Sookees Kolumne

Schicht - dicht.

Redaktionen und Social Media-Plattformen wussten am vergangenen Wochenende gar nicht mehr wohin mit der auflaufenden Ereignisdichte, als sich einige dutzend Schauspieler*innen dem Ruf der #allesdichtmachen-Initiator*innen rund um Regisseur Dietrich Brüggemann folgend mit überwiegend satirisch gemeinten Kunst-Schnipseln zu den Corona-Maßnahmen durchs Internet bewegten. Erst rein, dann - nach einem gewaltigen Reaktions-Gewitter - viele von ihnen wieder raus. Die Videos der offenbar uneinheitlich positionierten Film- und Fernsehpromis mit Tatort-Schwerpunkt wurden im rechtskonservativen und coronakritischen Spektrum mehr beklatscht, als es einigen Beteiligten lieb war. Und so wurde auf der einen Seite Schadensbegrenzung betrieben, wo es nur möglich schien. Man wolle natürlich nicht die über 80.000 in Deutschland am Virus Verstorbenen verhöhnen. Der Zynismus-Vorwurf saß tief. Wer will schon so ein bitteres Arschloch sein, das unlustige Witze über die härteste aller gegenwärtigen kollektiven Realitäten macht?
 

#fcknzs schützt nicht vor dem Beifall Tichys

Auf der anderen Seite wurde die Kunst-muss-wehtun-Schraube um weitere Umdrehungen beansprucht: Faschistoid sei die Reaktion derer, die die Aktion auch ob des Beifalls von rechts als maximal misslungen benannten. Die Cancel-Culture-Kampflinge unterdessen sahen im Rückzug der Einsichtigen die Krakenmacht der Meinungsdikatur bestätigt. Spätestens ab hier begann es unübersichtlich zu werden. Aber eben auch bezeichnend und interessant. Der immer deutlich positionierte Georg Restle etwa appellierte in einem Kommentar an die Vernunft der differenzierenden Kontextualisierung: Nicht jeder, der die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen kritisch gegenlese sei gleich eine Reichskriegsflaggen schwingende Anti-Masken-Fundamentalist*in.
Ergänzend sei gesagt - und das führt direkt zum vielfach vorgeworfenen, aber auch eingeräumten Aspekt der Naivität -, dass so manch eine*r in die rechte Ecke gezogen wurde, noch bevor er oder sie dorthin gedrängt werden konnte. Jan Josef Liefers beispielsweise hatte noch versucht, sich diesbezüglich mit einem kecken #fcknzs am Ende eines Postings zur Aktion abzusichern und bekam dann doch als eines der zentralen Kampagnen-Gesichter Support von den Hans Georg Maaßens und Roland Tichys dieser Republik.

Das gestörte Verhältnis von Intention und Effekt

Ja, es ist nicht ohne, sich zu positionieren. Insbesondere wenn einem nicht vollends klar ist, wer den Scheinwerfer bedient, der auf die jeweilige Pose gerichtet sein wird. Kida Ramadan und Pegah Ferydoni, die eine der ersten kopfschüttelnden Reaktionen auf die Schnellschüssigkeit ihrer Kolleg*innen ins Internet spien, machten deutlich, worum es bei der Aktion zweifelsohne auch ging: Aufmerksamkeit fürs nimmersatte, unterhaltungsindustriell konditionierte Ego. Es sei bei der Anfrage für die Kampagne nicht wirklich klar und transparent gewesen, worum es genau gehe und wer was wie mit welcher konkreten Zielsetzung beitrage. Aber wenn große Namen von Sympathieträger*innen und Erfolgsgarant*innen fallen, sagt man schon mal etwas schneller zu.
Das ist grundsätzlich so in den Untiefen des Entertainment-Business. Man verlässt sich auf die Recherchen des Managements der Kolleg*innen. Da wird dann schon mal eben was zugesagt und schnell mal was produziert fürs Netz. Und weil im Internet von allen Seiten mit Scheiße geschmissen oder auch berechtigt kritisiert wird, ist das der Moment, wo das Verhältnis von Intention und Effekt aus dem Ruder läuft.

Kunst auf dem Prüfstand

Insofern brauchen sich die bockigen Alles-dicht-Macher*innen nicht einzubilden, die Aktion an sich habe eine Debatte ermöglicht. Vielmehr haben von der wut-twitternden ZeroCovid-Supporterin bis zum anbiedernd-gesprächsoffenen Bundesgesundheitsminister alle die Auseinandersetzung soweit vorangebracht, dass die Kunst der privilegierten TV-Stars auf den Prüfstand gehoben wurde: Nicht der beliebige Reaktions-Joke #allenichtganzdicht von Alles-Verwurster Jan Böhmermann war das Ende der kritischen Fahnenstange, sondern die unter #allemalneschichtmachen firmierende Aufforderung der Social-Media-affinen Ärztin Carola Holzner gibt dem Gerangel der letzten Tage eine Vernunftsschelle. Im Anschluss an den von Ex-Moderator und Polit-Notfallsanitäter Tobias Schlegl geäußerten Realitycheck, die beteiligten Schauspieler*innen mögen sich ihre Ironie mal tief ins Beatmungsgerät schieben, erinnerte sie mittels einer Einladung in den Regelbetrieb des Ausnahmezustandes im Gesundheitswesen daran, dass die Kunst - so wichtig sie auch als erbauliches Highlight oder mahnende Fragestellerin für die kollektive und individuelle Lebensführung der Menschen sei - schlicht und ergreifend hier ihre Rolle übertrieben habe.