Kein Wunder an der Weser - Teil 1

Wahrscheinlich war schon lange niemand mehr so aus dem Häuschen darüber, das Ergebnis der letzten Landtagswahl gehalten zu haben, wie die LINKE am 14. Mai 2023 in Bremen. Stefan Reinecke brachte es in der taz auf den Punkt:

„Die Linkspartei hat in Bremen ihr Ergebnis von 2019 ungefähr gehalten. Dieser Satz ist faktisch zutreffend – verfehlt aber das Wesentliche. Denn dieses Resultat ist ein kleines Wunder. Rund 11 Prozent haben in Bremen links gewählt – und damit fast sieben Prozentpunkte mehr, als die Partei in Umfragen im Bund derzeit erreicht. Das ist äußerst ungewöhnlich.“[1]

Ein Zeichen, keine Trendwende

Dass die LINKE sich bei der Bremen-Wahl derart weit vom Bundestrend abkoppeln konnte, ist, wie die ganz ähnlich gelagerte Berlin-Wahl drei Monate vorher, von großer bundesweiter Bedeutung. Es zeigt: Für eine LINKE, die durch konkrete Politik überzeugt, mit positiven Botschaften auftritt, sich im Feld links der Mitte verortet weiß, der Gesellschaft fortschrittliche Problemlösungen anbietet und dabei auch zur Übernahme von Regierungsverantwortung bereit ist, gibt es einen Bedarf. Ob es für eine LINKE, die an populistische Erklärungen und Positionen anschließt, vorwiegend negative Erfahrungen und Anklagen artikuliert, sich besonders scharf von SPD und Grünen abgrenzt und das politische Links-rechts-Schema tendenziell durch ein Eliten-gegen-Volk-Schema ersetzt, ebenfalls einen Bedarf gibt, weiß man nicht. Aber dass die Version der LINKEN, die in Bremen und Berlin angeboten wurde, für die LINKE nicht nur überlebenssichernd, sondern auch aussichtsreich ist, ist mit den beiden Landtagswahlen empirisch geklärt. Das gilt für die Bremen-Wahl ganz besonders, denn sie war die erste Landtagswahl nach der Ankündigung von Sahra Wagenknecht, künftig nicht mehr für die LINKE kandidieren zu wollen.[2]

Das bedeutet allerdings keine bundesweite Trendwende. Denn die Bremen-Wahl zeigt auf der anderen Seite sehr deutlich: Solche Ergebnisse lassen sich derzeit nur erzielen, wenn es gelingt, das bundesweite Bild der LINKEN durch eine landespolitische Überschreibung weitestgehend zu überdecken. Das ist aktuell fast nur aus der Sichtbarkeit einer Regierungsbeteiligung zu erreichen, mindestens aber mit einer hohen landespolitischen Präsenz und einem extrem bekannten, verankerten und beliebten Personalangebot auf Landesebene, das aus der Praxis Vertrauen schafft. Diese Möglichkeiten stehen vielen Landesverbänden nicht zur Verfügung, insbesondere denen nicht, die keine Landtagsfraktionen haben. Ihre Chancen haben sich durch die Wahlen in Bremen und Berlin nicht verändert und können sich nur verbessern, wenn das Bild der Partei auf Bundesebene verändert wird.

Das kommt am klarsten in einer Zahl aus den Befragungen zum Ausdruck. 72 Prozent aller Befragten im Land Bremen stimmen der Aussage zu: „Die LINKE ist im Bund zu zerstritten, um Dinge wirklich voranzubringen.“ Auch von denen, die in Bremen die LINKE gewählt haben, sagen das ebenfalls 72 Prozent, exakt genauso viele.[3] Drei Viertel der LINKE-Wähler*innen in Bremen haben also die LINKE gewählt im vollen Bewusstsein, dass sie der Partei auf Bundesebene derzeit nichts zutrauen – und sie dort überwiegend nicht wählen würden.

Das Wahlergebnis: Rot-Grün-Rot behauptet sich trotz Verlusten der Grünen

Anders als in Berlin hat es in Bremen keine Verschiebung zwischen den Lagern gegeben. Die rot-grün-rote Koalition hat insgesamt 1 Prozent abgegeben, das bürgerliche Lager mit CDU und FDP ebenfalls. 1 Prozent gewonnen haben die Rechtspopulisten, und ebenfalls die sonstigen Parteien, vor allem dadurch, dass Volt – also eine linke Partei – auf Anhieb 2 Prozent erreicht hat. Es hat also weder eine Rechts- noch eine Linksverschiebung stattgefunden.[4]

Während in Berlin die Zufriedenheit mit der aktuellen Regierungskoalition mit 24 Prozent den niedrigsten Wert bei allen Landtagswahlen der letzten zwei Jahre aufwies, lag die Zufriedenheit mit der Bremer Koalition immerhin bei 41 Prozent. Das war deutlich besser als in Berlin oder bei der Bremen-Wahl 2019, im Ländervergleich ebenfalls sehr niedrig, für Bremen aber nicht ungewöhnlich. Die Unzufriedenheit konzentrierte sich vor allem auf die Bereiche Bildung, Verkehr und Wohnen. Während der Bremer Senat in der Corona-Krise sehr hohe Zustimmungswerte erzielte[5], war die Zufriedenheit mit dem Management der anschließenden Kriegs- und Preiskrise offenbar deutlich geringer – trotz einiger Maßnahmen zum sozialen Ausgleich, die den Koalitionspartnern von der LINKEN abgetrotzt wurden, wie etwa die Ausweitung des Sozialtickets auf Wohngeld- und Kinderzuschlagshaushalte, die Preisstabilität bei den Studi-Wohnheim-Mieten und beim Schul- und Kita-Essen, und eine quartiersnahe Info-Kampagne, um die aktive Inanspruchnahme von Leistungen und Entlastungsmaßnahmen zu fördern.[6]

Stimmenverschiebungen erfolgten vorwiegend innerhalb der Regierungskoalition. Die stärkste Dynamik ging dabei von der Zustimmungskrise der Grünen aus. Die Grünen gaben drei Prozent an die SPD und ein Prozent an die LINKE ab, die wiederum ein Prozent an die SPD verlor. Gegenüber den Umfragen ein Jahr vor der Wahl, bei denen die LINKE bei 8-10 Prozent lag[7], hat offensichtlich eine Rückbewegung von Grünen zur LINKEN eingesetzt. Dass Wähler*innen, die sich von den Grünen abwenden, bei der LINKEN ankommen, ist allerdings kein Automatismus, sondern eine eigenständige Leistung. Die SPD profitierte stark vom Amtsbonus ihres sehr beliebten Ministerpräsidenten Andreas Bovenschulte. Ein Drittel der SPD-Wähler*innen gab an, dass sie die SPD ohne Bovenschulte nicht wählen würden.[8]

Zwischen CDU und FDP hat sich nichts bewegt. Die FDP verliert knapp 1 Prozent durch überdurchschnittlich schwache Nichtwähler-Mobilisierung, die BIW (jetzt „Bündnis Deutschland“) holen 1 Prozent von der CDU.

