Die Linke als antifaschistische Bündnispartei
1. Nüchternheit
Unsere Position ist die eines aufgeklärten sozialistischen Optimismus. Er nährt sich aus einer nüchternen Analyse der Defensive, in der wir uns als demokratische Sozialist:innen befinden, in der aber auch die gesamte Linke und der Linksliberalismus navigieren müssen. Wir können gewinnen, wenn wir uns nicht gefährlichen Illusionen hingeben.
Dazu gehören insbesondere zwei Vorstellungen. Erste Illusion: Eine mögliche Regierung unter AfD-Beteiligung ist eine Fortsetzung des postdemokratischen Neoliberalismus, wie wir ihn kennen – es besteht also keine erhöhte Dringlichkeit. Zweite Illusion: Durch den Schulterschluss aller Demokrat*innen gegen die Postfaschist:innen (allein) können wir diese besiegen.
Wir plädieren vielmehr dafür, als demokratische Sozialist*innen ein breiteres antifaschistisches Bündnis aufzubauen, das die Postfaschist:innen bekämpft und dabei auch mit dem neoliberalen Status quo bricht. Das ist möglich, weil in den Krisen unserer Zeit nicht nur die Postfaschist:innen erstarken, sondern gleichzeitig soziale und demokratische Sehnsüchte und ein ökologisches Dringlichkeitsgefühl gewachsen sind – aller Angriffe zum Trotz. Sehnsüchte, die bisher keinen angemessenen politischen Ausdruck finden.
2. Dringlichkeit
Wir müssen mit dem Beunruhigenden beginnen: Wir befinden uns in einer Zeit der Faschisierung. Der Faschismus wird nicht in einer Art Maskerade als Faschismus der 1920er und 1930er Jahre wiederkehren. Aber es gibt grundlegende wirtschaftliche, soziale und politische Entwicklungen, die einen neuen Faschismus möglich machen. Dazu gehört auch, wie Lia Becker das ausdrückt, eine politisch-strategische Konvergenz zwischen Teilen der Unionsparteien und der AfD – und ihrer Verharmlosung durch andere, etwa das BSW. Die Zukunft ist offen – eine Regierungsbeteiligung der AfD ist aber in den nächsten drei bis vier Jahren denkbar. Mit Regierungsmacht könnten sie den autoritären Umbau des Staates beginnen bzw. fortsetzen. Die Postfaschist:innen würden rechte Ideen und Initiativen in der Gesellschaft fördern und fortschrittliche beschneiden und kriminalisieren. Wie radikal und wie weitgehend das wäre, wissen wir schlicht nicht. Denn das hängt ab von der Skrupellosigkeit und Professionalität der AfD und ihrer zahlreichen Arme, den Entscheidungen anderer politischer Kräfte und den Gegenmobilisierungen. Die Deportationspolitik der Trump-Regierung in den USA, die mit massiver Gewalt durchgesetzt wird, zeigt aber: Es kann schnell gehen. Um das zu erahnen, reicht zum Teil sogar der Blick vor die eigene Haustür.
Wir müssen darum alles tun, die AfD von der politischen Macht fernzuhalten. Dazu gehört insbesondere, die Beteiligung der AfD auf Landesebene an Regierungen zu verhindern. Teile der Union wollen sie, um eine solche Machtoption auch im Bund vorzubereiten. Spätestens 2029, wenn sich die Koalition so lange hält, könnte der Versuch unternommen werden.
Gegen rechte Politik hilft am besten linke. Deshalb ist es für unseren Antifaschismus wichtig, dass wir uns für sozial gerechte Wirtschaftspolitik und gute Sozialpolitik einsetzen. Aber das alleine reicht nicht. Wir müssen auch breitere Solidarnetzwerke gegen die Faschist*innen aufbauen und eine antifaschistische Politik entwickeln, an der sich auch Menschen beteiligen können, die nicht zu unserem Umfeld gehören.
