche Kredite bzw. Zuschüsse angewiesen sein.

In Deutschland gibt es rund 16 Millionen Ein- und Zweifamilienhäuser, die meisten werden noch mit Gas oder Öl beheizt. Diese müssen in den nächsten Jahren größtenteils mit Wärmepumpen ausgestattet werden. Bereits jetzt gibt es eine staatliche Förderung mit Zuschüssen von 25 bis 40 Prozent für die energetische Gebäudesanierung. Trotzdem zögern viele Hausbesitzer:innen, Investitionen im fünfstelligen Bereich in eine recht neue und unbekannte Technologie zu tätigen. Abhilfe könnten hier Leasingkonzepte oder ein Wärmecontracting bieten, bei dem Unternehmen in öffentlicher Hand, beispielsweise kommunale Stadtwerke, den Einbau und Betrieb von Wärmepumpen in Privathäusern anbieten und die Wärmetarife für finanzschwache Haushalte in sozialen Tarifen staffeln.

Es braucht mehr als eine nur eigentumsrechtliche Vergesellschaftung.

Energiekonzerne in öffentlicher Hand, wie ENBW, EWE oder Steag, waren bisher keine Vorreiter einer sozial-ökologischen Energiewende. Wie stark öffentliche Energieerzeugungsunternehmen klimapolitischen Zielen verpflichtet werden können, hängt neben den regulatorischen Rahmenbedingungen und einer mehr oder weniger direkten und ständigen Beteiligung der Zivilgesellschaft auch und besonders davon ab, ob diese Unternehmen dem Diktat der Profitabilität unterliegen.

Öffentliche Investitionen im Energiesektor müssen durch ordnungspolitische Maßnahmen flankiert werden, wie etwa ein verbindliches Enddatum für die Nutzung von Erdgas, eine Neustrukturierung des Strommarktes und Regelungen zur Verhinderung von Landgrabbing. Ressourceneffizienz und die möglichst hundertprozentige Recyclingfähigkeit sämtlicher Anlagenkomponenten sind weitere Schwerpunkte, die nur durch staatliche Vorgaben durchgesetzt werden können.

Fazit

Die Energiewende dürfen wir weder dem „Markt“ noch einzelnen öffentlichen Energieversorgungsunternehmen überlassen. Das Jahrhundertprojekt einer sozial-ökologischen Energiewende verlangt nach einer strategischen, langfristigen und aktiven Wirtschaftspolitik und einer stetigen gesamtgesellschaftlichen Steuerung und Kontrolle.

Eine Vergesellschaftung international agierender Energiekonzerne mit ihren überwiegend fossilen Infrastrukturen ist für eine sozial-ökologische Energiewende nicht zielführend. Stattdessen sollten Vergesellschaftungen auf zukunftsfähige, für eine klimaneutrale Energieversorgung notwendige Teilbereiche der Energiewirtschaft beschränkt werden.

Zu Vergesellschaftungen im Energiesektor hat die BAG Klimagerechtigkeit auf ihrer Mitgliederversammlung am 12. November eine Stellungnahme verabschiedet, die hier nachgelesen werden kann: https://www.dielinke-klima.de/aktuelles/presse/detail/energiekonzerne-vergesellschaften/