Nichts geschieht, wenn es nicht vor Ort passiert

Kommunalpolitik ist anders. Sie ist direkt und nahbar. Und nirgendwo sonst können Menschen so unmittelbaren Einfluss auf ihr eigenes Umfeld nehmen. Frei nach dem Motto: »Wir bringen uns ein, weil wir hier leben«

Einfluss nehmen und mitbestimmen können, wie sich meine Stadt oder meine Gemeinde entwickeln, ist keine Selbstverständlichkeit. Wenn wir in die Vergangenheit oder im Heute auf eine Weltkarte schauen, wird schnell klar, dass kommunale Selbstverwaltung, also die Aufgabe, die eigenen örtlichen Angelegenheiten eigenständig und demokratisch zu regeln, eine Errungenschaft ist. Wie sich einst das Bürgertum die Freiheit der Städte von der Aristokratie abtrotzte und die Arbeiterbewegung ihren Teil an dieser Freiheit dem Bürgertum abrang, so geht es heute darum, möglichst breite Teile der Gesellschaft in demokratische Prozesse einzubeziehen.

Was ist Kommunalpolitik?

Dinge, die auf Bundes- und Landesebene unmöglich erscheinen, sind in der Kommunalpolitik möglich: EU-Bürger:innen dürfen bei Kommunalwahlen wählen und sich wählen lassen. Sachkundige Einwohner:innen können alle sein, die in der Kommune wohnen – auch ohne deutsche oder EU-Staatsbürgerschaft. In der Kommune geht es eben darum, dass mitbestimmen kann, wer in ihr lebt.

Dabei sind Kommunen staatsrechtlich gesehen – mit Ausnahme der Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg – gar keine eigenständige Ebene, sondern Teil der Bundesländer. Gleichzeitig sind sie aber die Orte, in denen Gesellschaft praktisch wird. Ganz gleich, was der Bundestag oder die Landesparlamente beschließen: umgesetzt wird es in den Kommunen – und das viel zu oft, ohne die nötigen Finanzmittel bereitgestellt zu bekommen. Landkreise, Städte und Gemeinden beschäftigen Millionen von Menschen in Verwaltungen und kommunalen Unternehmen. Sie bewegen Investitionssummen in Höhe von hunderten Milliarden Euro. Mit der Vergabe einer Vielzahl öffentlicher Aufträge an Dienstleister, Handwerk und Unternehmen sind sie oftmals das Herz regionaler Wirtschaftsräume und tragen damit den überwältigenden Teil der öffentlichen Aufgaben und Infrastruktur.

Darüber hinaus sind die Kommunen zuständig für alles, was das Leben lebenswert und attraktiv für die Menschen macht: Schwimmbäder, Sportförderung, Kunst und Kultur, Museen, gute Kitas samt sinnvollen Ganztagsangeboten, sanierte Schulen und vieles mehr.

Fast jedes politische Thema beinhaltet kommunale und/oder lokale Aspekte. „Große“ Politik aus Bund und Land muss in konkrete Politik vor Ort übersetzt werden. Anders als in den höheren Ebenen ist Kommunalpolitik eine Politik der ersten Person: Man selbst stellt sich in die Verantwortung, etwas zu tun, nimmt Rechte und Pflichten an, die mit dem Ehrenamt verbunden sind. Zugleich bietet die große Themenvielfalt in der Kommunalpolitik die Chance, auf individuelle lokale Bedürfnisse und Interessen Einfluss zu nehmen.

Ein forderndes, aber sinnvolles Ehrenamt

Das ist ohne Frage herausfordernd. Das kommunale Geschehen ernsthaft mitzugestalten und sich für die Interessen der Menschen sachkundig einzusetzen, verlangt von Ratsmitgliedern, sich das nötige Fachwissen anzueignen und die bereits vorhandenen Erfahrungen zu studieren. Die Ratsarbeit verlangt deutlich mehr als das alleinige Ablegen politischer Bekenntnisse, denn die drei größten Herausforderungen dieser Zeit sind die zunehmende Verrechtlichung kommunalpolitischer Handlungsfelder, die wachsende Quantität und Qualität der Aufgaben und Ansprüche an das Ratsmitglied und die allgegenwärtige systemische Haushaltskrise, die mitunter kaum noch Gestaltungsspielräume lässt. Gerade die strukturelle Unterfinanzierung nahezu sämtlicher Kommunen in Deutschland hat auch Effekte auf das Vertrauen in die Demokratie: Einsparungen an öffentlichen Dienstleistungen und ein massiver Investitionsstau treffen immer diejenigen härter, die weniger im Geldbeutel haben. Das entfremdet Menschen von ihrer Kommune und letztlich auch von der Demokratie selbst.