3. Katastrophenzeit
Wir leben in einem katastrophischen Kapitalismus. Die Erderhitzung schreitet voran und eine wirksame Klimapolitik ist nicht in Sicht – geschweige denn eine soziale im Interesse der arbeitenden und erwerbslosen Menschen. Ein stabiles wirtschaftliches Wachstumsmodell gibt es nicht. Wie Mario Candeias zeigt, ist spätestens mit der Ampelkoalition der Versuch einer grünen kapitalistischen Transformation gescheitert.
SPD und Union versuchen gemeinsam die Bedingungen der deutschen Unternehmen in der Weltmarktkonkurrenz zu stärken, setzen weiter auf das Exportmodell Deutschland, ergänzt durch eine stärkere Militarisierung. Diese mag gerechtfertigt werden mit sicherheitspolitischen Erfordernissen, ihr tieferer Grund ist aber in der Zunahme zwischenimperialistischer Spannungen zu finden. Sie bauen Deutschland und die Bundeswehr zu einem Akteur auf, der in die bevorstehenden weltweiten Auseinandersetzungen um Ressourcen und Einflusssphären eingreifen kann.
Natürlich werden wir als Linke dafür kämpfen, dass die beschlossenen Sondervermögen auch für soziale Investitionen genutzt werden sowie für einen vollständigen finanz- und wirtschaftspolitischen Richtungswechsel. Sehr viel wahrscheinlicher ist, dass die Militarisierung jedoch noch zusätzlich auf Kosten sozialer und ökologischer Reformen und Errungenschaften betrieben wird. Wir beobachten das bereits.
Neue Kriege und die Folgen der Erderhitzung werden dazu führen, dass mehr Menschen ihre Heimat verlieren und versuchen, in Europa und dann auch Deutschland überleben zu können – eine Entwicklung, die notgedrungen die Frage immer wieder auf die Tagesordnung setzen wird, ob man hilft oder sich einmauert. Wir sind daher überzeugt, dass alle linken Strategievorschläge, sich nur auf die soziale Frage konzentrieren, im Katastrophenkapitalismus daher zum Scheitern verurteilt sind.
4. Sozialliberaler Imperialismus und radikalisierter Konservativismus
Die Spitzen der SPD und der Grünen reagieren mit der Strategie des sozialliberalen Imperialismus: Möglichst große Teile des Weltmarktes erobern, sicherheits- und militärpolitische Absicherung vorbereiten, auf ein Bündnis zwischen modernen Kapitalfraktionen und Mittelklassen setzend. Sie versuchen dabei, möglichst große Teile der Gewerkschaften an sich zu binden und treten gesellschaftspolitisch für Modernisierung ein. Migrationspolitisch wollen sie nicht dasselbe wie AfD und Union, haben aber praktisch in Regierung die weitere Bekämpfung von Geflüchteten vorangetrieben. Während sie in Worten beklagen, man fände keinen Weg, die unteren sozialen Schichten politisch noch zu erreichen, schaffen und verwalten sie mit ihren Taten Armut und Prekarität.
In der Spitze der Unionsparteien hat sich ein radikalisierter Konservativismus durchgesetzt, der ein imperialistisches Projekt verfolgt, das auf Spaltung nach innen, Stärkung der Unternehmen und Wohlhabenden, rechten Kulturkampf und Hochrüstung setzt, um im globalen Krisenkapitalismus durchsetzungsfähig zu sein.
5. Keine einheitliche reaktionäre Masse
Im Prozess der Faschisierung stehen wir gleichwohl weder „einer reaktionären Masse“ gegenüber, die von der AfD bis zu den Grünen reicht, noch einer Gemeinschaft der Demokrat:innen, zwischen denen alle Widersprüche eingeebnet sind. Wir haben einige angedeutet.