Die Grünen verlieren mit 11,9 Prozent ein Drittel ihres Ergebnisses von 2019 (minus 5,5 Prozent). Das Ergebnis von 2023 ist für die Grünen das schlechteste bei einer Bremer Landtagswahl seit 1999. Umfragen zur Mitte der Legislaturperiode, als die Grünen auch bundesweit Höchstwerte erzielten, zeigten die Grünen noch bei über 20 Prozent und fast gleichauf mit der SPD. Dabei hatten die Grünen als Partei und die grüne Spitzenkandidatin und Senatorin Maike Schaefer damals schon sehr schlechte Zustimmungs- und Beliebtheitswerte bei der Gesamtheit der Wähler*innen. Sie konnten aber das ihnen zugeneigte Umfeld voll mobilisieren, also von der Polarisierung an ihren Themen profitieren – gemäß der Formel: „Nur 19% sind mit der Arbeit der grünen Verkehrs- und Bausenatorin Maike Schaefer zufrieden – aber die wählen alle grün.“[9]

Das änderte sich, als die Grünen auf Bundesebene in den Umfragen verloren, und zwar überproportional. Die dramatischen Verluste kamen zustande, weil die Kritik an der grünen Bundespartei (Heizungstauschgesetz; Preissteigerung als Mittel in der Gaskrise, auch ärmere Haushalte zum Energiesparen zu zwingen) und die Unzufriedenheit mit den Grünen auf Landesebene (Verkehrsversuche, Kulturkampf gegen das Auto, keine Entlastungen in der Preiskrise) sich gegenseitig verstärkten.

Während die Bremer LINKE lange Erfahrung damit hat, sich gegen Zustimmungskrisen auf Bundesebene zumindest teilweise abzuschotten, schlugen die Bremer Grünen exakt in dieselbe Kerbe wie die Bundespartei: Kompromisslosigkeit, fehlende soziale Empathie, ideologische Fixierung auf Kernklientel, Polarisierung zwischen Milieus, plus schlechte Kommunikation und handwerkliche Fehler. Im Ergebnis verloren die Grünen besonders stark in Ortsteilen mit geringeren Einkommen, höherer Arbeitslosigkeit und höherer SBG-II-Quote. Gleichzeitig verloren die Grünen gegen die LINKE den wichtigen Kampf um die beweglichen Stimmen aus der „adaptiv-pragmatischen Mitte“.[10]

Die Wahlbeteiligung ist gegenüber 2019 zurückgegangen (von 64,1 auf 56,9 Prozent). Damals lag sie so hoch wie seit den 1990ern nicht mehr, weil es eine starke Pro- und Contra-AfD-Mobilisierung gab, wie bei den meisten Landtagswahlen um diese Zeit. Verglichen mit 2015 ist die Wahlbeteiligung 2023 wieder gestiegen und liegt etwa auf dem Niveau von 2011 und 2007. Die LINKE hat 2023 anteilig ähnlich viele Nichtwähler*innen gewonnen und verloren, wie die anderen Parteien, mit Ausnahme der Rechtspopulisten, die überdurchschnittlich viele Nichtwähler*innen mobilisieren konnten. Die Spaltung der Wahlbeteiligung nach privilegierten und benachteiligten Stadtteilen ist stark und hat gegenüber 2019 noch weiter zugenommen. In 6 von 88 Bremer Ortsteilen und in 6 von 22 Bremerhavener Ortsteilen liegt sie 2023 unter 40 Prozent; 2019 war das nur in 1 Bremer Ortsteil und in 2 Bremerhavener Ortsteilen der Fall.   

Die AfD war aufgrund ihrer internen Spaltungen, die in der Einreichung von zwei konkurrierenden Listenvorschlägen gipfelte, nicht zur Landtagswahl zugelassen worden (und ficht daher die Wahl an). Damit war der Weg frei für die rechtspopulistische Wählervereinigung „Bürger in Wut“ (BIW), die seit 2007 in Bremen antritt und seither regelmäßig im Wahlbereich Bremerhaven über die 5-Prozent-Hürde und damit in den Landtag kommt.[11] Die freigewordenen AfD-Stimmen gingen in den Umfragen sofort auf die BIW über, nachdem bekannt war, dass die AfD nicht zur Bürgerschaftswahl antreten darf. Mit 9,4 Prozent erzielten die BIW landesweit ein Prozent mehr als die Summe aus AfD und BIW bei der Wahl 2019. In Bremerhaven wurden sie mit 22,7 Prozent zweitstärkste Partei vor der CDU, ein Plus von 6 Prozent gegenüber der Summe aus AfD und BIW 2019.

Die Ergebnisse der BIW (die nach einer entsprechenden Fusion künftig als „Bündnis Deutschland“ firmieren) in den Bremer Ortsteilen korrelieren positiv mit niedrigem Durchschnittseinkommen, hoher Arbeitslosenrate und hohem SGB-II-Anteil. Unter den sozialen Gruppen wird sie von Arbeitern am stärksten gewählt (17 Prozent). Ähnlich hohe Ergebnisse (16 Prozent) erreicht sie auch bei Wähler*innen, die ihre eigene wirtschaftliche Lage als schlecht einschätzen, und bei Wähler*innen mit niedrigen Bildungsabschlüssen. In Bremerhaven gehören zu den stärksten BIW-Ortsteilen aber auch solche mit auffallend geringen sozialen Problemlagen. Bei der parallel stattfindenden Wahl zu den Beiräten, den Bremer Stadtteilparlamenten, schnitt die BIW noch stärker ab als bei der Landtagswahl. Die Erfahrung, dass die Tabu-Schwelle gegenüber der Wahl rechtspopulistischer Parteien auf kommunaler oder gar Stadtteil-Ebene niedriger liegt als bei Landtags- und Bundestagswahlen, bestätigt sich.

