PRO BGE

Jobgarantie und/oder BGE?

Oft hört man in Debatten zum bedingungslosen Grundeinkommen, dass letztlich eine Jobgarantie und eine sanktionsfreie Mindestsicherung die sichersten Wege zum gesamtgesellschaftlichen Well-Being seien.

Eine Jobgarantie, das bedeutet, dass jede*r einen durchsetzbaren Anspruch auf einen Arbeitsvertrag für eine angemessene Beschäftigung gegenüber einer einzurichtenden Behörde hätte. Oft berufen sich Befürworter*innen diese These auf das sog. Recht auf Arbeit. Die Argumentation mit Grund- und Menschenrechten ist hier jedoch äußerst schwach, da diese historisch als Abwehrrechte gegen den Staat fungieren und einen sehr eingeschränkten Gewährleistungsbereich haben – in Deutschland das sog. Untermaßverbot.[1] Der Versuch aus einem bereits existenten Recht auf Arbeit[2], das im Wesentlichen einen Schutz vor staatlichen Eingriffen in die Freiheit, die Arbeitskraft zu verkaufen bedeutet, einen Anspruch auf Beschäftigung herzuleiten, scheitert bereits daran, dass eine durch Menschenrechte bis in diesen Detailgrad aufoktroyierte Wirtschaftspolitik nur schwerlich mit demokratischen Grundsätzen, wie sie in Deutschland bspw. in Art. 20 II GG niedergelegt sind, vereinbar sein dürfte. Neben dieser fadenscheinigen und vulgärjuristischen Argumentation möchte ich mich jedoch vor allem mit der gesellschaftspolitischen Bedeutung der Forderung nach einer Jobgarantie beschäftigen.

Zuvorderst, es gibt Bereiche, in denen der Staat mehr investieren muss, um Arbeitsplätze zu schaffen. Dies erkennen wir auch an und fordern im Gleichklang mit unserer Partei ein Zukunftsinvestitionsprogramm, das effektiver wäre als jede entwürdigende Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Wir als LINKE fordern zu Recht 120 Milliarden für den sozialökologischen Umbau in unserem Land. Ein Bedingungsloses-Grundeinkommen wäre selbst bei kompletter Gleichzeitigkeit der Forderungen noch finanzierbar und ergänzt das Investitionsprogramm vorzüglich: Es ermöglicht Umschulungen sowie Teilzeit für Arbeiter*innen und Angestellte und sichert Kaufkraft in Übergangsphasen.

Eine Jobgarantie hingegen bekämpft nur bedingt die Entfremdung in der Arbeitswelt. Denn, dass Jobs staatlich geschaffen werden, löst diese zunächst nicht aus einer Logik der Effizienz. Auch besteht die Gefahr – da es sich nunmehr um Jobs handelt, die nur aufgrund einer staatlichen Verpflichtung geschaffen werden – dass die Schaffung dieser Arbeitsplätze mit einem minimalen Aufwand und maximalen Kontrollbedürfnis betrieben wird. Die Produktion vollkommener Bullshitjobs wäre vorprogrammiert. Dies sah auch der Anthropologe David Graber ähnlich.[3] Ihm ist zuzustimmen, denn das nachvollziehbare, demokratische Interesse an Monitoring und genauen Abläufen wäre in diesem Bereich so immens, dass eine Unsumme von völlig unnötigen Verwaltungsjobs entstehen würde, einzig damit ein Teil der Menschen das tun können, was sie ohne das absurde Arbeitsrecht ebenfalls tun würden: Einen wertvollen Beitrag zur Gesellschaft leisten und hierfür Anerkennung erhalten. Menschen, die sich durch Nachbarschaftshilfe, Umweltprojekte oder Nachhilfe einbringen wollen, sollten dies tun können, ohne einem kafkaesken Verwaltungsapparat gegenüberzustehen, dem sie regelmäßig Rechenschaft ablegen müssen. Ein solcher Apparat hätte keinen wirklichen Nutzen hat und würde jedermann unglücklich machen.  Auch leuchtet es nicht ein, warum man Künstler*innen oder Sozialunternehmer*innen, die von sich aus in der Lage sind, gesellschaftlichen Mehrwert zu schaffen, keinen Zuschuss in Form eines BGE zubilligen will, sondern diese viel lieber in staatliche Arbeitsmaßnahmen bringen will – wahrscheinlich aus einem Kontrollwillen, der sicher gehen will, dass diese Menschen auch wirklich arbeiten und klar quantifizierbare Ergebnisse entstehen.