Gleichzeitig fürchten SPD und Grüne eine Regierungsbeteiligung der AfD. Das gilt auch für einen Teil der Funktionäre der Union und ihrer gesellschaftlichen Basis. In der gesellschaftlichen Basis von SPD und Grünen wünschen sich größere Teile darüber hinaus soziale und ökologische Reformen. Und auch im Funktionärskörper gibt es linke Vertreter:innen des Sozialliberalismus, die für eine andere Politik werben.
Auch in der tiefsten Nacht sind nicht alle Katzen grau. Wir müssen versuchen, an Widersprüchen anzusetzen, um mehr Menschen für einen sozialen und ökologischen Antifaschismus zu gewinnen. Das wird nicht schnell gehen – und wird nur dann funktionieren, wenn Die Linke stärker und sich der Aufgabe bewusst wird, selbst – geduldig – an einem breiten sozialen antifaschistischen Bündnis arbeiten zu müssen.
6. Sozialer und ökologischer Antifaschismus
Die Linke muss für eine demokratische, soziale und grüne Revolution werben, einen tiefen Bruch mit dem autoritären Neoliberalismus, der Armut und Not schafft, Militarismus gebiert, eine politische Oligarchie stärkt und der unser aller ökologische Überleben bedroht. Nur um einen starken demokratisch-sozialistischen Pol herum, zu dem nicht nur Die Linke gehören wird, kann wirksamer sozialer und ökologischer Antifaschismus entstehen, der die Wurzeln der Faschisierung ausreißen kann.
Für ihn müssen wir sammeln – nicht in erster Linie auf der Basis unseres eigenen Programms, sondern von Anliegen und Wünschen der Bürgerinnen und Bürger selbst ausgehend. Um größere Teile der Bevölkerung für tiefgreifende sozialökologische und demokratische Reformen zu gewinnen, brauchen wir eine linkspopuläre Strategie für die Vielen. Das bedeutet erstens ein Bündnis fortschrittlicher gesellschaftlicher Kräfte aufzubauen. Zweitens muss der politische Spalt zwischen oben und unten vertieft werden. Drittens sollten Demokratie und Demokratisierung in den Mittelpunkt gestellt werden: Wer bestimmt weshalb über was? Das zu tun heißt auch: Immer wieder die Oligarchisierung des politischen Systems anzugreifen und für das Prinzip „eine Stimme, gleicher Einfluss“ zu kämpfen. Und viertens heißt das, Politik von unten zu entwickeln und zu machen.
7. Antifaschistische Bündnispartei
Die Linke muss an einem realistischen Weg arbeiten, um die weitere Faschisierung zu stoppen und zu verhindern, dass die AfD Regierungsmacht erhält. Wir dürfen dabei nicht auf den Status Quo starren wie das Kaninchen auf die Schlange, sondern müssen versuchen, die politischen Kräfteverhältnisse zu verändern.
Wir müssen dabei in einer 10-Jahresperspektive denken. Wir müssen ein tragfähiges Bündnis gegen den Faschismus aufbauen, unsere Partei muss strategisch handelnde antifaschistische Bündnispartei werden. Die demokratisch-soziale Sammlungsbewegung, an der wir arbeiten müssen, muss Teile der revolutionären Linken, der demokratischen Zivilgesellschaft und von Mitte-Links umfassen. Selbstgenügsamkeit steht uns nicht zu: Wir haben die Aufgabe, Gewerkschafter:innen, Sozialdemokrat:innen, Grüne und Linksliberale und sogar Anhänger:innen der Union – ob Parteimitglieder oder Wähler:innen – für ein solches Bündnis zu gewinnen.
8. Veränderung der Kräfteverhältnisse
Wenn es heute noch nicht die Bedingungen für eine breitere antifaschistische Sammlungsbewegung gibt, die die Postfaschist:innen schlagen und die Ursachen der Faschisierung bekämpfen kann, dann müssen wir diese Bedingungen verändern.