Zur Zusammensetzung der LINKEN-Wähler*innenschaft

Das Wahlergebnis der LINKEN zeigt insgesamt keinen Zusammenhang mit den sozialen Strukturdaten der Stadt- und Ortsteile. Dies lässt sich am sogenannten „Bremer Wahlatlas“ gut überprüfen, der für die einzelnen Ortsteile Bezüge zwischen Wahlergebnissen und sozialen Strukturdaten darstellt.[12] Es gibt keine signifikante Korrelation der regionalen Wahlergebnisse der LINKEN mit der Höhe von Arbeitslosigkeit, SGB-II-Anteil oder Migrationshintergrund, auch nicht mit der Abiturientenquote oder dem mittleren Einkommen im Ortsteil.[13] Die LINKE erzielt ihre höchsten Ergebnisse und ihre meisten Stimmen in den innerstädtischen urbanen Lagen, wo sie stark mit den Grünen konkurriert. In den benachteiligten Quartieren erzielt sie etwa durchschnittliche Ergebnisse; dort konkurriert sie hauptsächlich mit der SPD. Unterdurchschnittlich liegt sie in den bürgerlich-gemischten Stadtteilen.

Das deckt sich mit dem (in Nachwahlbefragungen abgefragten) Wähler*innen-Verhalten nach Beruf/Tätigkeit.[14] Bei einem durchschnittlichen Ergebnis von 11 Prozent erzielt die LINKE unter Beamten 8 Prozent, unter Rentner*innen 9 Prozent, unter Arbeiter*innen ebenfalls 9 Prozent, unter Angestellten 10 Prozent und unter Selbständigen 13 Prozent. Unter dem Gesichtspunkt der Repräsentation sozialer Interessen ist die deutlich gestiegene Zustimmung bei Selbständigen gut, denn fast die Hälfte der Selbständigen im Land Bremen sind Soloselbständige, und etwa 45 Prozent der Selbständigen erzielen Jahresumsätze unter 100.000 Euro. Die LINKE ist neben den BIW die einzige Partei, die bei Wähler*innen, die ihre eigene wirtschaftliche Lage als weniger gut/schlecht einstufen, besser abschneidet (13 Prozent) als bei Wähler*innen die ihre wirtschaftliche Lage als gut/sehr gut einschätzen (10 Prozent). Der Unterschied ist bei den BIW allerdings deutlich stärker ausgeprägt (16 Prozent zu 8 Prozent).

Die LINKE erzielt leicht höhere Zustimmung bei Frauen als bei Männern und höhere Zustimmung bei jüngeren Altersgruppen (unter 35 Jahren), wie bundesweit auch. Sie ist stärkste Partei bei Frauen unter 25 Jahren (21 Prozent) und in drei zentral gelegenen Bremer Ortsteilen (Ostertor, Steintor, Fesenfeld, 25-28 Prozent).

In 7 der 8 Bremerhavener Ortsteile, die durch überdurchschnittliche Kinderarmut, tendenziell häufigere Meldungen von Kindeswohlgefährdung und tendenziell höhere Ausländer*innen-Quoten gekennzeichnet sind, schneidet die LINKE überdurchschnittlich ab. Die 5 besten Ortsteil-Ergebnisse der LINKEN in Bremerhaven liegen allesamt in diesen Ortsteilen. In 2 davon (Grünhöfe, Leherheide-West) konnte die LINKE gegenüber 2019 sogar zulegen, in 2 anderen dagegen (Klushof, Geestendorf) waren die Verluste überproportional.[15]

Sozial Betroffene wählen die LINKE, aber nicht stärker als andere

Es zeigt sich damit ein doppelter Befund. Einerseits lässt sich feststellen: Dass die LINKE Lohnabhängige, Geringverdienende, Betroffene von sozialer und sozialräumlicher Spaltung nicht mehr erreichen würde, trifft nicht zu. Dass die LINKE die sozial Benachteiligten und wirtschaftlich Abhängigen systematisch nicht erreichen würde, stimmt ganz einfach nicht.

Andererseits lässt sich feststellen: Die LINKE wird auch nicht überproportional von ihnen gewählt, wie es eigentlich Ziel und Anspruch einer linken Partei sein muss. Das ist das Ergebnis einer langfristigen Entwicklung, bei der überdurchschnittliche Mobilisierung in diesen Zielgruppen sich auf durchschnittliche Mobilisierung verändert hat.

Bei der Landtagswahl 2007 erzielte die LINKE in Bremen 8,4 Prozent. Unter Arbeiter*innen waren es damals 13,7 Prozent, unter Erwerbslosen 20,1 Prozent. Dieser Vorsprung nahm bereits mit der nächsten Landtagswahl 2011 und danach kontinuierlich ab. In Bremen hat sich, durch die sehr starken Ergebnisse in den innerstädtisch-urbanen Ortsteilen und die niedrige Wahlbeteiligung in den benachteiligten Quartieren (den sogenannten „WiN-Gebieten“), der Anteil der „prekären“ Ortsteile am Gesamtstimmenaufkommen der LINKEN kontinuierlich verringert, obwohl dort teilweise immer noch überproportionale Ergebnisse nach Prozenten erzielt werden.

Man kann diese Entwicklung als Normalisierung bewerten. Der LINKEN ist es in Bremen (wie in Berlin und anderen Bundesländern) zunehmend gelungen, auch in Ortsteilen, Gruppen und sozialen Milieus gewählt zu werden, die ursprünglich durch starke Vorbehalte davon abgehalten wurden: Frauen, Ältere, Kleinselbständige, sozial gemischte Wohnlagen. Umgekehrt war ein Teil des Vertrauensvorschusses bei Arbeiter*innen und sozial Benachteiligten objektiv nicht einlösbar, weil Hoffnungen auf eine sofortige Änderung der eigenen Lage durch die Wahl der LINKEN nicht zu erfüllen waren.

