Zu den Ergebnissen des Koalitionsausschusses.

Wie die Ampel Schluss machen will mit der Planwirtschaft.

Christian Lindner präsentierte sich nach dem Ende der Ampel-Gespräche als strahlender Sieger und frohlockte, es sei endlich Schluss mit der „Planwirtschaft“ beim Klimaschutz: „Im Klimaschutzgesetz öffnen wir den Raum für marktwirtschaftliche Ergebnisse.“ Übersetzt heißt das: Die Beschlüsse des Koalitionsausschusses von SPD, Grünen und FDP werden die große Mehrheit der Bevölkerung teuer zu stehen kommen: Weniger Klimaschutz als notwendig, der dafür aber deutlich teurer und ineffizienter werden soll, mit weniger sozialem Ausgleich. Dass die Kindergrundsicherung nicht mal erwähnt wird, macht die Prioritäten der Koalitionäre deutlich.

Die Kampagne vor dem Koalitionsausschuss

Vorbereitet wurden die Beschlüsse durch ein mediales Trommelfeuer von FDP, Union und AfD gegen das „Verbrenner-Aus“ und gegen Habecks „Heizungs-Verbot“, in dem keine Fake-News ausgelassen wurden, um Stimmung gegen Klimaschutz zu machen. Orchestriert wurde die unappetitliche Melange durch die Kampagne der Bild-Zeitung und die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM), die sich über die Ankündigung der FDP freute, nun werde „das Klimaschutzgesetz endlich aus der Planwirtschaft in die Marktwirtschaft überführt“. Dass Dietmar Bartsch und andere Mitglieder der LINKEN hilflos populistisch von einem „Heizdiktat“ sprachen im Zusammenhang mit den Beschlüssen zur Wärmewende, macht die Angelegenheit nicht besser. In vollkommener Verkennung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse, der Beschlusslage von Partei und Fraktion sowie des Kerns der Auseinandersetzung mit AfD-Sprech an reaktionäre Ressentiments zu appellieren, wird der Verantwortung linker Politik nicht gerecht. Wenn eine Kampagne von BILD und INSM gefahren wird, sollten Linke hellhörig werden.

Wenn der Verkehrsbereich die Klimaziele nicht erreicht, werden die Ziele abgeschafft.

Es gibt bei den Ergebnissen des Koalitionsausschusses drei große Themen, an denen eine linke Politik ansetzen muss:

  1. Das Schleifen des Klimaschutzgesetzes,
  2. die verhinderte Verkehrswende und
  3. die vermurkste Wärmewende.

Das größte Drama ist sicherlich das Schleifen des Klimaschutzgesetzes. Dass es überhaupt zustande gekommen ist, ist nicht der Klugheit der Großkoalitionäre von CDU und SPD zu verdanken gewesen, sondern dem massiven Druck der Klimabewegung. Es war von Beginn an zahnlos, weil es keine wirksamen Sanktionen bei Nichterreichen von Zielen vorgesehen hat, sondern lediglich Nachbesserungen. Das hat sich gezeigt, als Verkehrsminister Wissing angesichts der Zielverfehlungen im Verkehrsbereich ein Maßnahmenpaket vorlegte, das in seinen Zielmargen so lächerlich gering war, dass der Klima-Expertenrat der Bundesregierung sich weigerte, es eingehender zu prüfen. Der Expertenrat mahnte denn auch, die Anstrengungen im Klimaschutz müssten über alle Sektoren mindestens verdoppelt, im Verkehrsbereich aber um das 14-fache beschleunigt werden!

Die logische Konsequenz der Ampel lautet nun: Da der Verkehrsbereich keine Anstrengungen macht, die Klimaziele zu erreichen, werden de facto diese Ziele abgeschafft. Dass dies verfassungswidrig sein dürfte, geschenkt. Im Beamtendeutsch heißt es jetzt: Die Klimaziele der Bundesregierung sollten „sektorübergreifend“ in einer „mehrjährigen Gesamtrechnung“ überprüft werden. Bedeutet, Minister Wissing wird davon befreit, jährlich bei Bekanntwerden seiner klimapolitischen Misserfolge nachzusteuern. Der Auftrag des Bundesverfassungsgerichts in seinem wegweisenden Urteil von 2021 war, das Klimaschutzgesetz und die realen Maßnahmen zum Klimaschutz nachzuschärfen. SPD, Grüne und FDP haben jedoch das Gegenteil beschlossen. DIE LINKE sollte eine Verfassungsklage prüfen.

