Polen schottet EU Grenze ab

Seit 2021 versuchen hauptsächlich Fliehende aus dem Mittleren Osten und Nordafrika über Belarus nach Polen, Litauen und Lettland zu gelangen und von dorthin die Zielländer zu erreichen. Seitdem wurden viele Maßnahmen ergriffen, um die Grenze abzuschotten, wobei die bisher größte Investition zur „Grenzsicherung“ in Polen erfolgte. Entlang der Grenze zwischen Polen und Belarus sowie der Grenze zwischen Polen und Russland (Kaliningrader Gebiet) wurden zwei Mauern, jeweils 500 km und 200 km lang, errichtet, die insgesamt 1,6 Milliarden Złoty kosteten. Davon wurden etwa 300 Millionen Złoty für die elektronische Sicherung, die sogenannte Perimeterüberwachung, ausgegeben. Der Beschluss der polnischen Regierung, eine Mauer zu errichten und Pushbacks zu legalisieren, wurde von den anderen EU-Ländern nicht übermäßig kritisiert. Obwohl die polnische Regierung diese Barrieren schon bezahlt hatte, stimmte die EU zu, erhebliche EU-Fonds und Ressourcen zu mobilisieren, um den Mitgliedstaaten bei der Stärkung ihrer Fähigkeiten und Infrastruktur zur Grenzsicherung zu helfen.

Der Umgang der polnischen Regierung mit der neuen Situation hat eine humanitäre Krise ausgelöst, da die Menschen an der EU-Außengrenze wochenlang und auch bei frostiger Kälte an der Einreise gehindert werden. Aktivist*innen verurteilten die inhumane Politik der polnischen Regierung – den Bau, Grenzmauer und die Pushbacks – und verwiesen darauf, dass Polen gleichzeitig ukrainische Geflüchtete mit offenen Armen empfange. Seit September 2021 wurden an der polnisch-belarussischen Grenze fast 50 Leichen gefunden. So die offizielle Zahl. Die Dunkelziffer der Gestorbenen dürfte wesentlich größer sein.

Isolation und Ausgrenzung


In Polen gibt es zwei Arten von Wohneinrichtungen für Asylsuchende. Der Unterschied zwischen diesen Einrichtungen ist gravierend. Während es sich bei den Zentren unter der Obhut der Ausländerbehörde um offene Einrichtungen handelt, die die Bewohner*innen frei verlassen können, sind die Zentren unter der Obhut des Grenzschutzes geschlossene Einrichtungen, deren Bewohner*innen ihrer Freiheit beraubt sind.

Über die Unterbringung und Verlängerung des Aufenthalts in einer bewachten Einrichtung entscheidet ein Gericht. Das Gericht handelt jedoch nicht aus eigener Initiative, sondern auf Antrag des Grenzschutzes. Den Asylsuchenden wird die Freiheit für die Zeit des Asylverfahrens entzogen. Die monatelange Inhaftierung, die häufig sinnlos verlängert wird, ohne ein konkretes Datum zur Freilassung zu nennen, wird zur psychologischen Folter und verstärkt die Unsicherheit und Angst der Betroffenen.

Hungerstreiks in Flüchtlingslagern und Tod in Gewahrsam


In Wędrzyn ist eine Gruppe von etwa 100 Geflüchteten, hauptsächlich aus dem Irak, in einen Hungerstreik getreten, um gegen die Bedingungen im polnischen Aufnahmezentrum, in dem sie festgehalten werden, zu protestieren. Weitere Hungerstreiks fanden auch in Przemyśl oder Lesznowola statt.

Mit ihrem Protest versuchten die Asylsuchenden auf die dort vorherrschenden unmenschlichen Bedingungen aufmerksam zu machen. Sie beschweren sich über schlechte Hygienebedingungen, nicht ausreichende Nahrung und darüber, dass sie nicht wissen, wie lange sie festgehalten werden. Berichten zufolge waren in einer Einrichtung 600 Personen untergebracht, 24 pro Zimmer, das heißt weniger als 2 Quadratmeter pro Person. Den Menschen wurden ihre Handys weggenommen und der Internetzugang auf wenige Minuten pro Tag eingeschränkt. Dadurch wird es extrem schwer, den Missbrauch zu dokumentieren und Unterstützung zu organisieren. Die Geflüchteten nennen diese Zentren „Lager“ oder „Gefängnis“.

Ein weiterer Mangel ist der eingeschränkte Zugang zu medizinischer Hilfe und die Gewalt, die Menschen in den geschlossenen Heimen erfahren. Der 28-jährige Mahmoud Al Banawi wurde in eine geschlossene Einrichtung in Przemyśl gesteckt und ist dort ums Leben gekommen. Er war Radbiologietechniker und wollte in Deutschland Medizin studieren. Seine Frau Sara und seine eineinhalbjährige Tochter Abeer sollten nachkommen.

Laut Staatsanwaltschaft führte eine akute Myokarditis zum Herzversagen und -stillstand und somit zum Tod. Es wurde auch eine interstitielle Lungenentzündung festgestellt. Der letzte Satz des Gutachtens lautet: „keine kriminellen Handlungen Dritter, die zum Tod beigetragen haben könnten“. Das stimmt mit den Aussagen der zahlreichen Zeug*innen nicht überein, die berichteten, wie ein Wächter Mohamed niedergeschlagen, wie er ihn brutal in den Bauch und auf den Kopf getreten habe.

Einige Tage später erlitt seine Frau einen Herzinfarkt und starb. Sie wollte nach Polen kommen, Mahmoud beerdigen und der Ursache seines Todes nachgehen. Das wird sie nicht mehr tun können. Die Geschichte von Mahmoud Al Banawi ist nicht der einzige bekannte Fall von Polizeigewalt im Gewahrsam, sowie von Hinderung des Zugangs zur medizinischen Hilfe.

Um Europa keine Mauern: Bleiberecht für alle und auf Dauer!


Trotz des Hungerstreiks der Geflüchteten und Solidaritätsaktionen der Aktivist:innen ist die Lage in den geschlossenen Aufnahmezentren weiterhin grausam und es gibt keine Aussicht auf Verbesserung. Den ehrenamtlichen Aktivist*innen fehlen allmählich die finanziellen Mittel und sie geraten zunehmend in eine schwierige Lage, weil ihre Aktionen kriminalisiert werden. Angesicht der Debatten und der laufenden Prozesse in der EU, gibt es auch wenig Hoffnung, dass die polnische Regierung dazu gezwungen wird, die Behandlung der Geflüchteten zu verbessern.

An den Außengrenzen Europas gibt es derzeit auf einer Länge von insgesamt 1800 km Mauern. Außerdem gibt es auch weit außerhalb der Grenzen Europas Mauern im Rahmen der Externalisierungsstrategie der EU-Grenzen, wie die Mauer zwischen der Türkei und dem Iran. Dies ist ein bedeutender Wandel, wenn man bedenkt, dass vor zwanzig Jahren rund um die Europäische Union keine Mauern standen.

Mit der geplanten Reform des europäischen Asylrechts wird es für Geflüchtete zukünftig noch schwerer, in der EU Schutz zu suchen. Deswegen brauchen wir eine starke Linke, die sich an der Seite der Geflüchteten steht und die Forderung nach Bewegungsfreiheit, offene Grenzen und einer offenen Gesellschaft für alle weiterträgt.

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