Man kann die Entwicklung aber auch so bewerten, dass der LINKEN aktuell eine starke und mobilisierende Botschaft insbesondere in diese Wähler*innengruppen hinein fehlt, wie sie 2007 mit dem Mindestlohn, der Abschaffung der Hartz-Gesetze, der Rückkehr zur Tarifbindung und der Abschaffung der Leiharbeit vorhanden war. Vermutlich treffen beide Bewertungen einen Teil der Realität. In der Tat hat die LINKE hier in Bremen in der Regierungsverantwortung geliefert, was ging: Der Mindestlohn wurde nicht nur 2019 auf 12 Euro erhöht (und im Dezember 2022 auf 12,29 Euro), sondern an die unterste Entgeltgruppe im öffentlichen Dienst gekoppelt, was – wenn der TV-L sich in etwa so entwickelt wie der TVÖD-Abschluss – in 2024 zu einem Landesmindestlohn von über 14 Euro führen wird. Bei der Tarifbindung öffentlicher Aufträge wurde der Rahmen des rechtlich möglichen voll ausgeschöpft, mit Tarifbindung auch für Dienstleistungen und für EU-weite Ausschreibungen.[16] Aber für eine erneuerte Botschaft, die unmittelbare Verbesserungen für große Gruppen in Aussicht stellen würde, fehlen derzeit bundesweit die weitergehenden Forderungen. Das Set von Forderungen aus der Gründungszeit hat sich verbraucht, es ist teilweise eingelöst und teilweise überholt.[17]

In puncto Arbeitsplatzsicherung wurden, in enger Zusammenarbeit mit Betriebsräten und Gewerkschaften, in Bremen wichtige Erfolge erzielt: Etwa der Zukunftssicherungsvertrag bei Airbus, der Erhalt des Karstadt-Standortes und die Förderungen für die Wasserstoff-Transformation der Stahlwerke. Das für die Wirtschaftsentwicklung vor Ort wichtige Stadtteilmarketing wurde verstärkt und es wurden Maßnahmen ergriffen, um die an der Bodenrendite orientierte Verdrängung von gewachsenem Gewerbe durch Wohnbebauung zu stoppen. Während sich allerdings bei den Selbständigen die Landeshilfen und das gute Corona-Management in höherer Zustimmung zur LINKEN niedergeschlagen haben, ist dies bei Arbeiter*innen und benachteiligten Quartieren nicht der Fall.

Der Verlust des überproportionalen Zuspruchs bei Arbeiter*innen und Erwerbslosen und die Annäherung der Ergebnisse bei diesen beiden sozialen Gruppen auf das Durchschnittsniveau der LINKEN-Ergebnisse ist ein langfristiger, bundesweiter Prozess. Bei den Bundestagswahlen 2009 wählten Arbeiter*innen und Erwerbslose noch stark überproportional die LINKE (18 bzw. 25 Prozent). Dieser Vorsprung nivellierte sich bis zur Bundestagswahl 2021 in einem kontinuierlichen Prozess. Der Prozess beginnt Anfang 2012, also noch unter der Amtszeit der Parteivorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst (und der stellvertretenden Parteivorsitzenden Sahra Wagenknecht), und setzte sich unter Katja Kipping und Bernd Riexinger fort. Während die Landtagswahlen 2011 hier noch kein klares und einheitliches Bild ergeben, ist die überproportionale Abnahme bei Arbeitern und Arbeitslosen bei allen drei Landtagswahlen im März bis Mai 2012 (NRW, Saarland, Schleswig-Holstein) sehr deutlich zu sehen.[18]

Das verweist darauf, dass es sich um eine langfristige Entwicklung handelt, die ihre Wurzeln in grundlegenden Verschiebungen hat, die unabhängig sind von der innerparteilichen Ausrichtung einzelner Bundesvorstände. Sie wird jeweils durch Streit auf der Bundesebene katalysiert, da diese beiden sozialen Gruppen weniger Toleranz für innerparteiliche Differenzen haben als andere, und sie kann regional unterschiedlich ausfallen. Aber die Tendenz geht tiefer, als dass sie sich durch strömungspolitische Korrekturen aufhalten oder gar umkehren ließe.

Stärker im Zentrum, schwächer an der Peripherie

Auffallend ist, dass die Ergebnisse der LINKEN in Bremerhaven deutlich schlechter ausfallen als in Bremen-Stadt. Für das Bremische Stadtgebiet fällt das LINKE-Ergebnis mit zunehmender Entfernung vom Stadtzentrum in konzentrischen Kreisen bis zum Rand kontinuierlich ab – mit wenigen Ausreißern wie Lesum oder Tenever. Während es wie erwähnt keinen Zusammenhang zwischen räumlichen Sozialdaten und Wahl der LINKEN gibt, besteht eine deutliche geografische Stratifikation des LINKE-Ergebnisses: Je zentraler die Lage, desto stärker das LINKE-Ergebnis; je peripherer, desto schwächer.

Auch hierfür gibt es zwei mögliche Deutungen, die beide einen Teil der Wahrheit abdecken dürften. Die eine ist, dass mit dem zunehmenden räumlichen Abstand vom politischen Zentrum und mit der sinkender konkreter Erfahrbarkeit der LINKEN auch das Wahlergebnis sinkt. Die Kraft, das bundespolitische Bild der LINKEN durch landespolitischen Auftritt und Personal zu überdecken, nimmt zu den Rändern des Wahlgebiets hin ab. Wer nur die Bundespartei wahrnimmt, wählt die LINKE derzeit nicht. Das war bei früheren Wahlen anders, jetzt ist es das durchgängige Muster.

Die höhere Sensitivität des Zentrums für die konkrete Landesperformance hatte sich auch bei den Bremer Wahlen 2011 gezeigt, nur umgekehrt. Damals fielen die anteiligen Verluste in den zentralen innerstädtischen Lagen besonders stark aus, während sie sich zu den Stadtgrenzen hin abflachten. Dass die LINKE mit ihrer ersten Landtagsfraktion keinen guten Job machte, wurde dort besonders stark abgestraft, wo Landespolitik präsenter ist und aktiver verfolgt wird. Die (negative) Überschreibung durch das landespolitische Bild funktionierte also auch damals nach einem stadträumlichen Aufmerksamkeits-Gefälle.

Für Bremerhaven kommt hinzu, dass die LINKE hier zwar landespolitisch regiert, aber im Gegensatz zu Bremen-Stadt nicht an der Kommunalregierung beteiligt ist. So wirken sich zwar landespolitische Erfolge aus – etwa die erst unter der linken Ressortverantwortung gelösten Probleme der Neubauförderung für das kommunale Klinikum Reinkenheide, der Landesmindestlohn oder die Wirtschaftspolitik –, aber nicht die kommunalpolitischen Erfolge (Verbilligung des Sozialtickets, Gesundheitszentren, Housing First usw.).

