Politisches Buch

Die uniformierte Gegenrevolution

Moderne Polizeiarbeit in Frankreich

Wohl jeder kennt die Bilder: Eine Großdemonstration irgendwo im Land wird begleitet von einer Armada von Wasserwerfern, Räumpanzern und Polizist*innen in Robocop-Schutzkleidung. Die Polizei rüstete in den vergangenen Jahren massiv auf. Nicht nur in Deutschland. In Frankreich etwa verletzten Gummigeschosse der Polizei während der Gelbwesten-Proteste viele Demonstrant*innen so schwer, das sie dauerhaft behindert bleiben werden. Der US-amerikanische Rechts- und Politikwissenschaftler Bernard E. Harcourt widmet sich in seinem neuen Buch „Gegenrevolution“ dem neuen „radikalen Regierungsparadigma“.

Er zeichnet den Weg nach, wie Techniken und Theorien der Aufstandsbekämpfung in Indochina, Vietnam oder Irak langsam in die Polizeiarbeit der USA eingeflossen sind. Denn in den Vereinigten Staaten wurde die Militarisierung der Polizeikräfte auf die Spitze getrieben. Dort deckten sich lokale Polizeibehörden und Bundesstaaten in den vergangenen Jahren mit militärischem Gerät ein, das bereits im Irak-Krieg zum Einsatz gekommen war: darunter Sturmgewehre, Granatwerfer, Hubschrauber und gepanzerte Patrouillenfahrzeuge. Ein Teil der Ausrüstung stammte direkt aus dem Einsatz gegen irakische Aufständische. Hinzu kommen Schallkanonen, Taser und allumfassende Überwachungstechnologien. „Polizeikräfte wurden mit Ausrüstungen zur Aufstandsbekämpfung ausgestattet und haben angefangen, entsprechende Taktiken anzuwenden“, schreibt Harcourt. So zitiert er einen ehemaligen US-Soldaten, der im Irak aktiv an der Aufstandsbekämpfung beteiligt war und zurück in der Heimat eine Polizeirazzia miterlebte. Das Fazit des GIs: „Dieselbe Art von Razzia habe ich in den Häusern mutmaßlicher Bombenbauer und hochwertiger Aufständischer durchgeführt“.

Aufstandsbekämpfung im Inland

Das Modell der Auftsandsbekämpfung sei längst „in die normale Polizeiarbeit im Inland eingesickert“, kritisiert Harcourt, der an der US-Eliteuni Princeton lehrt. Der Autor erkennt hinter all dem ein System. Die Gegenrevolution sei ein „neues Paradigma des Regierens“ geworden. Es richte sich nicht gegen eine rebellische Minderheit, sondern erzeuge Phantomfeinde, die dazu benutzt würden, „die ganze amerikanische Bevölkerung auf der Basis eines Modell kontrainsurgenter Kriegsführung zu regieren“, so Harcourt. Dazu gehört natürlich auch der psychologische Kampf um die Herzen und Hirne der „normalen Bevölkerung“. Harcourt zeichnet ein düsteres Bild vom Zustand der USA und damit auch westlicher Gesellschaften. Während sich die Menschen von digitalen Spielereien ablenken lassen, verwandelt sich die westliche “Wertegemeinschaft“ in eine militarisierte Überwachungsgesellschaft. Auch hierzulande sind Spezialeinsatzkräfte der Polizei, die militärischen Einsatztaktiken folgen, längst der Normalfall. An Scharfschützen auf den Dächern und maskierte Uniformierte mit Maschinenpistolen haben sich die Bürger längst gewöhnt. Diese Polizist*innen wurden zum Beispiel auch am Rande des G-20-Gipfels in Hamburg eingesetzt. Dort machten schwer bewaffnete Elitepolizist*innen Jagd auf vermeintliche Steinwerfer.

„Gegenrevolution“ ist ein ebenso lesenswertes wie alarmierendes Buch.

Bernard E. Harcourt
Gegenrevolution
Der Kampf der Regierungen gegen die eigenen Bürger

S. Fischer Verlag

480 Seiten

ISBN-10: 3103974361

ISBN-13: 978-3103974362