Die Jobgarantie adressiert nicht das entscheidende Problem, dass wir einen Schritt in Richtung einer dauerhaften Entkopplung von Erwerbsarbeit und Einkommen finden müssen. Selbst wenn man – trotz berechtigter Kritik – das BIP zum Maßstab macht, muss man akzeptieren, dass längst nicht jede Tätigkeit, die ggf. auch hoch bezahlt ausgeübt wird, das gesamtgesellschaftliche Wirtschaftswachstum vorantreibt, wohingegen viele ehrenamtliche Tätigkeiten, die Stabilität des Staates nachhaltig sichern. Wir brauchen keinen Apparat, der Menschen von ihren Leidenschaften entfremdet und unter den derzeitigen Gegebenheiten wohl auch nichts außer mehr Pendelwegen und mehr Verwaltungsgebäuden schaffen würde.

Eine wichtige Frage adressiert die Jobgarantie jedoch, mit der sich auch Grundeinkommensbefürworter*innen beschäftigen müssen. Wie verhindern wir, dass gesellschaftlich wertvolle Tätigkeiten ins Ehrenamt abgedrängt werden? Nicht erst seit den Fluchtbewegungen aus der Ukraine erleben wir, wie der Staat sich allzu oft auf Ehrenamtler*innen verlässt, die in Eigenregie Aufgaben übernehmen, die eigentlich kollektiv organisiert und finanziert werden müssten. Hier bietet ein emanzipatorisches BGE zwar einen gewissen Schutz vor der Selbstausbeutung, aber das Problem muss strukturell bekämpft werden, bis eine vollständige Entkopplung von Arbeit und Einkommen vollbracht ist.

Eine Schaffung von mehr (sinnvollen) Stellen in Behörden und ein Ausbau der Förderung von zivilgesellschaftlichen Vereinen ist hier sicherlich eine Möglichkeit. Jedoch ist eine Aushandlung darüber, welche Formen von derzeit noch ehrenamtlicher Tätigkeit, vorwiegend hauptamtlich verrichtet werden sollten, notwendig. Dieser Konflikt kann jedoch nicht durch eine anonyme Behörde gelöst werden, denn es handelt sich um eine Frage, das Wesen des Staates im Kern betrifft und nur von direkt gewählten Volksvertreter*innen in Parlamenten oder ggf. Organen kommunaler Selbstverwaltung beschlossen werden kann und sollte. Hier ergänzen das Grundeinkommen, das eine individuelle Abwägung zwischen Ehrenamt und Erwerbsarbeit ermöglicht und der voranzutreibende gesellschaftliche Abwägungsprozess einander. Das BGE ist somit ein Teil der Lösung. Nichts anderes wurde von Linken Grundeinkommens-Befürworter*innen je behauptet.

[1] Der Staat muss nur in Ausnahmefällen tätig werden, um die Grundrechte der Bürger*innen, die durch externe Faktoren (andere Menschen, Katastrophen) bedroht werden, zu schützen. Hierbei steht dem Staat ein großer Entscheidungsspielraum zu. Er muss lediglich über dem Untermaß bleiben.

[2] Niedergelegt bspw. in Art. 1 ESC, Art. 6 I ICESCR, Art. 23 AEMR

[3] D. Graber, Bullshit Jobs, S. 271