Die zweite mögliche Deutung ist, dass in Bremerhaven, Bremen-Nord und städtischen Randlagen Bremens solche Aspekte der sozialen Frage besonders wichtig sind, die derzeit politisch kaum repräsentiert sind und auch von der LINKEN wenig aufgegriffen werden: Infrastrukturelles Abgehängtwerden, Abwertung traditioneller/veralteter Qualifikationen und Codes, ökonomische Benachteiligung von Familien mit Kindern. In der Tat ist z.B. einer der wenigen Sozialfaktoren, mit denen das LINKE-Ergebnis stark negativ korreliert, der Anteil von Familien mit Kindern an der Gesamtbevölkerung. Er ist in den städtischen Randgebieten deutlich höher ist als im Zentrum. Auch hier gilt: Von einer echten Abwanderung von der LINKEN kann man in Bremen 2023 auch in diesen Randgebieten nicht sprechen. Aber dass die Bindungswirkung durch die konkrete Politik der LINKEN hier schwächer ist als in den innerstädtischen Bereichen, ist in den Ergebnissen deutlich sichtbar.

Ursachen für das gute Abschneiden der LINKEN

Die Ursachen für den Bremer Wahlerfolg der LINKEN werden von außerhalb der Partei relativ übereinstimmend gesehen (und wiederum ähnlich wie in Berlin): Bekannte, beliebte und für ihre Leistung anerkannte Spitzenkandidatinnen; Abgrenzung von der Bundespartei; konkrete Reformpolitik mit realen Erfolgen in der Regierungsbeteiligung; selbstbewusstes Auftreten; Verzicht auf überzogene Polarisierung; Verbindung von sozialem Anspruch und vernunftorientierter Politik; gute Kompetenzwerte als Fraktion und Partei; hohe Geschlossenheit.[19] Diese Faktoren werden auch in den Wahlanalysen aus der LINKEN und ihrem Umfeld in der Regel geteilt.[20]

Diese Einschätzung dürfte so zutreffen. Bereits Mitte der Legislaturperiode wurde deutlich, dass die beiden Senatorinnen der LINKEN außerordentlich hohe Zustimmungswerte für ihre Arbeit erreichten. „Dass die Linke nun doch wieder Chancen hat, in der Regierung zu bleiben, dürfte vor allem an zwei Namen liegen: Kristina Vogt und Claudia Bernhard.“ (Röhlig, Spiegel) Beide profilierten sich in der ersten Hälfte der Legislatur durch erfolgreiches Krisenmanagement in der Corona-Pandemie, in der zweiten Hälfte durch wichtige Reformprojekte (Ausbildungsumlage, Krankenhausreform, Wasserstoffstrategie, Sicherstellungsgesetz Schwangerschaftsabbruch), und generell durch ihren lösungsorientierten, erklärenden Stil. Die LINKE erfüllte damit die wichtige Funktion, inhaltliche und praktische Orientierung in der Krise anzubieten. „Die Krise hat die Dominanz des Neoliberalismus infrage gestellt, DIE LINKE konnte das nutzen.“ (Rave)

Damit gelang Vogt und Bernhard ein weites Ausgreifen in Wähler*innen-Potenziale, die der LINKEN bislang eher skeptisch gegenüberstehen. Bei der Wahl erzielten beide ein starkes Personenstimmen-Ergebnis: Platz 3 bzw. 5 hinter Bovenschulte und dem Spitzenduo der CDU, vor allen anderen Senatsmitgliedern außer Bovenschulte, weit vor den Spitzenkandidat*innen von Grünen und FDP. In welchem Umfang und gegenüber welchen Parteien die LINKE dabei auch von Stimmensplitting profitieren konnte, lässt sich erst aus den Ergebnissen der repräsentativen Wahlstatistik des Landeswahlamts beurteilen, die noch nicht vorliegen. Kommentare wie der Leserkommentar (online) zur Umfrage 2021 sind jedenfalls in Bremen nicht ungewöhnlich: „Hier in Bremen würde ich CDU oder Linke wählen. Mein Herz ist schwarz, aber die ordentliche Arbeit der Bremer Linken muss anerkannt werden.“[21]

Die fachpolitischen Kompetenzen, die der LINKEN zugeschrieben werden, ähneln sich in Bremen und auf Bundesebene, wenn man die jeweiligen Nachwahlbefragungen 2023 bzw. 2021 vergleicht. Die höchsten Kompetenzen werden bei der LINKEN in den Bereichen soziale Gerechtigkeit, bezahlbares Wohnen und Gesundheitspolitik gesehen. Es gibt allerdings zwei bedeutsame Abweichungen. In Bremen sagen 8 bis 9 Prozent, die LINKE sei die Partei mit der höchsten Wirtschaftskompetenz – das ist bemerkenswert viel. 52 Prozent aller Befragten stimmen der Aussage zu: „Senatorin Kristina Vogt hat in Bremen gezeigt, dass die Linke auch Wirtschaft kann.“ Die zweite Abweichung betrifft die Corona-Politik. Bundesweit findet nur 1 Prozent der Befragten, dass die Linke die beste Corona-Politik macht. In Bremen liegt der Wert achtmal so hoch.[22]

Die LINKE bewegt sich in Bremen somit dicht am bundesweiten Markenkern der Partei: soziale Gerechtigkeit und ein aktiver, handlungsfähiger Staat. Entlang dieser Verortung verliefen auch die Konflikte in der Regierungskoalition mit Grünen und SPD. Das wurde auch medial so wahrgenommen, etwa in der Auseinandersetzung um die Krisen-Hilfen in der Energiepreiskrise.[23] „DIE LINKE hat Verbesserungen umgesetzt und das meiste aus der Regierungsbeteiligung rausgeholt. Auch dadurch hat sie viel von dem Wähler*innenpotenzial für eine links-sozialdemokratische Partei ausschöpfen können.“[24]

Hohe persönliche Zustimmung zu Ministerinnen muss sich nicht automatisch in Stimmen für die Partei bei Wahlen umsetzen. Gerade in den ersten beiden Jahren gab in Medien und Öffentlichkeit häufig die Lesart, Vogt und Bernhard würden gute Arbeit machen, obwohl sie Linke sind. Die Partei bemühte sich daher systematisch um die Gegenerzählung, dass Vogt und Bernhard auch deshalb gute Arbeit machen, weil sie Linke sind. Denn das Agieren der linken Senatorinnen sei davon gekennzeichnet, die soziale Frage und die Bereitschaft zur staatlichen Intervention in den Mittelpunkt zu stellen: Bei der Impfkampagne, bei der wirtschaftspolitischen Bewältigung der Pandemie, bei den Gesundheitszentren in den benachteiligten Stadtteilen, bei Tarifbindung und Ausbildungsumlage.