Wir müssen systematisch die politischen Kräfteverhältnisse verschieben und überall da bereits den Schulterschluss organisieren, wo er möglich ist. Möglich ist er, wo das Zusammengehen nicht Menschen den Rechten in die Arme treibt.
Wir schlagen etwas vor, das auf den ersten Blick paradox wirken mag – manche meinen gar, das sei ein Widerspruch, wir meinen das nicht: Harte sozialistische Oppositionspolitik + Veränderung der Kräfteverhältnisse zwischen den Parteien links der Union + auf diese Weise Beeinflussung der Debatten in den Mitte-Linksparteien, in den sie tragenden politischen Milieus und in der Wähler:innenschaft + Entwicklung einer antifaschistischen Politik, die Bündnisse mit sozialen und politischen Kräften ermöglicht, die heute noch nicht mit uns zusammenarbeiten.
Das kann nur eine selbstbewusste Linke schaffen, die den Trennungsstrich gegenüber einer Politik im Interesse der Reichen und Konzerne klar zieht, die ohne Komplexe für ihr sozialistisch-ökologisches Programm kämpft. Wir warnen vor einem sozialistischen Isolationismus, der glaubt, ohne Bündnisse könnten wir gewinnen. Wir gehen noch einen Schritt weiter. Durch eine erfolgreiche antifaschistische Bündnispolitik können wir Mehrheiten für linke Politik gewinnen.
9. Vorbereiten und für das Verbot der AfD sammeln
Es ist sinnvoll, Etappenziele zu formulieren: Bis 2029 stärkste Partei links der CDU werden, systematisch Gesprächsbeziehungen in andere Parteien und Organisationen aufbauen, ausgehend von offensichtlichen Meinungsverschiedenheiten Vertrauensbeziehungen aufbauen, gemeinsam zivilgesellschaftlichen Druck aufbauen, um den eventuellen Versuch der Union zu blockieren, auf Landes- und Bundesebene gemeinsam mit der AfD zu regieren. Zu diesem Druck muss auch die Idee eines antifaschistischen Massenstreiks in Betrieben, Schulen und (Fach-)Hochschulen gehören.
Die Linke sollte im Bündnis zu Kundgebungen für ein AfD-Verfahren aufrufen, dazu lokale Initiativen ergreifen. Sie sollte auf Basis von sozialen und antifaschistischen Übereinstimmungen die Gründung eines Unterstützer:innenbündnisses anregen, das die bundesweite Sammlung von Unterschriften für das Verbot organisiert. Kurz: Dem laufenden juristischen Verbotsverfahren muss Die Linke gemeinsam mit Partnern durch eine gesellschaftliche Druckkampagne Nachdruck verleihen.
10. Kultur, Kultur, Kultur
Unsere Social-Media-Kampagne zur Bundestagswahl hat gezeigt, dass Öffentlichkeitsarbeit an der Schnittstelle von Politik und Kultur Menschen begeistern kann. Zum Teil hatte das auch damit zu tun, dass Kulturschaffende im weiteren Sinne und Influencer:innen für uns Partei ergriffen haben. Daran sollten wir in unserer antifaschistischen Politik anknüpfen.
Wir regen eine kulturpolitische Kampagne an, die sich für das Verbot der AfD einsetzt. Möglich wäre es, die Idee eines Aufrufs für ein soziales, ökologisches und demokratisches Deutschland gemeinsam mit Musiker:innen, Theatermacher:innen, Schauspieler:innen, Schriftsteller:innen, Sportler:innen und vielen mehr zu diskutieren. Es ginge um mehr als ein einzelnes Zeichen oder eintägiges Event, sondern vielmehr um eine auf Monate angelegte Öffentlichkeitsarbeit, in der Künstler:innen und Kulturschaffende nicht nur ihr Gesicht zeigen, sondern sich mit eigenen Beiträgen einbringen.
