150. Geburtstag

Rosa Luxemburg: Die bekannte Unbekannte

Die unbekannte Ikone

Häufig wird Rosa Luxemburg für eine Vorkämpferin der Emanzipation der Frau gehalten. Das ist in gewisser Weise nicht falsch – obwohl sie es stets ablehnte, sich an der SPD-Frauenpolitik zu beteiligen. Zwar hatte August Bebel, der SPD-Vorsitzende, mit seinem Buch »Die Frau und der Sozialismus« ein starkes Plädoyer für die Emanzipation der Frau abgelegt, trotzdem war die SPD eine patriarchalische Partei: Die Frauen durften sich um die Frauenpolitik kümmern, die »richtige Politik« machten die Männer. Bis auf Rosa Luxemburg, die spielte dieses Spielchen nicht mit. Die meisten Männer waren ihr ohnehin nicht gewachsen.

Emanzipiert und hochgebildet

Im Übrigen musste sich Rosa Luxemburg gar nicht speziell am Kampf um die Emanzipation der Frau beteiligen. Mit jeder ihrer Fasern symbolisierte sie diese Emanzipation. Rosa Luxemburg war hochgebildet, keineswegs nur weil sie in Zürich studiert hatte und in Nationalökonomie promoviert worden war, sondern sie war es schon von Hause aus: Rosa Luxemburg entstammte dem jüdischen Bildungsbürgertum Warschaus. Sie sprach und schrieb polnisch, russisch, deutsch und französisch, beherrschte Latein und Altgriechisch, sprach zudem sie Italienisch und las regelmäßig englische Zeitungen. Auf internationalen Kongressen benötigte sie kaum Dolmetscher, sondern dolmetschte selbst. Sowohl mit der Zunge als auch mit der Feder focht sie meistens sehr pointiert und, wenn sie es für angebracht hielt, auch mit unerbittlicher Schärfe – stets allerdings nur in der Sache, nie in der Form.

Bis auf eine Scheinehe, die ihr die preußische Staatsbürgerschaft einbrachte und sie vor einer Ausweisung in ihre vom zaristischen Russland besetzte polnische Heimat schützte, war Rosa Luxemburg stets unverheiratet. Ihre Partnerschaften lebte sie angesichts der nicht nur in Deutschland gepflegten Doppelmoral diskret, ab 1907 mit Männern, die zehn und mehr Jahre jünger als sie waren.

Von den einen geliebt, von den anderen gehasst

In Russland stand Rosa Luxemburg auf den Fahndungslisten. Sie hatte 1893 in Zürich zusammen mit ihrem ersten Partner und zwei Freunden die »Sozialdemokratie des Königreiches Polen« gegründet, ein auf den ersten Blick etwas größenwahnsinnig anmutendes Projekt. Ihre Zeitung machten die jungen Leute in Paris; mit Schmugglern kam sie in die Arbeiterhochburgen Polens. In der Russischen Revolution von 1905/06 hatte Rosa Luxemburgs Partei 30.000 Mitglieder…

In der SPD, der sie nach ihrer Übersiedlung nach Berlin 1898 beitrat, stand sie auf dem linken Flügel. Schnell, durch ihren Widerstand gegen eine Verwässerung des Marxschen Denkens im Revisionismusstreit der Jahrhundertwende, wurde aus der jungen Frau eine international bekannte Persönlichkeit, von den einen geliebt, von den anderen gehasst; gleichgültig ließ sie kaum jemanden.

Von ihren knapp 48 Jahren verlebte Rosa Luxemburg 48 Monate in Gefängnissen, davon die größere Zeit des Weltkrieges. Die KPD als auch die SED erinnerten vor allem daran sowie an Rosa Luxemburgs Ermordung; über das Werk dieser Frau verbreiteten sie hingegen lange Zeit Legenden. Rosa Luxemburg wollte die Revolution als eine Revolution der Massen, die sich im Kampf ihrer eigenen Kraft und ihrer eigenen Ziele bewusst werden. Die Partei sollte – als Bestandteil der Massen – lediglich der politisch klarste, aufklärerische Teil sein, die Entscheidungen aber den Massen, weil sie diese Entscheidungen auszubaden hatten, überlassen.

Sie warnte von Lenins "Partei neuen Typus"

Mit Lenin, mit dem Rosa Luxemburg anfangs in freundschaftlicher Kontroverse verbunden war – die 1912 allerdings in prinzipielle Ablehnung umkippte –, kam sie vor allem in diesem Punkt nicht überein. Seine »Partei neuen Typus«, die anstelle der Massen die Revolution macht, konnte, wenn sie bei der Machteroberung erfolgreich war, nur in eine Minderheitsdiktatur führen, aber in keinen Sozialismus. Für Rosa Luxemburg wurde der Gedanke, dass die Bolschewiki nach 50 Jahren erfolgreicher Verbreitung des sozialistischen Gedankens in ganz Europa, den Sozialismus dauerhaft diskreditieren könnten, zum Albtraum – der nach Rosa Luxemburgs Tod wahr wurde. Diese Erbschaft lastet bis heute – in aller Welt – auf den Kräften, die eine Alternative zu den jetzigen Zuständen suchen. Rosa Luxemburg würde die heutigen Linken fragen, ob sie es nicht einmal mit den Massen statt anstelle der Massen versuchen wollten.

 

 

Am 4. und 5. März wird jeweils von 12 bis 20 Uhr ein Festival anlässlich des 150. Geburtstages von Rosa Luxemburg gestreamt:
www.rosalux.de/livestream  |  facebook.com/rosaluxstiftung/live
 

Das Programm findet sich unter:
https://www.rosalux.de/veranstaltung/es_detail/AHHW6/rosa150?cHash=f324fd3a09a3c345dc5538c0874c91c8
 

Die neue Website

https://rosaluxemburg.org/de/

berichtet in fünf Sprachen über Rosa Luxemburgs Leben und Werk.