Neues aus Brüssel

Frontex in Bedrängnis: Jetzt weiter Druck machen!

Durchgekommen: Ein Frontex-Beamter registriert Geflüchtete

"Neues aus Brüssel" - In dieser Kolumne erfahrt ihr aus erster Hand, was sich im EU-Parlament gerade tut. Hier schreiben unsere EU-Abgeordneten über aktuelle Entwicklungen, politische Vorhaben und schauen für uns hinter die Kulissen. Auch wenn Brüssel und Strassburg oft weit weg erscheinen, werden die politischen Weichen doch längst auf EU-Ebene gestellt.

Seit Jahren dokumentieren Aktivist:innen, NGO’s und Journalist:innen immer wieder Gewalt und Menschenrechtsverstöße an den EU-Außengrenzen. Im Mittelpunkt steht die Praxis der Pushbacks, bei denen Menschen oft gewaltsam daran gehindert werden, in die EU zu gelangen und einen Asylantrag zu stellen. Pushbacks sind nach internationalem Recht illegal. Seit 2009 bin ich Mitglied des Europäischen Parlaments und war an so ziemlich an allen Schauplätzen dieser unsäglichen Flüchtlingsabwehrpolitik und ich muss sagen: Es wird immer schlimmer. Kürzlich haben wir als Fraktion THE LEFT im Europaparlament gemeinsam mit dem Border Violence Monitoring Network das „Schwarzbuch der Pushbacks“ veröffentlicht, welches auf 1500 Seiten die Erfahrungen von 12.654 Menschen beschreibt, die Menschenrechtsverletzungen an den Außengrenzen erlebt haben. Die rohe Gewalt, Erniedrigung und das Leid, das viele Menschen in Italien, Griechenland, Kroatien, Slowenien und Ungarn entlang der sogenannten „Balkanroute“ erlitten haben und noch immer erleiden ist unbeschreiblich.

EU-Grenzschutzbehörde an illegalen Pushbacks beteiligt

Spätestens seit Oktober 2020 überschlagen sich nun endlich auch die Medienberichte über die Rolle von Frontex im Zusammenhang mit illegalen Pushbacks. Dabei geht es um die aktive Beteiligung von Frontex-Grenzschutzbeamten an illegalen Aktionen, die in Kooperation mit der griechischen Küstenwache liefen. Die Vorfälle wurden innerhalb der Agentur vertuscht. Im Kreuzfeuer steht auch Frontex-Direktor Fabrice Leggeri, der in zwei Anhörungen vor dem Innenausschuss des Europaparlaments behauptete, dass es keine Beweise für die Beteiligung von Frontex an Pushbacks gibt. Dabei verschwieg er wohl ihm bekannte Vorfälle. Inzwischen laufen auf europäischer Ebene mehrere Untersuchungen gegen Frontex gleichzeitig. Die Europäische Ombudsfrau untersucht zum einen Frontex interne Kontrollmechanismen im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen, zum anderen die fehlende Transparenz gegenüber Parlamentarier:innen. Die EU-Antibetrugsbehörde OLAF ermittelt im Zuge eines möglichen IT-Betrugsfall bei Frontex, wohl aber auch zu Leggeri’s Führungsstil selbst und internen Management-Prozessen.

Selbst der Frontex-Verwaltungsrat ermittelt jetzt

Selbst der eigene Frontex Verwaltungsrat ermittelt zu den Pushback-Vorwürfen. Wir haben im Europaparlament schon lange die Einsetzung eines vollständigen parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Beteiligung von Frontex an illegalen Pushbacks gefordert. Die Umsetzung ist an den beiden größten Fraktionen gescheitert. Dennoch konnten wir im Innenausschuss vor einigen Wochen eine Arbeitsgruppe einrichten, die eine umfassende Untersuchung der Vorwürfe durchführen, sowie Frontex dauerhaft überwachen wird. Wir wollen Frontex genau unter die Lupe nehmen und Aktivist:innen, Zeug:innen und Expert:innen einladen, um Verantwortlichkeiten zu klären sowie die Arbeitsweise von Frontex auf den Prüfstand zu stellen und mit konkreten Beschlüssen wieder in rechtsstaatliche Bahnen zu lenken.

Die Wut auf Frontex eint

Der Wut und das Unverständnis über die Situation an den EU-Außengrenzen eint viele Menschen in Deutschland und Europa. Der politische Druck ist hoch. Jetzt müssen wir kämpfen und dürfen nicht lockerlassen. Dafür, dass den Verbrechen an den EU-Außengrenzen endlich ein Ende gesetzt wird und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Dafür, dass Akteur:innen, die seit Jahren Menschenrechtsverletzungen dokumentieren, endlich auch gehört werden. Dafür, dass gemeinsam mit Rechtsexpert:innen Möglichkeiten entwickelt werden, wie ein schneller und individueller Zugang zu Beschwerdeverfahren bei Rechtsverletzungen durch Frontex geschaffen werden kann. Klar ist: Es kann keine Straffreiheit für Frontex geben.