Schuld am Desaster in der Verkehrspolitik ist nicht Verkehrsminister Wissing, sondern die Bürger.

In der Talkshow „Illner“ machte Christian Lindner wenige Tage nach dem Koalitionsausschuss deutlich, wer aus seiner Sicht verantwortlich sei für das Verfehlen der Klimaziele im Verkehrsbereich: Nicht etwa Volker Wissing, der die Verkehrswende verschleppt, sondern die Bürger*innen der Bundesrepublik, weil diese den Anspruch hätten, mobil zu sein. Nicht der Verkehrsminister trage Verantwortung, etwa durch mangelnde Investitionen in den Ausbau von Bus und Bahn, oder durch das Verhindern selbst der einfachsten, schnell umsetzbaren Maßnahmen, wie der Einführung eines Tempolimits. Verantwortlich sind die Menschen, die den Anspruch haben, von A nach B zu kommen. Ihr Bedürfnis ihren Arbeitsplatz erreichen zu können und darüber hinaus auch eventuell mal Freund*innen zu besuchen oder etwa an Kultur- oder Sportveranstaltungen teilzunehmen, welches die Verkehrswende aus FDP-Sicht verhindert.

So findet sich auch in den Ergebnissen des Klimaausschusses keine Maßnahme für eine wirkliche Verkehrswende. Das Versprechen, Mehreinnahmen aus der LKW-Maut in die Bahn umzulenken, 45 Milliarden sollen es in den Jahren bis 2027 werden, ist ein Alibi, denn die Summe reicht höchstens zum Flicken der größten Löcher des Sanierungsbedarfs. Um die Deutsche Bahn wirklich zukunftsfähig zu machen, wäre aber ein Vielfaches an Investitionen notwendig und vor allem die Umwandlung der DB-Aktiengesellschaft, die den größten Profit als Logistikunternehmen auf der Straße macht, in eine echte Bürger*innenbahn.

Die Ampelkoalitionäre definieren ein „überragendes öffentliches Interesse“ für 144 Autobahnprojekte, die demnach folgerichtig mit Hilfe der „Planungsbeschleunigung“ rasch gebaut werden sollen. Dabei wird die Mär vom beeinträchtigten „Verkehrsfluss“ bedient, die längst verkehrswissenschaftlich erledigt ist. Immerhin konnte die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang freudestrahlend verkünden, dass all das nicht ohne neue Fotovoltaik-Anlagen entlang der Autobahnen vonstattengehen solle. Kaum jemand bezweifelt, dass diese Maßnahme wohl eine Beruhigungspille fürs grüne Gewissen sein soll.

EFuels oder: Geldverbrennung und Neokolonialismus in grünem Gewand

In der Europäischen Union hatte sich Volker Wissing dafür starkgemacht, dass auch nach 2035 noch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor zugelassen werden dürfen. Eine Spielerei für die High Society, um auch dann noch mit ordentlichem Motor-Gedröhn mit ihren tonnenschweren Monster-SUVs über die neuen Autobahnen heizen zu können. Neben der maßlosen Energieverschwendung stoßen übrigens auch Motoren, die mit eFuels betrieben werden, Feinstaub und anderen Dreck aus. Aber wer wohnt schon an verkehrsreichen Straßen? Jedenfalls nicht die Klientel der FDP.

Als Maßgabe hatte Lindner genannt, das ganze Paket des Koalitionsausschusses solle unter Einhaltung der Schuldenbremse geschnürt werden, notfalls müsse halt in anderen Bereichen gekürzt werden. Dabei ist bekannt, dass eFuels absurd teuer und ineffizient sind. Anstatt also die 65 Milliarden an jährlichen Emissionen abzubauen, werden nun in Zukunft Milliarden in die Förderung synthetischer Kraftstoffe für den Verkehrsbereich gesteckt. Die „Massenproduktion“ solle „kurzfristig angereizt“ werden, so steht es im Papier von SPD, Grünen und FDP. Da aber auch die Koalitionäre wissen, dass sie der Physik nicht vollkommen entkommen können, soll ein Großteil der eFuels „außerhalb Europas“ produziert werden. Im Klartext: Andere Staaten sollen für den deutschen Sonderweg produzieren, während ihre heimische Energiewende hinten anstehen muss. Der Neokolonialismus im grünen Gewand. Dass, wenn es nach Lindner geht, die synthetischen Kraftstoffe auch mit „blauem Wasserstoff“, also mit Erdgas, produziert werden sollen, ist da nur eine schmutzige Randnotiz.