11. Eine antifaschistische Bürger:innenbewegung
Es geht nicht in erster Linie darum, ein Bündnis von Organisationen aufzubauen, wenngleich das nicht unwichtig ist. Es geht darum eine gesellschaftliche Dynamik zu schaffen, die anregt, die motiviert, die Bürger:innen ermutigt, ihre Anliegen einzubringen und selbst aktiv zu werden.
Politisch geht es um ein Bündnis der Hoffenden, der Wütenden und der Verzweifelten. Das gibt es noch nicht, weil gerade die Wütenden und Verzweifelten sich zu oft verbittert von Politik zurückziehen oder – zum Teil – rechts wählen. Sozial geht es um ein Bündnis zwischen möglichst großen Teilen der sozial und wirtschaftlich Abgehängten, der verunsicherten Mittelschichten der Arbeiter:innenklasse und der fortschrittlichen sozialliberalen Mittelklassen (die in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland zahlenmäßig stark zugenommen haben).
Sicherlich lassen sich Bewegungen nicht am grünen Tisch erfinden. Die Geschichte der sozialen Bewegungen zeigt aber auch, dass beides da sein muss: Eine Stimmung, bzw. die Bereitschaft aktiv zu werden - und Initiativen, einen Funken und einige Ideen, wie eine gemeinsame Bewegung aussehen und wie sie wirksam werden kann. Mit den Correctiv-Recherchen Anfang 2024 und der Brandmauer-Diskussion um Merz Anfang 2025 gab es jeweils Ereignisse, aus denen heraus der Versuch hätte unternommen werden können, eine solche Bürger:innenbewegung aufzubauen. Leider haben wir das versäumt. ´Diese emotionale Momente haben Menschen mobilisiert, sowohl die SPD, als auch Grüne und Die Linke haben viele neue Mitglieder gewonnen. Das deutet zumindest die Potenziale für mehr an. Um in solchen Momenten die Gunst der Stunde nutzen zu können müssen wir geduldig vorarbeiten, soziale Netzwerke und Arbeitszusammenhänge aufbauen und über mögliche Initiativen nachdenken, wie sich eine antifaschistische Bürger:innenbewegung organisieren könnte. Für die Zukunft müssen wir uns besser vorbereiten, um Gelegenheiten beim Schopf zu packen.
12. Für eine soziale antifaschistische Regierung
Der Aufstieg der Postfaschist*innen ist auch eine Folge einer Periode von Niederlagen der Gewerkschaftsbewegung und der sozialistischen Linken in Deutschland. Dazu gehören die Folgen der neoliberalen Politik, die SPD und Grüne in der Vergangenheit gemacht haben. Die Ursachen der Faschisierung können wir nur bekämpfen, wenn wir nicht nur die richtigen Forderungen erheben, sondern sie auch durchsetzen, dafür sorgen, dass Gesetze erlassen werden. Das wird ohne gesellschaftlichen Druck nicht passieren.
Aber das alleine reicht nicht. Teil unserer antifaschistischen Strategie muss daher das Ziel sein, eine linke Regierung zu ermöglichen – eine soziale antifaschistische Regierung mit einer starken Partei Die Linke. Sie könnte (!!!) durch eine breite antifaschistische Bürger:innenbewegung ermöglicht werden. Aber auch umgekehrt gilt: Der Aufbau einer breiteren Bewegung wird dann leichter, wenn die Menschen wissen, dass ihr Engagement sich lohnen kann – es also eine Chance gibt, dass es nicht nur bei Forderungen bleibt. Das schafft Hoffnung. Und es ist an uns und abhängig vom gesellschaftlichen Druck, der geschaffen werden kann, diese Hoffnung zu erfüllen.
