Der Faschismus unserer Zeit

Sprachrohr einer unheiligen Allianz: Attila Hildmann

Am 03. Oktober dieses Jahres erfolgte in Berlin der größte Angriff auf Kunstwerke in Deutschland seit Kriegsende. Bislang unbekannte Täter*innen hatten insgesamt 63 Exponate mit einer öligen Flüssigkeit bespritzt. Ich glaube es ist wichtig, sich die (mutmaßlichen) Hintergründe dessen genauer anzusehen und sie ein Stück weit einzuordnen. Nachfolgend will ich das versuchen.

Vor den Angriffen hatte unter anderem der rechtsradikale Ex-Koch Attila Hildmann immer wieder zu "dezentralen Aktionen" aufgerufen und behauptet, das Pergamonmuseum wäre der "Thron des Satans", ja das Hauptquartier für "satanische Rituale" mit Kindern. Die Bundeskanzlerin, die gegenüber wohne, wäre dort selbstverständlich involviert.

Man kann das alles einfach nur lustig und absurd finden. Man sollte aber zumindest verstehen, dass es sich hier keineswegs um zusammenhangslose und wirre Aufrufe oder Taten handelt. Das Angreifen von Kunstwerken/Bildern/Ikonen ist eine uralte Tradition, in die man sich einreiht. Sie bedeutet etwas.

Die "Verwirrten" sind brandgefährlich

Besonders verbreitet war und ist sie in den Sphären der Religion, etwa bei christlichen Bilderstürmern. Aber sie ist auch seit jeher ein Kennzeichen antimoderner und restaurativer Bestrebungen, jenseits der Religion. So ist es eben auch kein Zufall, dass sich die Kinderblut-Erzählungen der Q-Anon Verschwörungstheoretiker in der Traditionslinie Jahrhunderte alter antisemitischer Motive bewegen.

Wir sollten nicht daran glauben, dass wir es bei Reichsbürgern, Reichsflaggen schwenkenden Coronaleugnern und den Ken Jebsens und Attila Hildmanns dieser Welt mit ein paar Verwirrten zu tun haben, die wir nicht ernst nehmen müssten. Nein. Sie sind brandgefährlich. Sie sind Teil einer modernen faschistischen Bewegung. Oder, wie im Falle von Jebsen, ihre willfährigen Gehilfen aus eigener Geltungssucht. Und diese Bewegung tötet auf der ganzen Welt.

Ihre strukturelle Verbindung und ihre Schnittmengen mit selbsternannten "Friedensaktivisten" und Esoterikern sowie auch mit einem sich selbst als links verortenden Querfront-Milieu, kann ebenso wenig überraschen. Auch das sind alte Traditionslinien, die man bestens zurückverfolgen kann, wenn man denn wollte.

Wir sehen ein Muster

Sind deshalb alle Nazis, die KenFM hören oder zu Hygienedemos gehen oder Schulmedizin ablehnen? Nein, sicher nicht. Aber sie müssen sich die Frage gefallen lassen, warum sie sich ohne Not mit Menschen gemein machen, die das offensichtlich sind. Wem es tatsächlich um Grundrechte geht, dem sollte spätestens dann ein kalter Schauer über den Rücken laufen, wenn er sich zwischen Reichskriegsflaggen wiederfindet. Wer all das aber hinnimmt und die Zusammenhänge nicht sehen will, in einer Situation in der rund um den Globus (und vor unserer verdammten Haustür) auf der Grundlage von verschwörungstheoretischen, rassistischen und antisemitischen Motiven getötet wird, der ist nicht mehr ernst zu nehmen.

Und so ist es eben kein Zufall, dass sich fast alle "Verwirrten" in der letzten Zeit im Umfeld dieser Bewegungen radikalisiert haben. Es ist kein Zufall, wenn sich die Mörder von Hanau und Halle auf antisemitische und rassistische Verschwörungstheorien berufen. Genauso wenig war es Zufall, dass Anders Breivik (na, wer erinnert sicht noch? wir vergessen diese Scheisse viel zu schnell!) das getan hat.

Was wir sehen, ist ein Muster. Und auch wenn das Verunstalten von Kunstwerken nicht mit Morden verglichen werden kann, so spricht doch vieles dafür, dass auch diese Tat auf der Museumsinsel ein kleiner Ausschnitt eben dieses Musters ist.

Kunst war immer das Angriffsziel der restaurativen Barbarei. Es geht den Tätern stets darum, sich in Traditionslinien einzureihen. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, wie bewusst oder wie unbewusst das passiert oder wie es um ihre geistige Gesundheit steht. Solche Traditionen haben die Eigenart zu wirken, egal ob wir sie verstehen oder nicht. Sie haben Bedeutung. Und um diese Bedeutung geht es den Tätern.

Obama brachte das 2015 in seiner Rede für die Opfer des rassistischen Terroranschlages auf eine Kirche in Charleston auf den Punkt: "Wir wissen nicht, ob der Mörder (...) die ganze Geschichte kannte. Aber er spürte sicherlich die Bedeutung seiner Gewalttat. Es war eine Tat, die sich auf eine lange Geschichte stützte (...), nicht zufällig, sondern als ein Mittel der Kontrolle, ein Weg, um zu terrorisieren und zu unterdrücken.“ Nein – es sind keine verdammten Einzelfälle. Es ist der Faschismus unserer Zeit.