Geschlossenheit ist ein Prozess

Differenzen und Konflikte mit Initiativen, Bewegungen und Gewerkschaften hat die LINKE im Hinblick auf die Bremer Wahlen relativ gut überstanden. Zu nennen wären etwa die Bürgerinitiative für den Erhalt der Platanen in der Neustadt, von deren Ziel die Partei abrückte; die Solidaritätsbewegung für Geflüchtete, die mit Kompromissen wie dem zur Landeserstaufnahmeeinrichtung (reduzierte Belegung, Umbau) nicht zufrieden sein konnte; die Bürgerinitiative gegen die Ansiedlung einer Bahnwerkstatt in Gröpelingen; oder die Kritik von ver.di am Stellenabbau beim kommunalen Klinikverbund. Unterm Strich wurden transparente Kommunikation und der Einsatz für Kompromisse zumindest teilweise anerkannt. In der Neustadt erzielte die LINKE eines ihrer stärksten Stadtteil-Ergebnisse 2023. In Gröpelingen kandidierte ein prominentes Mitglied der BI auf Platz 1 der Beiratsliste.

Der Landesverband zeichnet sich insgesamt – in Regierung, Fraktion, Partei – durch einen sehr solidarischen Stil aus. „Es ist nicht einfach, Bremer Linke zu finden, die sich wenigstens ein bisschen hassen.“[25] Es gelingt, Konflikte auszutragen, ohne dass es reißt. Als einer der Kandidierenden und bisherigen Abgeordneten, Olaf Zimmer, sich mit einer Personenstimmenkampagne vor allem friedenspolitisch, aber auch in Bezug auf die Regierungsbeteiligung von der Wahlkampflinie absetzte, setzte man sich zusammen und redete über rote Linien. Die hielten auch: Die Differenz wurde sichtbar, aber Beschimpfungen und Diffamierungen fanden nicht statt. Zimmers Kampagne war erfolgreich: 1.700 Personenstimmen (also umgerechnet 350 „ganze“ Wähler*innen) reichten für ein Bürgerschaftsmandat – allerdings nur, weil die LINKE wieder regiert (in Bremen scheiden Senatorinnen als Abgeordnete aus und es wird nachgerückt), was eine kleine ironische Wendung ist.

Die Erfahrung aus der ersten Legislaturperiode 2007-2011 sitzt dem Landesverband in den Knochen; damals gab es massive, offen ausgetragene Konflikte zwischen Fraktion und Partei, was zur Abwahl des größten Teils der bisherigen Abgeordneten bei der Aufstellung, aber auch einem extrem schlechten Wahlergebnis führte. Strömungen werden eher skeptisch gesehen. Es wird viel Zeit in innerparteiliche Diskussion investiert. Die Koordination des strategischen Zentrums ist eng; seit der Regierungsbeteiligung findet eine wöchentliche Abstimmungsrunde zwischen Senatorinnen, Fraktionsvorsitzenden und Landesvorsitzenden statt. Wo Veränderungen im Landesverband sich in Verschiebungen bei Wahlen zum Landesvorstand oder in Entscheidungen bei inhaltlichen Abstimmungen niederschlagen, wird trotzdem der Dialog gesucht. Das ist alles keine Erfolgsgarantie, aber das Rezept lautet: Geschlossenheit ist ein Prozess. Sie kann nicht verordnet werden, sondern ist das Ergebnis dessen, wie man miteinander arbeitet.

Für die Wahlkampagne arbeitete der Landesverband erstmals nicht mehr mit der Berliner Stammagentur der LINKEN, DiG Plus, zusammen, sondern entschied sich für eine Bremer Agentur, Moskito. Die Strategie setzte darauf, mit dem zu arbeiten, was man hat: Starke Personalisierung auf Vogt und Bernhard, die als Spitzenduo präsentiert wurden; eine Kampagne, die sich im Design deutlich vom Bundes-Design absetzte, weicher und ansprechender wirkte und unter dem Titel „Das neue Rot“ sowohl die Eigenständigkeit als auch den sozialen Markenkern betonte; sowie der Appell an taktisches Wählen: „Damit aus Mitte-Links nicht nur Mitte wird.“

Es gibt eigentlich nur zwei spezifische strategische Dogmen, die sich im Landesverband herausgebildet haben und die besondere Situation als Stadtstaat und West-Landesverband spiegeln. Erstens: Man darf sich gegenüber den Grünen in Fragen wie Klima oder Menschenrechten keine politischen Blößen geben, weil sonst die volatilen Stimmen in den urbanen Milieus ins Rutschen kommen. Und zweitens: Was man politisch vorschlägt, muss inhaltlich Hand und Fuß haben, weil sich das als probates Mittel gegen antikommunistische Vorbehalte bewährt hat.[26] Darüber hinaus gibt es bekannte und bewusste Schwächen, bei denen die LINKE in Bremen bislang nicht weiterkommt. Für eine flächendeckende Vor-Ort-Arbeit, mit Haustürwahlkampf, regelmäßig geöffneten Stadtteilbüros, Sozialberatung und Präsenz in Stadtteilstrukturen fehlt die Kraft, die Mitgliederzahl und der richtige Ansatz. Und in bestimmten politischen Feldern, von der Bildungspolitik bis zur Armutsbekämpfung, fehlen aktualisierte Strategien, die tatsächlich den Weg zu einer grundsätzlichen Veränderung der Lage aufzeigen würden. All das sind Grenzen, bei deren Überwindung das Wähler*innenpotenzial erheblich weiter ausgebaut werden könnte.

Der zweite Teil des Textes "Ein Rezept für die Bundespartei?" erscheint demnächst. 

[1] Stefan Reinecke: Die Linke nach der Bremen-Wahl: Geht doch!, taz 15.5.2023, https://taz.de/Die-Linke-nach-der-Bremen-Wahl/!5931832/

[2] Moritz Warnke: Wahlnachtbericht Bürgerschaftswahl Bremen 2023, Rosa-Luxemburg-Stiftung, https://www.rosalux.de/publikation/id/50407

[3] Nachwahlbefragung Infratest dimap, https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2023-05-14-LT-DE-HB/umfrage-linke.shtml.

