Die Vermögensteuer: machbar, gut und richtig
- Die Redaktion
Für viele dürfte es eine Überraschung sein: Deutschland zählt zu den ungleichsten Demokratien der Welt. In fast keinem wohlhabenden Land ist die Kluft zwischen Arm und Reich in den letzten Jahrzehnten so weit gewachsen wie in Deutschland. Die Linke will diesen unhaltbaren Zustand endlich angehen – und den Hauptgrund dafür beseitigen: Die Bundesrepublik besteuert im internationalen Vergleich Vermögen besonders niedrig, Arbeit dafür besonders hoch.
Der Schlüssel zu einer gerechteren Verteilung des gesellschaftlich erwirtschafteten Reichtums liegt also im Steuersystem: Die Aussetzung der Vermögensteuer 1997 war diesbezüglich einer der größten Schritte in die falsche Richtung. Auf der Tagung „Den Reichtum zurückholen[1]“ lotete die Fraktion der Linken im Bundestag am Dienstag, 17. Juni in Berlin deshalb Wege aus, wie eine gerechte Besteuerung von sehr großen Vermögen wieder Realität werden könnte.
„Die ungleiche Vermögensverteilung, die wir in unserem Land sehen, gefährdet auch die Demokratie“, stellte die Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Heidi Reichinnek, zum Auftakt der Veranstaltung klar – was sich für sie etwa zeigt, wenn Bundeskanzler Merz die Finanzierung von Jugendhilfe und Eingliederungshilfe infrage stellt. Neben einer Reform der Schuldenbremse braucht es laut Heidi Reichinnek deshalb auch wieder eine Vermögensteuer, die die Haushalte der Länder stärkt – denn ihnen stehen die Einnahmen laut Grundgesetz zu. Eine solche Vermögensteuer bleibt auch deshalb zentrale Forderung der Linken. „Das ist ein Thema, da werden wir nicht locker lassen“, so Heidi Reichinnek. „Wenn öffentliche Investitionen ausbleiben, dann steigen die Wahlergebnisse der extremen Rechten“, warnte sie. Der Weg zu einer gerechten Vermögensbesteuerung wird sicher nicht einfach. Doch für ein funktionierendes Gemeinwesen gibt es schlicht keine Alternative. „Wenn wir es als Linke und als Linksfraktion nicht schaffen, wer sonst?“, so die Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag.
„Deutschland ist ein Hochsteuerland für Menschen, die von ihrer Arbeit leben, aber ein Niedrigsteuerland für Reiche und Vermögende“, erklärte Dr. Martyna Linartas, Gründerin des Informationsportals ungleichheit.info[2], in ihrem Einführungsvortrag. Dies hat dramatische Folgen: Die fünf reichsten Menschen in Deutschland haben ihr Vermögen in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. „Doch diese Steuerpolitik fällt nicht vom Himmel, sie wird gestaltet“, stellte sie klar.
Begründet werden die außerordentlichen Steuerprivilegien der Superreichen oft durch ökonomische Mythen – zum Beispiel den sogenannten Trickle-down-Effekt, wie Linartas erklärt. Dahinter steckt die Vorstellung, dass der Konsum der Oberschicht über längere Zeit die wirtschaftliche Nachfrage stärkt und somit zum Rest der Gesellschaft durchsickert – eine bequeme Begründung für neoliberale Kürzungspolitik, die aber einer empirischen Überprüfung nicht standhält. Linartas verweist auf eine Studie der OECD, die Steuersenkungen für Reiche in 18 entwickelten Ländern untersuchte: „Der Effekt war von Null nicht zu unterscheiden“ – es gab keine messbare Auswirkung auf die wirtschaftliche Entwicklung. Dafür bleiben zentrale gesellschaftliche Aufgaben, wie etwa der Aufbau einer klimafreundlichen und nachhaltigen Wirtschaft, auf der Stecke. „Der Neoliberalismus hat versagt. Er spaltet unsere Gesellschaft und verfeuert unser Klima“, so Linartas. Die Ungleichheit und insbesondere Vermögen ab 100 Millionen Euro wachsen inzwischen so schnell, dass eine Vermögensteuer in dem Umfang, wie sie international diskutiert wird, diesen Trend eigentlich nur bremsen würde. „Eine Vermögensteuer von 1 oder 2 Prozent würde lediglich dazu führen, dass die Vermögen langsamer wachsen, nicht aber dazu, dass die Vermögensschere geschlossen wird“, so Linartas.