Sich dem zu stellen ist kein Selbstläufer, Kommunalpolitik ist richtig Arbeit. Gut und gerne 9 von 10 Beschlussvorlagen stammen aus der Verwaltung, die ihrerseits Vorgaben und Termine beachten muss. Diese Vorlagen muss man lesen, verstehen und sich dazu verhalten – ganz gleich, ob es dem eigenen persönlichen Interesse liegt oder nicht. Das Themenspektrum reicht dabei von der einzelnen Baumfällung bis hin zu Millioneninvestitionen in die städtische Infrastruktur.

Besonderen Akzente kann man mit eigenen Anträgen setzen. Es gibt im Kosmos der Kommunalpolitik immer die Möglichkeit, auch linke Vorhaben umzusetzen, sofern diese fachlich und sachlich überzeugend sind. Im Unterschied zum Bundestag und zu den Landesparlamenten sind kommunale Räte weitaus offener für wechselnde Mehrheiten jenseits starrer Koalitionen. Diese Mehrheiten von Fall für Fall zu organisieren, ist ein sehr lebendiger und kommunikativer Teil der Ratsarbeit. Ein eigener gelingender Antrag ist immer etwas Besonderes und gibt einem mit Recht das Gefühl, etwas Gutes für das Lokale getan zu haben.

Es ist nicht egal, wer Kommunalpolitik macht!

Wechselnde Mehrheiten dürfen dabei aber gerade nicht inhaltliche Beliebigkeit bedeuten. Die eigene politische Haltung und die eigenen Wertvorstellungen sind der Kompass durch den Ratsalltag und auf den muss man sich, auch bei aller Kompromissbereitschaft, verlassen können.

Das gilt für eine:n selbst, damit man stets weiß, warum und für wen man das Ganze macht. Das gilt aber auch für die Menschen, die eine:n als ihre Vertretung gewählt haben und für die lokale Zivilgesellschaft, deren Schnittstelle ins Rathaus und in die Verwaltung man ist.

Kommunalpolitik ist mehr als das, was in den Räten und Ausschüssen geschieht. Alles, was. Jugendparlamente, Stadtteilforen, Vereine und andere Initiativen tun, hat Einfluss in der Kommune. Doch damit sie ihren Beitrag zur lokalen Demokratie leisten können, brauchen sie verlässliche Partner:innen im Ratssaal: Dass Fördermittel für freie Kulturszene und linke Jugendzentren fließen, entscheidet der Rat. Wie hoch der Elternbeitrag in den Kitas ausfällt, entscheidet der Rat. Ob es ein leistungsfähiges kommunales Wohnungsunternehmen gibt, das für günstige Mieten sorgt, entscheidet der Rat. Und bei all diesen Entscheidungen ist es wichtig, dass linke Postionen Gehör finden – im Rat selbst und von außerhalb des Ratssaales.

Daher ist Linke Kommunalpolitik immer eine Bündnispolitik von Mandatsträger:innen und progressiver Zivilgesellschaft, denn es braucht beide Teile, um ein Ganzes zu formen. Sich aufeinander verlassen zu können, gegenseitig Impulse aufzunehmen und sie in konkretes kommunalpolitisches Handeln zu übersetzen, führt zu Erfolgen. Etwa, dass bei der Ausweisung neuer Baugebiete Mindestquoten für Sozialwohnraum festgelegt werden oder dass mit der Ansiedlung von Genossenschaftsläden, mit denen die grundständige Nahversorgung mit den Dingen des Alltags in die ländlichen Räume zurückkehrt, zugleich auch regionale Produkte im Sortiment geführt werden. Oder dass mit kommunalen Zuschüssen für freiberufliche Hebammen ein konkreter Beitrag zur örtlichen Gesundheitsversorgung geleistet wird.

Soziale Teilhabe ist ein Schlagwort, das alle politischen Ebenen im Munde führen. Linke Kommunalpolitik macht daraus etwas Konkretes, das bei den Menschen ankommt. Für Städte und Gemeinden, die für alle da sind.