Die Vier-Tage-Woche – eine weltfremde Idee?

Zur Sonne, zur Freiheit, zur Vier-Tage-Woche

Als Janine Wissler anlässlich des 1. Mais unseren Vier-Punkte-Fahrplan für eine Vier-Tage-Woche vorstellte, war der Aufschrei bei Liberalen und Arbeitgebern groß. Erst recht, als SPD-Vorsitzende Saskia Esken wenig später auf die positiven Effekte einer Vier-Tage-Woche verwies. Parteifreund und Arbeitsminister Hubertus Heil fiel ihr dann auch gleich in den Rücken und betonte, so ein Modell sei nicht für alle Branchen geeignet. Ist die Vier-Tage-Woche also eine weltfremde Idee, ein linker Tagtraum? Zumindest bei der IG Metall ist man der Meinung, dass die Vier-Tage-Woche für die Beschäftigten der Stahlbranche genau das richtige Modell ist.

In der nächsten Tarifrunde für die westdeutsche Stahlindustrie will die IG Metall eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich fordern. Für IG Metall-Chef Jörg Hofmann ist das „ein nächster Schritt in eine attraktive industrielle Arbeitswelt, die Leben und Arbeit gut vereinen lässt“. Zumal in einigen Tarifverträgen bereits heute vereinbart ist, dass die Beschäftigten ihre Arbeitszeit absenken dürfen, andere Verträge sehen Wahlarbeitszeiten vor. „Mir kann also niemand erzählen, dass das nicht geht. Wir wissen ja, dass es funktioniert“, sagt etwa Knut Giesler, Verhandlungsführer und Bezirksleiter der IG Metall in Nordrhein-Westfalen.

Studien und Praxistests mit positiven Ergebnissen

Studien zeigen, dass die Vier-Tage-Woche sowohl Produktivität als auch Wohlbefinden steigert. In Ländern wie Schweden oder Island hat man positive Erfahrungen mit dem Modell gemacht. Ein weiterer, positiver Nebeneffekt: Die Zahl der Fehltage reduziert sich deutlich, weil die Menschen sich seltener ›krank arbeiten‹. Laut aktueller Umfragen befürworten mehr als 70 Prozent der Menschen in Deutschland die Einführung der Vier-Tage-Woche. Allerdings sind auch die Vorbehalte groß, gerade bei den Menschen im Osten, die oft im Niedriglohnsektor arbeiten. Viele fürchten, dass weniger Arbeit auch weniger Geld bedeutet. Wie in den 90ern, als VW die Vier-Tage-Woche einführte und gleichzeitig die Löhne kürzte. Für Beschäftigte, die schon jetzt kaum über die Runden kommen, ist das ein Horrorszenario.

Deshalb stellte Janine Wissler klar: „Arbeitszeitverkürzung gibt es nur bei vollem Lohnausgleich!“ Wissler verweist auf die „zunehmende Arbeitsverdichtung. Stress und berufsbedingte Krankheiten sind auf dem Vormarsch. Wir müssen als Gesellschaft darüber diskutieren, wie wir Arbeit und Leben besser in Einklang bringen.“ Tatsächlich erweist sich das Argument der Arbeitgeber, wonach eine Vier-Tage-Woche den Arbeitskräftemangel verstärken würde, in vielen Branchen als falsch. So arbeiten in der Pflege schon heute viele in Teilzeit, weil die Belastungen und der Stress durch eine Vollzeitstelle einfach zu groß ist. Auch viele Lehrkräfte arbeiten aus ähnlichen Gründen nicht voll. Zudem gibt es Hunderttausende, die unfreiwillig in Teilzeit arbeiten, weil es kein passendes Vollzeit-Modell für sie gibt. Hier könnte eine Vier-Tage-Woche bei 32 Arbeitsstunden, wie LINKE und IG Metall sie fordern, Abhilfe schaffen.

DIE LINKE legt deshalb einen Vier-Punkte-Fahrplan für die Vier-Tage-Woche vor. Wir wollen zeigen, dass eine Vier-Tage-Woche möglich ist, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.


1. Modellprojekte starten:
In allen Branchen starten wir Modellversuche zur Vier-Tage-Woche, um die Auswirkungen des neuen Modells zu testen. Nach dem Vorbild des links regierten Spaniens kann die Bundesregierung hier ein Programm aufsetzen, um kleinere Betriebe und Beschäftigte bei der Reduzierung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich zu unterstützen.



2. Stufenmodell einführen:
Die Vier-Tage-Woche ist ein Paradigmenwechsel, den man über ein Stufenmodell abfedern kann. So reduzieren wir die Wochenarbeitszeit über zwei Jahre in drei Stufen. In einem ersten Schritt wird die Wochenarbeitszeit auf 37 Stunden reduziert, dann auf 35 Stunden und schließlich auf 32 Stunden.



3. Zuschüsse für kleine Betreibe:
Insbesondere kleinere Betriebe brauchen Hilfe bei der Umstellung auf die Vier-Tage-Woche. So kann der Übergang zum Vier-Tage-Modell mithilfe von zeitlich begrenzten Lohnzuschüssen erleichtert werden. Denn klar ist: Die Vier-Tage-Woche gibt es nur bei vollem Lohnausgleich!



4. Freie Wahl des Arbeitszeit-Modells:
Die Beschäftigten sollen zukünftig wählen können, welches Arbeitszeit-Modell am besten zu ihrem Leben passt. Vier oder fünf Tage – jede und jeder darf selbst entscheiden, ohne Druck durch die Arbeitgeber. Eine Schlichtungsstelle kann hier in Streitfällen vermitteln.