Die Losung einer sozialen antifaschistischen Regierung öffnet eine Alternative, die auch in den anderen Parteien, in der Zivilgesellschaft und der radikalen Linken eine Debatte ermöglicht. Und sie zwingt alle, die das nicht wollen – bei SPD und Grünen (und dort gibt es viele, die das nicht wollen) und in der Linken –, die machtpolitische Alternative zu benennen, um gleichzeitig die Faschisierung zu stoppen und eine Alternative zu Schwarz-Blau aufzubauen. Es geht um Doppelmacht: Gestützt auf und getrieben von gesellschaftlicher Macht – von Initiativen, Gewerkschaften, Bewegungen – Staatsmacht ausüben, damit radikale Reformen wie etwa die Enteignung von Deutsche Wohnen möglich werden. Natürlich können Linke in Regierung scheitern, aber das gilt auch für den Versuch einen Betriebsrat zu gründen, eine Mieter;inneninitiative aufzubauen oder ein Bürgerbegehren für ticketlosen Nahverkehr zu gewinnen. Das heißt für uns, aus Fehlern und Misserfolgen zu lernen. Und aus vielem, das uns Linken gelungen ist. Wohlgemerkt: Die Ausrichtung der SPD unter Klingbeil und ihre Regierungspolitik einerseits, die geringe Verständigung über ein solches Projekt in der gesellschaftlichen Linken andererseits machen auch klar: 2029 wäre das so nicht zu machen. Aber auch das ist eine Botschaft: Wir wollen eine soziale antifaschistische Regierung, für die Fortschrittliche in den anderen Parteien für Mehrheiten sorgen müssen.
13. Bis dahin: Praktischer sozialer Antifaschismus
Wir müssen nicht abwarten, sondern loslegen.
1) Durch eine Öffentlichkeitsarbeit, die den Kampf gegen die AfD noch deutlicher mit dem Kampf für soziale Gleichheit und Gerechtigkeit verbindet und gegen die Macht des großen Geldes – in jedem Fall aber den antifaschistischen Kampf in den Fokus rückt.
2) Indem wir gezielte Organisierungskampagnen in Stadtteilen und Regionen mit hohen AfD-Stimmanteilen machen, in denen wir eine große Zahl von Schwankenden und Protestwähler:innen unter den AfD-Anhänger:innen vermuten. Das wird vermutlich nur durch einen Kampagnenansatz gehen, bei dem Linke Hilft-Angebote, soziale Aktivitäten und organisierende Politik zusammengedacht werden.
3) Indem wir uns selbst ernstnehmen in unserem Anspruch, eine moderne Arbeiter:innenpartei zu sein. Knapp 30 Prozent der Bevölkerung haben eine Einwanderungsgeschichte, je weiter man in der Klassengesellschaft nach unten steigt, um so mehr sind es. Praktischer Antifaschismus heißt auch: den „migrantischen“ Arbeiter:innen eine politische Heimat werden und uns als Partei so verändern, dass das möglich ist. Antirassismus gehört ins Zentrum unserer antifaschistischen Klassenpolitik.
4) Indem wir unserem Anspruch, feministische Partei zu sein, gerecht werden. Für das reaktionäre Weltbild der AfD und ihrer Anhänger:innen sind ein überkommenes Männlichkeitsideal, sind Antifeminismus und Queerfeindlichkeit fundamental. Die Ideologie des Kampfes gegen die gefühlte „Entmannung“ der Gesellschaft macht die Postfaschist:innen anschlussfähig. Sie beziehen sich dabei auf Veränderungen, die von ihrer vorrangig männlichen Zielgruppe unmittelbar nachempfunden werden können: die Transformation vom herrschenden Geschlecht zu nur noch einem unter anderen in einem nicht mehr binären Umfeld. Unsere Partei muss anschaulich und erfahrbar machen, dass Erwerbs-, Care-, politische und ehrenamtliche Arbeit Bestandteile jedes Lebens gleichermaßen sind. Dass eine Diskussionskultur und politische Praxis jenseits stereotypen Mackertums nicht allein, aber vor allem FLINTA ermächtigen. Und dass die Überwindung patriarchaler Strukturen einen Gewinn für alle Geschlechter bedeutet.
Alerta!