Nachruf auf Dr. Ilja Seifert

Für ein Leben in Selbstbestimmung und Würde

Lieber Ilja,

Du hast ein Leben lang gekämpft. Einen Kampf, von dem mit Sicherheit kaum jemand weiß, was er bedeutet, wenn er ihn nicht selbst gekämpft hat. Niemals hast Du Dich dabei entmutigen lassen. Im Gegenteil: Selbstbestimmt und voller Würde hast Du nicht nur Deinem eigenen Leben einen Sinn gegeben. Nein, Du hast hartnäckig für Teilhabe und Inklusion unzähliger Menschen mit Behinderungen gestritten. Und dabei immer wieder deutlich gemacht: Das Leben ist schön und wert, gelebt zu werden.

Seit einem Badeunfall - sechzehnjährig – hast Du aufgrund einer Querschnittlähmung mehr als fünfzig Jahre im Rollstuhl gesessen, warst bei jedem Handgriff auf Assistenz angewiesen. Dennoch: Nach Deinem Abitur studiertest Du an der Humboldt-Universität zu Berlin Germanistik, warst anschließend wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Akademie der Wissenschaften der DDR, erlangtest Deinen Doktortitel. Von März bis Oktober 1990 gehörtest Du der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR an und zähltest zu den 144 von der Volkskammer gewählten Abgeordneten, die am 3. Oktober 1990 Mitglieder des Deutschen Bundestages wurden. Du warst später langjähriges Mitglied der Linksfraktion im Deutschen Bundestag (1998 bis 2002 und 2005 bis 2013), anschließend viele Jahre Mitglied im Parteivorstand unserer Partei. Eine politische Karriere, die seinesgleichen nicht nur unter Menschen mit Behinderungen sucht.

Durch Dein Engagement gegen die unzähligen Barrieren, vor allem die in den Köpfen der Menschen, hast Du die Behindertenpolitik in Deutschland maßgeblich mitgeprägt. „Nichts über uns ohne uns!“, war immer Deine Handlungsmaxime, vor allem als Du 1990 den Allgemeinen Behindertenverband in Deutschland Für Selbstbestimmung und Würde e. V. gründetest, dessen langjähriger Präsident Du warst. Zeit Deines Lebens hast Du Dich dafür eingesetzt, dass das Lebensrecht von Menschen mit Behinderungen nicht verhandelbar ist. Für all das hast Du Dir Achtung und Anerkennung weit über die Grenzen unseres des Landes hinaus erworben.

Am Ende haben Dich Deine Kräfte im Alter von 71 Jahren verlassen. Aber wir alle wissen: Du hast in Deinem Leben mehr bewegt, als Du selbst glauben wolltest. Sei gewiss, wir werden Dich nicht vergessen, sondern Dein Tun fortsetzen.