Liebe LINKE - Happy Birthday zum 15.

Es war ein sehr heißes Wochenende im Juni 2007, als die Delegierten der Partei des Demokratischen Sozialismus und der Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit im Neuköllner Hotel Estrel die Partei DIE LINKE gründeten. Aber nicht nur die tropisch anmutenden Außentemperaturen trieben so manchen Delegierten Schweißtropfen auf die Stirn, sondern auch der zurückliegende, mindestens zweijährige Diskussionsprozess über das angestrebte gemeinsame Parteiprojekt hatte viele hitzige Debatte ausgelöst. Aber, zur Erleichterung und an diesem Tag im Estrel wirklich spürbaren Freude aller – es war geschafft. Das gemeinsame Projekt, die neue Partei DIE LINKE war geboren! Heute feiert DIE LINKE ihren 15. Geburtstag.

15 Jahre DIE LINKE: Antje von Broock gratuliert
  • DIE LINKE

Auch heute am 16. Juni 2022 zeigt das Thermostat wieder sommerliche Hitze an, aber ähnlich wie im Gründungsjuni ist es nicht nur das Wetter, welches uns schwitzen lässt. Es erscheint, als verhielte sich unser gemeinsames Projekt ähnlich einem Teenager mitten in der Pubertät. Es ist bockig, verweigert sich immer wieder der Kommunikation, manches Mal wirklich halsstarrig, es will oft Recht haben, anstatt sich mit Argumenten auseinanderzusetzen, schlägt um sich und ja, leider müssen wir das sagen, sein Verhalten ist wirklich zuweilen destruktiv. Dabei waren wir so überzeugt davon, dass wir den Nutzen notwendigen kontroversen Streits, der ganz im Marxschen Sinne These und Antithese in einer Synthese auflösen könnte, der argumentiert, statt ein Junktim zu implementieren, der nicht die Vortragenden von Positionen als Personen verdammt, sondern sich mit den geäußerten Inhalten auseinandersetzt, vermittelt hätten. Tja, 15 - Jährige verhalten sich aber leider häufig gänzlich anders, als ihre Erzeugerinnen und Erzeuger erwarten oder was diese denken, vermittelt zu haben. Klar, ohne Frage, das ist brutal anstrengend und nervend und manchmal hat mensch einfach keine Lust mehr. Aber – wie bei Eltern - Aufgeben und Abhauen ist keine Option! Wir, jede und jeder Einzelne sind verantwortlich für unsere 15-Jährige und dafür, was aus ihr wird. In drei Jahren wird unser Projekt „volljährig“. Es ist also unsere Aufgabe, unsere jetzt noch sehr widerspenstige, aber natürlich wunderbare, charmante, lebendige, empathische, kluge Teenagerterrortochter, die 15 -Jährige LINKE, die 2025 zur nächsten Bundestagswahl volljährig sein wird, auf diesem Weg zu leiten. Leiten ist ein Verb, also ein „Tu-Wort“ . Ergo gibt es etwas für uns alle zu tun. Wir, als Verantwortliche (ist, ja schließlich unser Baby) für DIE LINKE müssen handeln, uns entscheiden. Leiten bedeutet dabei mehr als nur beobachtend neben her laufen, ist also nicht synonym mit „begleiten“ heißt aber auch nicht unverrückbare Planken zu zementieren (wie auf Autobahnen). 15-Jährige brauchen Verlässlichkeit (selbst, wenn Mama und Papa sich mal streiten, wir lieben dich und sind immer für dich da!) und Orientierung (Gewalt oder die Überlegenheit des Stärkeren löst keine Konflikte). Verlässlich für unsere 15Jährige müssen wir alle sein. Um die Orientierung für unsere LINKE ringen wir auf dem Parteitag nächste Woche. Damit unsere 15-Jährige unserer Leitung vertraut, braucht es noch etwas – Konsequenz! Wenn wir uns über die Orientierung verständigt haben (ist auch wieder wie bei Eltern, die sich tunlichst nicht in den Leitlinien der Erziehung widersprechen sollten), dann kommunizieren wir das auch gemeinsam so. Warum sind wir in unserer Kommunikation und unserem Verhalten konsequent zur getroffenen Orientierung? Ganz einfach – wir sind verantwortungsbewusst. Denn wir haben die Verantwortung für unsere 15-Jährige. Nur wir gemeinsam werden sie zu einer starken, selbstbewussten, kämpferischen, klugen, solidarischen, intellektuellen, empathischen, an sich glaubenden, strahlenden, erwachsenden Schönheit machen, die 2025 erfolgreich die nächsten Bundestagswahlen bestehen wird!

