Debatte

Die Woche hat vier Tage

Katja Kipping will die 4-Tage-Woche

Die Corona-Krise hat die Diskussion um Arbeit, die zum Leben passt, wieder angeheizt. Schließlich sind immer noch Hunderttausende im Homeoffice. Viele haben in den vergangenen Monaten festgestellt, dass es sich zu Hause ganz gut arbeiten lässt. Doch Anderen ist das nicht möglich: Für Beschäftigte in Krankenhäusern, im Nahverkehr oder in der Fabrik ist Homeoffice keine Option. Deshalb braucht es einen Ansatz, der für alle was bringt: Die 4-Tage-Woche, 30-Stunden-Woche oder auch kurze Vollzeit. Die Vorteile liegen auf der Hand: bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, mehr Geschlechtergerechtigkeit, bessere Gesundheit und weniger Stress. Umfragen belegen, dass sich mehr als zwei Drittel der Beschäftigten vorstellen können, nur noch an vier Tagen in der Woche zu arbeiten.

Und die Unternehmen? Bisherige Versuche und Studien zeigen: Fehltage gehen zurück, die Zufriedenheit steigt und die Produktivität auch. Nicht nur Softwaregigant Microsoft, der seinen Angestellten in Japan eine 4-Tage-Woche anbot, berichtet von Produktivitätssteigerungen. Ähnliche Beobachtungen wurden in Schweden und Australien gemacht. Von Unternehmensseite gibt es trotzdem viel Kritik. Das war aber schon so, als die Beschäftigten in den 50er und 60er Jahren für die 5-Tage-Woche kämpften. Die prophezeiten Horrorszenarien blieben bekanntlich aus.

 

Nicht von heute auf morgen

 

Richtig ist, wo Personalmangel herrscht, lassen sich Arbeitszeitverkürzungen nicht sofort umsetzen. Niemand kann wollen, dass sich die Altenpflegerin in der Nachtschicht um noch mehr Menschen kümmern muss. Richtig ist aber auch, dass wir in der LINKEN ein gutes Konzept haben, um beispielsweise den Pflegemangel abzustellen. Weniger als ein Drittel der Beschäftigten in der Pflege arbeitet Vollzeit. Dafür ist der psychische und physische Stress einfach zu groß. Es braucht mehr Lohn, bessere Arbeitsbedingungen und mehr Personal. Ähnliches gilt auch für Erzieherinnen oder den Einzelhandel. Arbeitszeitverkürzung wäre in diesen Branchen ein Weg, die bestehenden Probleme längerfristig anzugehen.

Die 4-Tage-Woche kommt nicht von heute auf morgen. Das von Katja Kipping vorgeschlagene Modell wäre ein Anreiz für Betriebe, einen ersten Schritt zu gehen. Als Anschubfinanzierung brauchen wir ein neues Kurzarbeitergeld. Ein Jahr lang sollten Unternehmen bei verkürzter Arbeitszeit einen Zuschuss bekommen, um den Lohnausgleich zu zahlen. Danach muss die 4-Tage-Woche oder ein Arbeitszeitmodell mit höchstens 30 Stunden in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung festgeschrieben werden.

In manchen Branchen stehen noch weitere Auseinandersetzungen an – aber auch das war schon in den 50ern und 60ern so, als die 40-Stunden-Woche erkämpft wurde. Mit dem Slogan „Samstags gehört Vati mir“ starteten die DGB-Gewerkschaften im Jahre 1955 ihre Arbeitszeitkampagne. Erst nach und nach ließen sich die Arbeitgeber darauf ein. In der wichtigen Metallindustrie wurde die 5-Tage-Woche erst 1967 durchgesetzt. Andere Branchen zogen in den 70ern nach. Wir brauchen also einen langen Atem.