[4] Wähler*innen-Wanderungen (Bruttoströme) hier: https://www.tagesschau.de/inland/waehlerwanderung-bremen-102.html.

[5] Noch im Mai 2022 lag die Zustimmung bei 56 Prozent. Infratest-dimap, Bremen-Trend 2022, https://www.infratest-dimap.de/umfragen-analysen/bundeslaender/bremen/laendertrend/2022/mai/

[6] Koalitions-Einigung zu Entlastungen für Verbraucher*innen Ende März 2023, Überblick: https://www.sofia-leonidakis.de/presse/detail/rot-gruen-rot-beschliesst-konkrete-entlastungsmassnahmen-in-der-krise/, Infokampagne: https://www.senatspressestelle.bremen.de/pressemitteilungen/informationskampagne-zur-vermeidung-von-notlagen-in-folge-der-ukraine-krise-422086?asl=bremen02.c.732.de

[7] In Bremen gibt es innerhalb der Legislaturperiode nur wenige Wahlumfragen. Nicht-repräsentative Umfrage wie Civey oder die vom Weser-Kurier beauftragte Delta-Umfrage zur „Halbzeit“ haben keine echte Validität; das gilt auch für die von der BIW beauftragte INSA-Umfrage vom April 2023, die nur 500 Befragte aufwies. Dagegen sind die Umfragen von Wahlkreisprognose.de ernst zu nehmen. Sowohl eine von der Friedrich-Ebert-Stiftung beauftragte Kantar/Emnid-Studie im Juni 2021 (wenn man die Nichtwähler*innen herausrechnet) als auch die Wahlkreisprognose.de-Umfrage vom März 2022 zeigten die LINKE bei 10 Prozent. Die Infratest-Umfragen von Mai 2022, März 2023 und April 2023 wiesen für die LINKE 7-8 Prozent aus, alle Mai-2023-Umfragen 9-11 Prozent. Es ist nicht auszuschließen, dass Befragte teilweise nicht bewusst zwischen Bundes- und Landtagswahl unterschieden oder Institute zunächst einen stärkeren Korrektur-Abschlag angesichts der Bundesumfragen eingepreist haben, der sich auf Dauer nicht bestätigen ließ. Dennoch dürfte der Befund stimmen, dass sich die LINKE in Bremen ein relatives Umfragen-Tief schließlich im Wahlkampf positiv drehen konnte.

[8] https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2023-05-14-LT-DE-HB/umfrage-spd.shtml

[9] Ausführlicher zur Situation vor der Wahl: Christoph Spehr: Der lange Schatten Berlins, Sozialismus 4/2023, https://www.sozialismus.de/fileadmin/users/sozialismus/Leseproben/2023/Sozialismus_Heft_04-2023_L2_Spehr_Bremen.pdf

[10] Sinus-Milieus 2021, https://www.sinus-institut.de/media/pages/media-center/presse/sinus-milieus-2021/f227e6df30-1633013339/hintergrundinformation_sinus-milieus-2021.pdf

[11] Bei der Landtagswahl in Bremen gilt die 5%-Hürde getrennt für die beiden Wahlbereiche Bremen und Bremerhaven.

[12] https://www.statistik-bremen.de/Tabellen/Wahlen/WahlatlasBuergerschaft2023_Strukturindikatoren/BremerWahlatlasII.html?indicator=i50&indicator2=i0

[13] Die LINKE unterscheidet sich damit von den anderen Parteien. Die Ergebnisse von SPD und BIW korrelieren positiv mit der Höhe von Arbeitslosigkeit, SGB-II-Anteil und Migrationsquote, negativ mit der Höhe des mittleren Einkommens und der Abiturientenquote – bei Grünen und CDU ist es umgekehrt. Bei der FDP gibt es einen starken (positiven) Zusammenhang nur mit der Höhe des mittleren Einkommens, nicht mit den anderen Strukturdaten.

[14] Wahlanalyse KAS, Tabellenteil, https://www.kas.de/documents/252038/22161843/Tabellenanhang+Bremen+14.05.2023.pdf/4e78861c-176d-7f4a-eb1d-496a19ab5cf9?version=1.1&t=1684767970125; aus den Tabellenteilen der jeweiligen KAS-Wahlanalysen sind auch die Vergleichszahlen im Weiteren entnommen.

[15] Für Bremerhaven gibt es keinen Online-Wahlatlas mit Strukturdaten-Abgleich. Als Quelle für Strukturdaten auf Ortsteil-Ebene wurde daher herangezogen der Gesamtbericht Sozialraumanalysen Frühe Hilfen

in Bremerhaven (Stand 2017, online zugänglich: https://www.bremerhaven.de/sixcms/media.php/94/Gesamtbericht+Sozialraumanalysen+Frühe+Hilfen+Bremerhaven.pdf). Die Detailergebnisse zur Bürgerschaftswahl auf Ortsteilebene in Bremerhaven sind gut im Überblick einsehbar auf der Wikipedia-Seite zur Bürgerschaftswahl 2023, https://de.wikipedia.org/wiki/Bürgerschaftswahl_in_Bremen_2023, und entsprechend zur Bürgerschaftswahl 2019.

[16] An Brot-und-Butter-Themen fehlte es jedenfalls nicht. Noch kurz vor der Wahl stellten die beiden Spitzenkandidatinnen ein Konzept für bezahlbares Wohnen vor. Hier ist auch das Beispiel Berlin instruktiv: Eine Enteignungskampagne für börsennotierte Wohnungsbaukonzerne und ein umfassender Mietendeckel – mehr kann man sozialpolitisch eigentlich nicht wollen.

[17] So sind z.B. Leiharbeitskräfte in einigen Bereichen inzwischen bessergestellt als Festangestellte, etwa in der Pflege. Die Kritik am Hartz-System wird zunehmend überlagert von der Frage, wodurch es ersetzt werden soll. Zudem ist fraglich, ob die alten Kernforderungen noch ausreichend wären, die soziale Lage der unteren Einkommenshälfte substanziell zu verändern.

