Lebensmittelampel

Rot für Zuckerbomben

Lebensmittelkennzeichnung kann bei Einkaufsentscheidungen helfen

Soziale Gerechtigkeit im Laden

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) hat ihre jahrelange Blockadehaltung aufgegeben und die Einführung des Nutri-Scores, also einer mehrstufigen Kennzeichnungsform für Lebensmittel, angekündigt. Verbraucher*innen könnten anhand dieser Lebensmittelampel zukünftig leicht erkennen, ob ein Lebensmittel tatsächlich gesund (dunkelgrünes A) oder ungesund (dunkelrotes E) ist. Dieses System kommt allen Bürger*innen zugute, doch am meisten würden Familien mit niedrigem Einkommen davon profitieren.

Angeblich „gesunde“ Lebensmittel sind oft ungesund

Viele Lebensmittel enthalten übermäßig Zucker, zu viel Fette und wenig Ballaststoffe. Auch solche, die auf den ersten Blick gesund erscheinen, etwa Joghurts mit nur 0,1% Fett. Verbraucher*innen halten fettreduzierte Varianten oft für die bessere Wahl, dabei enthalten fettarme Joghurts nicht automatisch weniger Kalorien. Light-Produkte werden jedoch als gesünder wahrgenommen und deshalb auch öfter und in größeren Mengen verzehrt. Auch Säfte oder gesüßte Getränke werden als Vitaminquelle oder Alternative zu Wasser beworben, sie enthalten allerdings große Mengen Zucker. Das gilt auch für viele Müslis, Salatdressings oder Fertigprodukte. Dabei taucht Zucker oft unter verschiedenen Namen auf der Zutatenliste auf und wird so gegenüber den Kund*innen verschleiert. Doch zu viel Zucker macht krank.

Zucker führt zu Fettleibigkeit und Diabetes Typ 2

Wissenschaftler*innen sind sich einig: zu viel Zucker macht krank. Und in Deutschland wird davon zu viel verzehrt: Jeder Mensch isst im Durchschnitt 35 kg Zucker im Jahr. Das sind über 90 Gramm pro Tag, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt aber maximal 25 Gramm Zucker am Tag. Die Folgen des übermäßigen Zuckerkonsums sind bereits sichtbar: Mehr als zwei Drittel der Männer und über die Hälfte der Frauen in Deutschland sind übergewichtig, etwa ein Viertel davon stark (adipös). Seit den 1990er Jahren nahm der Anteil übergewichtiger Kinder und Jugendlicher um mehr als 50 Prozent zu. In zahlreichen Studien konnte der Zusammenhang zwischen Zuckerkonsum, Übergewicht und Diabetes Typ 2 nachgewiesen werden.

Arme Kinder leiden häufiger an Übergewicht

Am meisten davon betroffen sind Kinder, die in Familien mit niedrigem Einkommen leben: Sie leiden bis zu dreimal häufiger an Übergewicht als Kinder in Familien mit hohem Einkommen, wie verschiedene Studien in Deutschland belegen. „Preisgünstige Lebensmittel haben häufig eine höhere Energiedichte (mehr Kalorien) und gleichzeitig eine geringere Menge an lebensnotwendigen Mikronährstoffen“, so Prof. Dr. med. Hans Konrad Biesalski, Direktor des Instituts für Biologische Chemie und Ernährungswissenschaft an der Universität Hohenheim in Stuttgart. Arme Kinder essen weniger frisches Obst und Gemüse und ernähren sich öfter von kalorienhaltigen Fertigprodukten. Dass diese Lebensmittel ungesund sind, wissen die Familien oft nicht. Eine Kennzeichnung durch die Lebensmittelampel würde die Auswahl von gesunden Lebensmitteln erleichtern.

Nutri-Score allein reicht nicht aus

„Für Kinder stehen durch den im Arbeitslosengeld (ALG) II vorgesehenen Satz 2,62 Euro, für Jugendliche zwischen 7 bis 14 Jahren 3,22 Euro pro Tag zur Verfügung. Damit können die Kosten für eine vom Forschungsinstitut für Kinderernährung empfohlene Optimierte Mischkost keinesfalls gedeckt werden“, sagt Prof. Biesalski. Für Familien mit geringem oder keinem eigenen Einkommen muss mehr Geld zur Verfügung stehen, um gesunde Lebensmittel zu kaufen. Außerdem reicht die Kennzeichnung mit dem Nutri-Score auf freiwilliger Basis nicht aus. Noch entscheiden die Hersteller*innen selbst, ob sie ihre Produkte kennzeichnen wollen oder nicht, wir brauchen aber ein einheitliches, verpflichtendes und europaweites Kennzeichnungssystem.