15 Jahre DIE LINKE: Ricardo Lange gratuliert
  • DIE LINKE

Hej, ihr Mütter, Väter, Töchter, Söhne, Enkelinnen und Enkel und ja auch ihr Cousins und Cousinen (damit definiere ich mal die Nicht-Parteimitglieder, aber stets umworbenen „Bündnispartner:innen), was aus unserer 15-Jährigen wird, liegt in eurer/unserer Hand. Zugegeben, das ist anstrengend, weil mensch sich einbringen, besser, einmischen muss. Und selbiges besser dauerhaft. Grüßonkel – und Grüßtanten nutzen der Heranwachsenden wenig und böse, aber wahr, die Heranwachsenden erinnern sich selten an „Eintagsfliegen“. Aber alle Heranwachsenden brauchen, ja gieren zu Recht nach orientierenden Alternativen. Die können und sollten eine diskursive Herausforderung sein. Damit seid ihr uns an jedem Ort in der Republik willkommene Gäste. Aber wenn ihr euch homophob, sexistisch, rassistisch, militaristisch, kolonialistisch oder in irgendeiner anderen Weise Menschen herabwürdigend äußert, – fliegt ihr raus! Zur Leitung unser 15-Jährigen seid ihr dann nicht geeignet. Da sind wir uns einig an unseren Küchentischen, an unseren Stammtischen, in unseren Basisorganisationen, in den Fraktionen und Vorständen, wenn ihr so denkt gibt es für euch keinen Platz in der LINKEN.

15 Jahre DIE LINKE: Ulrich Schneider gratuliert
  • DIE LINKE

Zweifelsohne unsere 15Jährige ist weiblich – DIE LINKE! Mein und unser Anspruch geht allerdings weiter. Wir wollen eine feministische Partei sein. Damit schließt sich natürlich aus, dass wir die sexistisch konnontierte Feier des fünfzehnten Geburtstags eines Mädchens, die sogenannte Fiesta de quinceañera, als Blaupause für den Geburtstag unserer 15-Jährigen nehmen. Stattdessen müssen wir  uns selbst und unserer 15Jährigen, nach den vielen Anklagen zu sexualisierter Gewalt in unserer Partei Rechenschaft ablegen. Auch dieses werden wir auf unserem Parteitag machen, da bin ich mir sicher. Alle, die Gewalt erfahren haben, sind ein Teil unserer 15-Jährigen und ihr könnt darauf vertrauen, dass wir verlässlich an eurer Seite stehen, dass wir auf dem Parteitag erneut für die Orientierung, – Bekämpfung sexualisierter Gewalt in unseren Parteistrukturen und unserem Miteinander einstehen werden und, dass wir konsequent jede Missachtung eines „Nein heißt Nein“ ächten und verfolgen werden. Und vor allem – wir glauben euch! Dem könnt ihr vertrauen.

Nachdem wir sorgend einen Blick auf unsere 15-Jährige geworfen haben, lasst sie uns jetzt feiern. Heute ist ihr/ unser 15. Geburtstag und – ich bin mir sicher auch, wenn sie uns zuweilen ärgert und nervt, – wir lieben sie und wollen sie nicht missen! Wir sind überzeugt von ihr, wir kämpfen für sie, nicht nur wir brauchen sie – sie ist unser „Baby“ und wir sind DIE LINKE.

Liebe LINKE wärest du nicht so verrückt, widerspenstig, anstrengend, systemüberwindend, radikal reformierend, deine Traditionen verteidigend, Grenzen überwindend, lernfähig, selbst gebastelt, very professionell und aus 60.000 besonderen Einzelnen zusammengesetzt – wärest du nicht unsere 15-Jährige und wir wären nicht ein Teil deines Ganzen – unserer Partei.

