Filmtipp

Das KaDeWe als spektakuläre Serie

ARD-Serie: Eldorado KaDeWe – Jetzt ist unsere Zeit

Kaufhaus des Westens 1907

Berlins Konsumtempel Nummer 1 – das KADeWe – bildet die Kulisse für die sechsteilige ARD-Serie „Eldorado KADeWe – Jetzt ist unsere Zeit“ unter der Regie von Julia Heinz („Und morgen die ganze Welt“, D 2020). Die Handlung, angesiedelt in den Zehner- und Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts, dreht sich um den Aufstieg und Niedergang des spektakulären Warenhauses im Besitz der Familie Jandorf.

Wobei die historische Korrektheit hier nicht unbedingt die erste Geige spielt: Denn im Handelszentrum steht eher die lesbische Liebesgeschichte von Fritzi, der erfundenen Tochter des KaDeWe-Gründers Adolf Jandorf, mit Hedi, einer Verkäuferin in der luxuriösen Shopping Mall.

Eldorado KaDeWe - Jetzt ist unsere Zeit

Fritzis Bruder Harry existierte hingegen wirklich. Der weltkriegsgeschädigte Juniorchef im KaDeWe, kämpft mit seinen Erinnerungen als Soldaten im Schützengraben. Mehr als einmal suchen ihn die toten Kameraden heim, wenn er sich dem Kokainrausch hingibt.

Der exaltierte Harry und seine lebensfrohen Geschwister und Freunde ziehen ausgiebig durch ein queeres Berliner Nachtleben, das Regisseurin von Heinz an vielen Stellen als anschlussfähig zur heutigen Situation erklärt.

Wehret den Anfängen, heißt es an mehr als einer Stelle. Die Geschichte der großen Kaufmannsfamilien in Deutschland bilden da ein interessantes Prospekt. Nicht nur Harry, auch andere aus der Riege der Kaufhauseigner verließen Deutschland spätestens mit Beginn der Dreißigerjahre. Die Nazis „arisierten“ die großen Konsumtempel und verfolgten die Eigentümer.

„Im Kaufhaus des Westens bündeln sich Themen, mit denen ich mich seit Langem auseinandersetze“, sagt die Regisseurin. „Das Berlin der 1920er-Jahre war kulturell und gesellschaftlich geprägt von Juden und von Frauen. Es gab zeitweise nach dem 1. Weltkrieg dreimal mehr Frauen als Männer, die einen entsprechend großen Handlungsspielraum hatten.“

Die kleine Serie ist mit Lia von Blarer als Fritzi, Valerie Stoll als Hedi, die tolle Neele Buchholz als Hedis Schwester Mücke und nicht zuletzt mit Joel Basman als dem impulsiven Harry glänzend besetzt. Die Handlung ist rasant mit vielen kleinen schönen Seitenlinien, die Clubszenen beschwingen.

Eldorado KaDeWe - Jetzt ist unsere Zeit

Ihr Werk will von Heinz  verstanden wissen als Statement zur Gegenwart - und hier wird es ein wenig kompliziert. Gedreht wurden die meisten Szenen in Budapest. Dort erlebte das Drehteam nach Schilderung von von Heinz, wie die queere Szene durch Gesetz und Ordnungsmacht drangsaliert wurde: Transgender-Darsteller hätten nicht ungefährdet geschminkt zu den Aufnahmen fahren können; Bücher, die das Leben von Regenbogenfamilien schilderten, seien bei einer befreundeten Buchhändlerin von der Polizei beschlagnahmt worden. Zudem sei Antisemitismus in Ungarn wie in Deutschland virulent.

Um dies in die Filme einfließen zu lassen, hat sich von Heinz allerdings ein paar schräge Verfremdungseffekte einfallen lassen, bei denen nicht jeder mitgehen dürfte. So sitzen Fritzi und Hedi eines Nachts vor dem Club auf der Straße, Autos und BVG-Busse samt Straßenbahn von heute rauschen vorbei. Hält man es erst für einen Fehler, denkt man spätestens nach der dritten solchen Szene an Absicht.

Welche, bleibt allerdings jedem verborgen, der nicht an das umfangreiche Presseheft kommt, wo man auch eine Weile suchen muss, bis man dafür die umständliche Erklärung gefunden hat – dass diese Szenen sinnbildlich für die Parallelen der beiden Zeitgeschichten – roaring twentys und heute stehen sollen.

Kunstwerke, die sich nicht aus sich selbst erklären, haben es schwer. Aber vielleicht ist das ja in diesem Fall der ultimative Kick! Bunt, schnell, queer – und auch noch crazy nach Bertolt Brecht erzählt. Was will man mehr!

ARD 27. Dezember 2021, ab 20.15 Uhr alle Folgen. Auch in der ARD-Mediathek abrufbar.