Ines Schwerdtner, Parteivorsitzende der Linken, unterstrich auf dem ersten Diskussionspanel, dass die Frage von Vermögensungleichheit neben der ökonomischen eine ebenso wichtige politische Dimension besetzt. Den Einwand, dass manche Superreiche ihr Vermögen für wohltätige Zwecke einsetzen, lässt sie deshalb nicht gelten. „Wir sollten uns als Gesellschaft nicht darauf verlassen, dass Milliardäre und Superreiche Philanthropen sind“, so Ines Schwerdtner. Sie verwies auf die enorme politische Macht, die mit Milliardenvermögen einhergeht, „Macht über die Politik und Macht über Millionen von Menschen, die in den Betrieben arbeiten.“
Dass das Thema Steuergerechtigkeit im Wahlkampf auf so große Resonanz gestoßen ist, hat auch Ines Schwerdtner ein Stück weit überrascht. „Es stellt sich heraus: Auch in Deutschland ist es eine populäre Forderung, hohe Vermögen zu besteuern. Die Mehrheit der Bevölkerung will das eigentlich und dass sich die anderen Parteien dagegen wehren, ist Wahnsinn.“
Im weiteren Verlauf der Veranstaltung ging es um Fragen der konkreten Ausgestaltung eines gerechteren Steuersystems, insbesondere der Vermögensbesteuerung. Julia Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit[3] empfiehlt, hierbei auch die Erbschafts- und Schenkungssteuer nicht aus dem Blick zu verlieren. Insbesondere Ausnahmeregelungen für Betriebs- und Immobilienvermögen sorgen dafür, dass sie in der Praxis eine regressive Steuer ist. Auf die Vererbung von Großvermögen im zweistelligen Millionenbereich fallen effektiv nur zwei Prozent Steuerlast an.
Dr. Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung verwies auf mögliche politische Fallen, in die eine Kampagne für eine Wiedereinführung der Vermögensteuer tappen könnte: Insbesondere gerechte Bewertungsverfahren sind wichtig, denn an der Privilegierung von Immobilienvermögen durch veraltete Einheitswerte scheiterte die alte Vermögensteuer, als sie 1997 vom Bundesverfassungsgericht kassiert wurde. Doch dass man sich damals für eine Aussetzung entschied, statt den Fehler zu beheben, war eine politische Entscheidung: „Man hätte auch einfach das Bewertungsverfahren ändern können“, so Bach. Auch die Behandlung von Pensionsansprüchen und Altersvorsorgevermögen muss bedacht werden, ebenso wie die Interaktion von Vermögensteuern und Unternehmenssteuern, die zu unerwünschten Effekten führen kann. „Normale Vermögen“ sollten auf jeden Fall freigestellt werden, so Bach. Er empfiehlt einen Freibetrag von einer bis drei Millionen Euro Nettovermögen – also abzüglich von Verbindlichkeiten, wie etwa Immobilienkrediten.
Der Zuspruch aus der Wissenschaft für eine Wiedereinführung der Vermögensteuer sei „sehr ermutigend“, so Doris Achelwilm, steuerpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, zum Abschluss der Veranstaltung. Die Linke werde dafür weiter werben und Momentum aufbauen. Sie verwies auf die geplante Senkung der Körperschaftssteuer, die Vermögende noch weiter entlasten würde und damit in die falsche Richtung geht. An Gelegenheiten, für eine grundsätzliche Wende bei der Besteuerung für Großvermögen zu werben, wird es in nächster Zeit nicht fehlen. Die Linke wird sie nutzen.
Links:
- https://www.dielinkebt.de/service/termine/detail/reichtum-zurueckholen/
- https://ungleichheit.info/de
- https://www.netzwerk-steuergerechtigkeit.de/