[18] Konrad-Adenauer-Stiftung, Wahlanalysen, jeweils Tabellenanhang: Landtagswahl Saarland 25. März 2012, https://www.kas.de/documents/252038/253252/7_dokument_dok_pdf_30611_1.pdf/cf15ee8d-f698-e44f-730f-839937a7421e?version=1.0&t=1539657379004; Landtagswahl Schleswig-Holstein 6. Mai 2012, https://www.kas.de/documents/252038/253252/7_dokument_dok_pdf_30986_1.pdf/454507fb-3078-329b-bf57-69d50b96d883?version=1.0&t=1539657223004; Landtagswahl NRW 13. Mai 2012, https://www.kas.de/documents/252038/253252/7_dokument_dok_pdf_31150_1.pdf/53c5c993-56bb-bb39-cfc7-3b823c132c28?version=1.0&t=1539657152164; Wahlanalysen der Landtagswahlen 2011, https://www.kas.de/documents/252038/253252/7_dokument_dok_pdf_30751_1.pdf/d4924537-f4e8-29bf-ed64-ece1a78520d9?version=1.0&t=1539657316849.

[19] Stefan Reinecke, taz, siehe oben; Marc Röhlig: Aufbau West. Linken-Ergebnis in Bremen, Spiegel, 14.05.2023, https://www.spiegel.de/politik/deutschland/linke-bei-der-bremen-buergerschaftswahl-2023-was-die-partei-erfolgreich-macht-a-31288397-d542-4bdd-9039-94c27241db50; Jochen Roose und Dominik Hirndorf: Die Bürgerschaftswahl in Bremen am 14. Mai 2023, Wahlanalyse der Konrad-Adenauer-Stiftung, https://www.kas.de/documents/252038/22161843/Wahlanalyse+Bremen+14.05.2023.pdf/e0aedd04-1094-c95c-cdbb-ba0dfbdc137b; Lothar Probst: Vorwahlanalyse zur Bremer Bürgerschaftswahl 2023, 13.04.2023, https://www.lotharprobst.de/fileadmin/user_upload/altdaten/aktuelles/2023/Vorwahlanalyse_Bürgerschaftswahl_2023.pdf.

[20] Moritz Warnke, Wahlnachtbericht RLS, a.a.O.; Daphne Weber: Da geht noch was. Was die LINKE aus dem Bremer Wahlerfolg lernen kann, Luxemburg, https://zeitschrift-luxemburg.de/artikel/da-geht-noch-was/; Wolfgang Hübner: Wahl in Bremen: Na bitte, Linke, nd 16.05.2023, https://www.nd-aktuell.de/artikel/1173238.bremen-wahl-in-bremen-na-bitte-linke.html; Julien Niemann: Ein linkes Programm für Bremen, Jacobin, https://jacobin.de/artikel/ein-linkes-programm-fuer-bremen-wahl-linkspartei-julien-niemann/; Sebastian Rave: Bremen: Alles gut mit der LINKEN? https://www.sozialismus.info/2023/05/bremen-alles-gut-mit-der-linken/. Lediglich die Junge Welt gibt eine abweichende Erklärung. Nachdem im Voraus „der nächste Absturz“ vorhergesagt worden war (Kristian Stemmler: Wahl in Bremen. Vor dem nächsten Absturz, jw 4.05.2023, https://www.jungewelt.de/artikel/450142.wahl-in-bremen-vor-dem-nächsten-absturz.html; Kristian Stemmler: Verblasstes Rot. Angepasste Linkspartei muss mit Verlusten rechnen, jw 13.04.2023, https://www.jungewelt.de/loginFailed.php?ref=/artikel/448715.wahl-in-bremen-verblasstes-rot.html), wurde das gute Abschneiden nachträglich damit erklärt, der Kriegskurs des Bremer Landesverbands zahle sich an einem Rüstungsstandort eben aus. „Angesichts der Kombination von boomender (…) Rüstungsindustrie und sozialem Beruhigungsmanagement war die Stabilität der Partei bei der Bürgerschaftswahl keine große Überraschung.“ Arnold Schölzel: SPD hat die Wahl. Am Rüstungsstandort Bremen wird kriegspolitisch zuverlässiges Regierungspersonal benötigt, jw 16.05.2023, https://www.jungewelt.de/artikel/450883.bremen-spd-hat-die-wahl.html.

[21] https://www.weser-kurier.de/bremen/politik/buergerschaft-fast-jeder-dritte-bremer-wuerde-aktuell-die-gruenen-waehlen-doc7fq7ed68repzfqlmae

[22] Kompetenzen Bundesparteien: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1259717/umfrage/kompetenz-profile-der-parteien-vor-bundestagswahl/; Aussage zu Wirtschaft: https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2023-05-14-LT-DE-HB/umfrage-linke.shtml; Delta-Umfrage Weserkurier 2021: https://www.weser-kurier.de/bremen/politik/buergerschaft-fast-jeder-dritte-bremer-wuerde-aktuell-die-gruenen-waehlen-doc7fq7ed68repzfqlmae; Trend-Fokus Wahlkreisprognose.de Februar 2023: https://interaktiv.wahlkreisprognose.de/feed/219

[23] https://www.weser-kurier.de/bremen/politik/bremer-koalition-konflikt-um-krisen-hilfen-dauert-an-doc7pcbbas6jtwciftgjht

[24] Rave, a.a.O.

[25] Stefan Reinecke: Die letzte Chance. Linkspartei vor der Wahl in Bremen, taz 13.05.2023, https://taz.de/Linkspartei-vor-der-Wahl-in-Bremen/!5931654/

[26] Es wird in der Linken ständig unterschätzt, wie hartnäckig antikommunistische Vorurteile sich halten und wie leicht sie gesellschaftlich mobilisierbar sind. Das mussten auch die Grünen immer wieder schmerzlich erfahren. Antikommunismus hat nichts mit Kritik des Kommunismus zu tun, sondern ist die Abwehr gesellschaftlicher Veränderungen und Emanzipationsprozesse mit Hilfe von dämonisierenden Zerrbildern über linke Parteien, linke Politiker*innen, linke Frauen oder politisierte Arbeiterschaft, entlang von Stereotypen wie Zwangspolitik, Verbotspolitik, Kollektivismus, Meinungsdiktat, Umerziehung, Libertinage oder generellem Untergang des Abendlandes. Es ist weder eine gute Idee, hier leichtfertig unnötige Angriffsflächen zu liefern, noch solche Stereotypen selbst mitzubefeuern, nur weil es gerade gegen die Grünen geht.