Zum Geburtstag gratulieren wir dir und weil wir schon so viel Gutes mit dir erlebt haben, haben wir dir mal aufgeschrieben, warum wir dich lieben und ein Teil deiner sind.

Claudia Siebold, Fürth

Es muss im Jahr 2005 bei der vorgezogenen Bundestagswahl gewesen sein, bei der das Bündnis aus der damals „immer noch anrüchigen“ PDS und unserer WASG (deren Mitbegründerin in Fürth ich damals war) angetreten war.

Ich war sehr glücklich über diese Fusion, denn erst damit hatten wir eine reale Chance, die 5 % Hürde zu nehmen.

Ich hatte in dem Wahlkampf zur Bundestagswahl eifrig auf der Straße Flugblätter verteilt und wurde auch des Öfteren von Passanten angepöbelt: „Dann geht doch wieder nach drüben“, obwohl es ja gar kein „Drüben“ mehr gab.

Die Wahlparty war dann an der Fürther Freiheit, es war die erste Wahlparty meines Lebens, es war ja auch das erste Mal, dass ich in einem Wahlkampf mitgemacht hatte und ich war sehr gespannt und dann auch sehr beeindruckt.

Acht Komma sieben Prozent!!! Da war das ersehnte und lange erwartete Endergebnis. Wir fielen uns in die Arme und jubelten und jubelten...Dieser Jubel wollte gar nicht enden, es dauerte eine ganze Weile, bis endlich jemand auf die Idee kam, die Sektflaschen zu öffnen.

Ich war im siebten Himmel. Wir hatten es geschafft. Und jetzt wäre es toll, wenn wir einen solchen Erfolg in absehbarer Zeit wieder schaffen würden…

Ates Gürpinar, München

Die Grundlage zur Veränderung der Welt – eine Verbeugung vor dem ‚Team Logistik‘ Die größte Hochachtung habe ich vor denen in der Partei, von denen wir zu selten sprechen. Selbstverständlich höre ich mir gern die Reden der LINKEN-Promis an, das rhetorische Geschick des einen, den pointierten Satz der anderen. Aber ganz besonders sind diejenigen, die nicht in der Öffentlichkeit stehen, die jeden Monat ihren doch sehr hohen Monatsbeitrag leisten und dafür die Partei am Laufen halten. Wer sind sie? Wenn vorn die großen Reden geschwungen werden, schreiben sie die Protokolle, wenn die Vorsitzenden noch einen Flyer drucken lassen möchten, ermöglichen sie in ihrem Finanzplan, dass auch das Geld noch irgendwie zur Verfügung steht. Sie machen die Sozialberatung, sie begleiten Menschen zum Amt. Sie sind die, die auch im Ländlichen dafür sorgen, dass linke Informationen in den Briefkästen zu finden sind. All dies leisten Mitglieder der Partei täglich – tausendfach, weder für Geld noch für Aufmerksamkeit, sondern einfach deswegen, weil sie einen Teil dazu beitragen wollen, die Welt ein Stückchen besser zu machen. Maximal beeindruckt war ich von einer Gruppe älterer Mitglieder, die sich irgendwann im Jahr 2017 in München zusammenfanden, um fortan das Büro instand zu halten und sich als Team Logistik um alles bemühen, was die Grundlage zum Arbeiten bot: Unter dem Motto: ‚Wir haben lang genug selbst Politik gemacht, wir bereiten den Boden dafür, dass das die Jüngeren nun übernehmen‘, setzte sich die Gruppe von fünf Genossen Ü70 das Ziel, alles zu unternehmen, damit linke Politik in München möglich wird. Von der Renovierung der Bürotoilette über geladene Akkus der mobilen Anlage bis zur Garantie, dass die richtigen Flyer zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Die Vorbereitung mit Kaffee und Kuchen für die Neumitgliedertreffen, ein aufgeräumtes Büro, ein Lachen auf dem Weg zum Plakatieren. Aber auch der Test, ob bei der zentralen Wahlkampfveranstaltung die elektronische Musik der geladenen DJ’s auch auf ihre doch nicht mehr ganz jungen musikalischen Ohren passt. Unser Team Logistik ist damit doch nur ein Beispiel für die Vielen, die an jedem Ort ihren Teil leisten, dass die Welt eine bessere wird, die damit direkt Solidarität leben. Ohne sie gibt es DIE LINKE nicht, sie bilden die Basis dafür, dass DIE LINKE die Gesellschaft verändern kann. Wenn`s manchmal schwer ist, denke ich an die gelebte Solidarität, dann denke ich daran, dass sie nicht enttäuscht werden sollten, dass wir gemeinsam das Fundament nutzen müssen und die Gesellschaft zu einer solidarischeren machen.

