Außenpolitik

China und DIE LINKE

DIE LINKE steht vor der Aufgabe, ihr Verhältnis zu China zu klären. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens befinden wir uns in einem neuen globalen Rüstungswettlauf, der von den militärisch dominanten NATO-Staaten ausgeht und von China längst ähnlich beantwortet wird. China steht zunehmend im Fokus westlicher Aggressionen. Die EU ist 2019 auf den US-Kurs eingeschwenkt und hat China zum „systemischen Rivalen“ erklärt. Der Druck der USA, die europäischen NATO-Staaten mögen gefälligst ihre Rüstungsausgaben auf 2 Prozent ihres jeweiligen Bruttoinlandsprodukts steigern, wird von in Europa nicht nur dankend angenommen und als Wind in den Segeln für eigene Aufrüstungsmaßnahmen genutzt. Die Aufrüstung in Europa ist zugleich Element einer transatlantischen Arbeitsteilung: Die Europäer sollen den USA in ihrer Konfrontationspolitik gegen China den Rücken freihalten, indem sie die Kosten der westlichen Konfrontationspolitik gegen Russland und militärischer Abenteuer an den erweiterten europäischen Außengrenzen tragen. Die Konfrontation gegen China dient dabei dem Zweck, das aufstrebende, frühere Entwicklungsland mit militärischen und nichtmilitärischen Zwangsmitteln in einer untergeordneten Stellung in der Hierarchie der internationalen Arbeitsteilung zu halten. China wird darum zu einem Gegenstand deutscher und europäischer Politik, egal, was man von den inneren Verhältnissen in China hält. Tatsächlich wird der US-China-Konflikt das 21. Jahrhundert konfigurieren und tut es schon jetzt.

Staatliche Interventionen gegen neoliberale Marktlösungen

Zweitens zielt die Aggression des Westens auch darauf ab, Chinas starken Staatsinterventionismus zurückzudrängen, d.h. die Tatsache, dass China seine gesellschaftliche Entwicklung viel stärker plant und sie weniger dem Markt, d.h. den Profitkalkulationen privatkapitalistischer Konzerne überlässt. Die USA brandmarken dies als „illegale Staatssubventionen“ (Trumps Handelsagenda 2019). Dieser Staatsinterventionismus ist jedoch relevant, wenn wir es ernst meinen, die drohende Klimakatastrophe noch zu verhindern. Denn während man in der EU im Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe aber bis hinein ins linke Bürgertum vornehmlich auf „technologischen Optimismus“ (Bündnis 90/Die Grünen-Grundsatzprogramm, ähnlich der „Green Deal“ der von der Leyen Kommission) und neoliberale Marktlösungen, d.h. die – auch durch den Dieselskandal ungeschmälerten – Selbstheilungskräfte der Industrie setzt, sind die chinesischen Staatsressourcen ein Voraussetzung für Chinas – durchaus widersprüchlichen – Weg in die „Öko-Zivilisation“, der auf Hochgeschwindigkeitszüge, erneuerbare Energien und – immerhin – ÖPNV-E-Mobilität (statt, wie im Westen, individualisierte) setzt. 

Der Westen steht am Scheideweg

Der Westen steht am Scheideweg, Chinas Staatsinterventionismus entweder zu unterbinden oder nachzuahmen. Daraus haben sich Risse in den herrschenden Klassen des Westens ergeben, die durch die Coronakrise noch vertieft wurden. DIE LINKE sollte darauf abzielen, sich diese Risse zunutze zu machen, um den Einstieg in den sozialökologischen Systemwechsel vorzubereiten. Klar sein muss: Ohne die erfolgreiche Durchsetzung eines sozial(istisch)en Green New Deals im Westen, der das Verhältnis von Staat und Markt auch hier ganz grundlegend zugunsten des Staates, d.h. der demokratischen Kontrolle und Planung, verschiebt, wird die Menschheit die Klimakatastrophe nicht abwenden können. In diesem Sinne ist China ein Partner. Klar sein muss auch: Siegen im USA-China-Konflikt die USA und die „Marktzivilisation“, dann stirbt – zugespitzt formuliert – das Klima.

Der globale Rüstungswettlauf und die Konfrontationspolitik gegen China müssen beendet werden. Sie befördern nicht nur die Gefahr eines großen Krieges, mit dem im Pentagon längst gerechnet wird. Sie binden auch wichtige finanzielle Ressourcen, die sowohl im Westen als auch in China für den sozialökologischen Systemwechsel hin zu einer klimagerechten Produktionsweise benötigt werden. DIE LINKE sollte sich dafür einsetzen, dass die deutsche und europäische Außenpolitik hin zu einer neuen „Ostpolitik“ umorientiert wird, die sich an den gemeinsamen Zielen einer Diplomatie, die wechselseitiges Misstrauen abbaut, globaler Abrüstung und gemeinsamen Schritten zur Bearbeitung von sozialer Frage und Klimakrise orientiert.

China hat durch seinen starken Staatsinterventionismus durchaus beachtliche Erfolge in Sachen Armutsbekämpfung und ökologischer Produktionsweise vorzuweisen. (Ohne diesen aktiven Staat sähe China heute aus wie Indien, eine ökologische Individualverkehrskatastrophe.) Die neue „Ostpolitik“ sollte entsprechend von der Annahme beseelt sein, dass es grundsätzlich unterschiedliche Wege gibt, Menschheitsprobleme, die uns alle betreffen, zu bearbeiten, um voneinander lernen zu können.

Ingar Solty ist Referent für Außen-, Friedens- und Sicherheitspolitik am Institut für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Soeben erschienen ist seine Broschüre „Der kommende Krieg: Der USA-China-Konflikt und seine industrie- und klimapolitischen Konsequenzen“. Die Broschüre kann kostenlos bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung bestellt werden unter: https://bestellung.rosalux.de/index.php?cat=KAT08&product=P000818[1]

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  1. https://bestellung.rosalux.de/index.php?cat=KAT08&product=P000818