Interview

Kann Facebook den Infostand ersetzen?

Sahra Mirow mit Luigi Pantisano bei der Präsentation der Wahlkampagne

In Baden-Württemberg finden am 14. März Landtagswahlen statt. Wir wollten von Sahra Mirow, der Spitzenkandidatin der LINKEN, wissen, wie Corona den Wahlkampf verändert und warum DIE LINKE im Ländle Chancen hat, erstmals in den Landtag einzuiehen.

Eigentlich müsste der Wahlkampf jetzt richtig an Fahrt aufnehmen, aber ist Wahlkampf derzeit überhaupt möglich?

Sahra Mirow: Es ist auf alle Fälle eine Herausforderung, aber Wahlkampf ist dennoch möglich. Wir planen mit der „Wall of Shame“ eine öffentlichkeitswirksame Aktion, allerdings mit entsprechenden Abständen, weniger Leuten, so dass das Ganze dann auch Corona-konform ist. Natürlich lebt unser Wahlkampf, unsere Partei auch vom persönlichen Gespräch am Infostand und auf der Straße. Da das derzeit kaum möglich ist, verlagern wir so viel wie möglich in den digitalen Raum.

Und funktioniert das?

Ja, wir betreiben sogar einen sehr aktiven, digitalen Wahlkampf, mit einem tollen Social-Media-Team. Hier zahlen sich die Mitgliederzuwächse der letzten Jahre aus, wo insbesondere jüngere Menschen bei uns eingetreten sind, die eine hohe digitale Kompetenz mitbringen. So haben wir viele Freiwillige im digitalen Wahlkampf.

Können Facebook, Twitter und Co. den klassischen Infostand ersetzen?

Jein. Die Reichweite ist mitunter größer, die regionale Eingrenzung aber schwieriger. Das macht es für Kandidaten in einem Wahlkreis schwerer, hier die Leute gezielt anzusprechen. Das geht an einem Infostand in der Fußgängerzone natürlich besser. Der direkte Austausch fehlt. Das merken wir im Wahlkampf, können das aber nicht ändern. Wo es möglich ist, also die Inzidenzwerte es erlauben, machen wir noch Infostände, aber mit weniger Leuten, mit Maske und Abstand.  

Also wird der Wahlkampf keine rein virtuelle Angelegenheit?

Nein. Wir werden natürlich auch „stecken gehen“, also Wahlkampfzeitungen und Infomaterial in Briefkästen verteilen. Vor allem dort, wo unsere Zielgruppen sind. Schließlich erreicht man nicht alle sozialen Gruppen im Netz. Das ist uns schon klar.  

Mit welchen Themen geht ihr in den Wahlkampf?

Wir befinden uns hier im Autoland Baden-Württemberg. Hier ist der sozial-ökologische Umbau natürlich ein großes Thema. Die Grünen sind zwei jetzt schon seit zwei Legislaturen an der Macht, doch der Ausbau des ÖPNV geht kaum voran. Baden-Württemberg erreicht seine Klimaschutzziele nicht. Ministerpräsident Kretzschmann sprach sich in einem Brief an EU-Abgeordnete gegen weitergehende Klimaziele aus, um die eigene Autoindustrie zu schützen. Wir setzen deshalb einen Schwerpunkt auf den sozial-ökologischen Umbau. Das zeichnet uns als LINKE ja auch aus, dass wir die soziale mit der ökologischen Frage verbinden.

In vielen Städten explodieren die Mieten. Ist das auch ein Thema in Baden-Württemberg?

Ja. Wir haben hier gerade in den Ballungsräumen stark steigende Mieten. Das führt dazu, dass die Menschen verstärkt aus den Ballungsgebieten herausgedrängt werden. Weil diese Menschen aber weiterhin ihren Arbeitsplatz in der Stadt haben, produziert das unnötige Pendelverkehre. So ist die soziale Frage der Mieten auch eine ökologische. Wir fordern deshalb den Bau von 70 000 neuen, bezahlbaren und barrierefreien Wohnungen. Ein weiteres Thema ist die Stärkung des Öffentlichen. Der Sozialminister hier will an Schließungen von Krankenhausstandorten festhalten. Mitten in der Pandemie! Doch gerade jetzt werden die Weichen stellen, damit wir solidarisch aus der Krise kommen, mit einer Stärkung des Öffentlichen, einem sozial-ökologischen Umbau. Auch bei der Gleichberechtigung sind wir ganz weit hinten. In keinem anderen Bundesland ist die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen so hoch wie in Baden-Württemberg, nämlich 25 Prozent. Auch auf der politischen Ebene sieht es nicht besser aus, der Frauenanteil im Landtag beträgt gerade einmal 26 Prozent. Wir treten als LINKE in den aussichtsreichen Wahlkreisen mit vielen Kandidatinnen an, unsere künftige Fraktion würde ganz überwiegend aus Frauen bestehen.

Die Umfragen sehen euch bei knapp 5 Prozent. In diesem Jahr könnte der Einzug in den Landtag tatsächlich gelingen. Was macht ihr anders als in den Wahlkämpfen davor?

Mit unserer Pflegekampagne, die wir als LINKE ja schon lange vor Corona führen, und unser Kampagne für bezahlbares Wohnen und sozial-ökologischem Umbau treffen wir die Themen der Zeit und haben glaubhafte Antworten in diesem Landtagswahlkampf.
Außerdem haben wir  eine andere Situation als etwa 2011 und 2016. Da stand das Land noch unter Fukushima-Schock und es gab einen echten Lagerwahlkampf zwischen einer rückwärtsgewandten schwarz-gelben Koaliton und Rot-Grün. 2016 ging es darum, das vermeintlich progressive Projekt zu verteidigen. Das ist jetzt anders. Die Grünen sind etabliert und wie man an der Gründung der Klimaliste sieht, die hier im Ländle antritt, haben sie selbst im grünen Lager Konkurrenz bekommen. Viele Wähler*innen sehen, dass wir eine links-ökologische Kraft brauchen, die Druck macht für einen ökologischen Umbau, der das Soziale stärkt.