Hartmut Bohrer, Wiesbaden

Nach mehreren vergeblichen Versuchen soll es noch in diesem Sommer in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden Wirklichkeit werden: dauerhaft kostenfreier Eintritt für Kinder und Jugendliche in städtischen Frei- und Hallenbädern. Das haben wir mit GRÜNEN, SPD und Volt so für den Haushaltsplan beschlossen und werden wir jetzt gemeinsam umsetzen!

Susanne Giesen

Ich bin seit 2019 in der Partei die Linke. Ich finde es gut, dass unsere Partei sich für den Frieden und für soziale Gerechtigkeit einsetzt. Ich fühle mich bei der Linken wohl, komme sehr gut mit meinem Ortsverband klar und ich wünsche mir für unsere Partei, dass sie wieder stärker wird. Wir müssen unsere Positionen stärker in die Gesellschaft vermitteln - Frieden, Soziales und Gegen Rechts. Ich freue mich, dass es die Linke seit 15 Jahren gibt und wünsche uns wieder mehr Erfolge und viele neue Mitglieder, die die Partei mitgestalten werden.

Sonja und Fritjof Newiak, Brandenburg

Die jetzige Landesarbeitsgemeinschaft „Netzwerk Europäische Linke“ des Landesverbandes Brandenburg fuhr seit 1993 zur Fête de l´Humanité in Paris. Dabei gab es einige Jahre auch einen Stand in gemeinsamer Verantwortung mit der KSČM (Kommunistische Partei Böhmens und Mährens), weil wir seit längerem mit  verschiedenen Kreisverbänden in unserem Nachbarland zusammengearbeitet hatten  und diese Zusammengehörigkeit auch demonstrieren wollten. Die Fête war und ist ein gigantisches Volksfest. Hier trifft sich die linke Welt, was an den unterschiedlichen Rhythmen und Klängen der Musik, den vielfältigen Gerüchen der angebotenen Speisen und dem Sprachengewirr fühlbar wurde. So konnte es auch passieren, dass man sich mit einem Chilenen, zwar nicht spanisch, französisch, englisch oder deutsch aber russisch verständigen konnte. Es kamen immer Hunderttausende Besucher mit sehr unterschiedlichen politischen Anschauungen ohne Berührungsängste, aber auch immer am politischen Austausch interessiert. So sind wir nach jeder Fête nach sehr kurzen Nächten emotionsgeladen und voller Optimismus nach Hause gefahren. Nach der Gründung der LINKEN herrschte eine besonders optimistische Aufgeschlossenheit und Aufbruchsstimmung. Viele verschiedene Parteien kamen an unseren Stand und wollten wissen, was DIE LINKE will, wie es gelang, sie zu gründen usw. Die Situation der Linken in Frankreich war zu dem Zeitpunkt desaströs. Aus der einstigen stolzen PCF (FKP) bildeten sich viele Splittergruppen und suchten nach neuen Wegen. Dabei ging es vielen auch um eine plurale linke Partei, so dass sie DIE LINKE als ihr Vorbild ansahen. Es gab also viele und vor allem lange Diskussionen, die durch tschechisches Bier, Thüringer Bratwurst und Lausitzer Quark- und Schmalzstullen an unserem Stand beflügelt wurden. Die Konsequenz - wir festigten unsere eigenen Positionen, denn wir waren ja selbst noch auf der Suche. Und sind es erneut oder auch immer noch ...?