Rot-Grün-Gelb versucht ein weiteres Mal uns glauben zu machen der Markt würde es schon richten, statt alles Notwendige für wirksamen Klimaschutz zu tun und so für Beschäftigte und die Bevölkerung Planungssicherheit zu schaffen. Die letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass dieser Weg ebenso unwirksam wie ungerecht ist und die Klimaziel zu Makulatur werden lässt. Auch, dass Naturzerstörung jetzt durch Geldleistungen abgegolten werden soll, ist da nur konsequent. So hält das Koalitionspapier fest, Klimaschutz im Verkehr und bei Gebäuden solle vorrangig über „Preissignale“ gemacht werden. Dass es Klimaschutz braucht, scheint also der Ampel klar, nur will sie diesen dem Markt überlassen. Im Heizungsbereich bleibt bestehen, dass ab 2024 jede neu eingebaute Heizung „möglichst“ mindestens zu 65 Prozent mit Erneuerbaren betrieben werden soll. Die FDP hat durchgesetzt, dass dies „technologieoffen“ erfolgen soll. Das bedeutet, Heizungen können etwa „H2 ready“ sein, also in Zukunft möglicherweise mit Wasserstoff betrieben werden. Auch das Heizen mit eFuels ist von der FDP schon ins Gespräch gebracht worden. Wer einigermaßen die Gesetze der Physik kennt und sich mit den Wirksamkeitsgraden beschäftigt hat, weiß: Die Beimischung von Wasserstoff in bestehende Netze ist eine wahnsinnige Energieverschwendung, eine Umrüstung gar auf Wasserstoff nur mit gigantischem Kostenaufwand möglich. Im besten Fall fallen Menschen nicht auf diese „technologieoffene“ Sackgasse herein, im schlimmsten Fall werden hier Investitionen getätigt, die in einigen Jahren nur noch abgewrackt werden können.

„Niemand wird im Stich gelassen.“

So lautet das Versprechen am Ende des Koalitionsausschuss -Papiers. Die Bevölkerung wird hoffentlich aus Erfahrung wissen, was dieses Versprechen wert ist. Als LINKE werden wir dieser Klimaschutzverhinderung weiterhin unsere Alternativen entgegenstellen. Wir kämpfen für eine Klimapolitik, die den Kapitalismus nicht nur grün anstreicht, die Menschen nicht schutzlos dem Markt überlassen will, sondern für eine Klimapolitik, die auf klar definierte, gerechte Regeln setzt, aus denen sich niemand rauskaufen kann.

Im Verkehrs- und Wärmebereich bedeutet dies, das Gequatsche von „Technologieoffenheit“ als das zu entlarven, was es ist: der Versuch, wirksamen Klimaschutz zu verhindern. Statt für grenzenloses Rasen auf von PV-Anlagen flankierten Autobahnen, kämpfen wir für den massiven Ausbau von Bus und Bahn, den Umbau der Städte mit weniger Autos und mehr Lebensqualität, die Anbindung der ländlichen Regionen an einen günstigen und zuverlässigen ÖPNV. Wir kämpfen für eine soziale Wärmewende, die klug Klimaschutz und bezahlbare Mieten verbindet, mit Mietendeckel, Enteignung großer Immobilienkonzerne, Vergesellschaftung der Wärmenetze und klimagerechtem Wohnen ohne Mieterhöhungen. Das ist ohne den Abbau von fossilen Subventionen, dem Widerspruch gegen einen marktkonformen Pseudoklimaschutz und ja, auch Verbote, nicht zu haben. Erinnern wir uns als Linke an das Zitat von Rousseau, das im Sitzungssaal der Linksfraktion im Bundestag hängt: „Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit.“ Das gilt in Zeiten der Klimakatastrophe umso mehr.