Gunter Schneider, Hohenmölsen

Was ich in meiner über 25-jährigen ehrenamtlichen Arbeit als Kreisrat /Fraktionsvorsitzender sehr schnell begriffen habe, auf kommunaler Ebene kann man den Bürgerinnen und Bürgern, ihren Problemen nicht ausweichen, ihnen muss man
sich stellen. Und bisweilen habe ich den Eindruck, auf der kommunalen Ebene kämpfen Politikerinnen und Politiker - jedenfalls die, die ihr Mandat ernst nehmen - dafür, das Vertrauen zurück zu gewinnen, das die "große Politik" an anderer Stelle verloren oder verspielt hat Ein typisches Beispiel dafür war für mich die Zwangsverwaltung des damaligen Landkreises Weißenfels. Vor allem durch die verfehlte Finanzzuweisungspolitik von Bund und Land an die Kommunen war im Haushalt des strukturschwachen Landkreises ein "Loch" von 7,5 Mio entstanden, das selbständig nicht auszugleichen war. Die Mehrheit der Abgeordneten stemmte sich gegen ein Konsolidierungsprogramm, welches das Papier nicht wert war, auf das es geschrieben stand. Sämtliche "freiwilligen Aufgaben" sollten  gestrichen werden. Diese Allianz reichte von PDS / DIE LINKE über SPD, FDP bis zu Teilen der CDU. In
der Öffentlichkeit kam es zu einer breiten Diskussion über Bundes- und Landespolitik und der Verantwortung von Kommunalpolitik. Letztlich musste der Zwangsverwalter klein beigeben und wir hatten mitgeholfen, dass es später zu Veränderungen in der
Finanzzuweisung kam. Vergessen wir niemals, auch nicht in der jetzigen Situation,
in der sich unsere Partei befindet, Kommunalpolitik ist gerade für uns Linke eines der wichtigsten Handlungsfelder, ihre Gestaltung, ihre Entscheidungen berühren unmittelbar den Lebensbereich der Bürgerinnen und Bürger. Sie hat daher eine besondere Bedeutung für Vertrauen und Verlässlichkeit. Das ist mir damals bewusst geworden und deshalb, war das Erlebnis für mich so wichtig und wertvoll. 

Michael Scheffer, Köln

Ich bin Fraktionsvorsitzender der LINKEN in der Bezirksvertretung Innenstadt zu Köln am Rhein und ich würde gerne ein paar positive Erinnerungen mit euch teilen: Sitzen statt Parken, Rettet den Bauwagenplatz, Milieuschutz für die Südstadt, Für den Erhalt des Autonomen Zentrums, Keine Rodungen in Grüngürtel, Gemeinnutz geht über Eigennutz,... Das, was hier klingt wie eine lose linksradikale Schlagwortsammlung sind die Namen einiger Anträge, die wir in den vergangenen Jahren in die Bezirksvertretung eingebracht haben. Und tatsächlich ist es uns gelungen, dafür teils recht knappe, teils recht breite Mehrheiten zu schaffen. Das ist alles keine Zauberei, sondern angewandte linke Kommunalpolitik. Es braucht einen langen Atem und Überzeugung, rudimentäre Kenntnisse der Gemeindeordnung und der kommunalen Selbstverwaltung und ganz wichtig: Es braucht vor Ort wohlmeinende fortschrittliche Bündnispartner mit denen man zusammenarbeiten kann. In unserem Fall bedanken wir uns bei den Grünen, den Klimafreunden, der PARTEI und anderen. Da muss man auch mal 'ne Kröte schlucken und gemeinsam ein Bier trinken. Es braucht einen klaren linken Kompass und viel Herzblut. So wird ein Schuh draus... Herzlichen Glückwunsch DIE LINKE. und Grüße aus Köln, wo es bekanntlich heißt: Et hätt noch immer jotjegange. Auf die nächsten 15 Jahre...

Hamburg – Mitte

Es ist nicht immer einfach, Opposition zu sein. Zu Regieren ist es wohl auch nicht, aber vielleicht in mancherlei Hinsicht weniger frustrierend. Anfragen und Anträge schon vor ihrer Entstehung abgelehnt zu wissen, ist häufig normaler Parlamentsalltag, manchmal macht es aber wütend und tut zuweilen auch weh. Aber dieses Mal war es anders!

Ich bin Mitglied der Linksfraktion Hamburg-Mitte und sitze in der Bezirksversammlung – quasi einem Kommunalparlament im Stadtstaat. Häufig befassen wir uns mit Bauprojekten, aber sehr oft auch mit Toilettenhäuschen zum „Schlager Move“ oder blauen Begrenzungslinien für Außengastronomiebereiche oder Bushaltestellenhäuschen in den Stadtteilen. Kommunalpolitik ist bekanntermaßen sehr kleinteilig. Aber auch das war dieses Mal anders.

In Berlin, wo wir als LINKE schon seit 2017 die Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales stellen, gibt es das Konzept längst: Housing first! Ein von uns, als LINKE in der Landesregierung, eingeleiteter Paradigmenwechsel im Kampf gegen Wohnungs- und Obdachlosigkeit. Es geht kurz zusammengefasst darum, dass obdachlosen Menschen zuallererst eine Wohnung angeboten wird, ohne Vorbedingungen, ohne Anforderungen. Erst nach dem Einzug bespricht man mit dem/der Bewohner*in mögliche sozialarbeiterische Unterstützungs- und Hilfsangebote. Das Konzept geht davon aus, dass jede*r wohnen kann und es dafür keines vorab geleisteten Beweises, z. B. in Form von Drogenfreiheit braucht. Das ist neu, momentan funktioniert das Hilfesystem genau anders herum und versetzt die betroffenen Menschen unnötig in Stress und setzt sie unter Druck, dem sie oft nicht gewachsen sind und zwangsläufig am System scheitern. Jahrelanges „Plattemachen“ oder Festhängen in Massenunterkünften ist die Folge.

Der Hamburger rot-grüne Senat hatte das Konzept „Housing first“ schon seit Längerem in seinem Koalitionsvertrag stehen, allein konkret geplant oder gar umgesetzt war es nicht. Im Sozialausschuss der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte setzten wir als Linksfraktion deshalb das Thema auf die Tagesordnung und ließen Vertreter*innen des Konzepts einladen und sprechen. Im Anschluss formulierten wir einen Antrag, der die Umsetzung von Housing-first im Bezirk Mitte forderte. Die Koalition in Hamburg-Mitte, bestehend aus SPD, CDU und FDP lehnte ab… wie immer. Aber dieses Mal war es anders: Man kündigte uns an, einen eigenen Antrag schreiben zu wollen, der das Ziel eines ersten Housing-First-Projekts in Mitte verfolgen sollte. Quasi der gleiche Inhalt, nur von den „richtigen“ Parteien. Wir kennen das in unserem Bezirk bereits – wir bringen Themen ein, die abgelehnt werden. Manchmal nach Monaten oder gar Jahren bringen sie die regierenden Koalitionen wieder ein – unter anderem Wortlaut, aber mit dem gleichen Ziel. Wir wissen, dass sie das machen und sie wissen, dass wir wissen, dass sie es tun. Trotzdem stimmen wir dann ihren Anträgen zu. Es geht um die Sache. Vor allem beim Thema Obdachlosigkeit stehen nicht politische Ränkespiele im Vordergrund. Obdachlosigkeit gehört beendet, besser heute als morgen. Der Antrag wurde beschlossen.

Bis Ende des Jahres 2021 lief die Bewerbungsfrist für mögliche Träger eines Housing-first-Modellprojekts in Hamburg. Im April 2022 wurde bekannt gegeben, dass es losgeht. Ab Juli 2022 werden bis zu 30 Menschen in Wohnraum vermittelt werden, der dem Konzept des Housing-first folgt. Es ist nur ein Modellprojekt und nur für 30 Menschen ausgelegt – ein Tropfen auf den heißen Stein in dieser Stadt mit rund 2000 obdachlosen Personen– aber ein Anfang. Vielleicht der Anfang für einen generellen Paradigmenwechsel, der Obdachlosigkeit beenden kann. Es ist eine leere Floskel, wenn man sie nicht mit Leben füllt, aber: auch Opposition wirkt!