Um die Klimakatastrophe aufzuhalten, müssen wir ins Herz der Bestie.

Zu den Ergebnissen des Weltklimagipfels in Ägypten und Konsequenzen

SHARM EL-SHEIKH

Coca-Cola war Sponsor des Weltklimagipfels in Ägypten. Der Konzern, der mit zu den größten Plastikmüllverursachern gehört. Menschenrechtsverletzungen, Morde an Gewerkschaftern in Kolumbien und anderswo, Umweltzerstörung – all das nimmt man beim Genuss der braunen Brause in Kauf. Irgendwie passt das zu al-Sisis Folterstaat, dessen Verbrechen von einigen eifrigen NGOs immer wieder am Rande der COP ins Licht der Öffentlichkeit geholt wurden. Doch die Konferenz musste weitergehen – business as usual.

Festival der fossilen Energien

Neu ist diese Form der Konferenzfinanzierung nicht, Greenwashing gehört zur DNA der COPs: 2017 war neben BMW und Vattenfall der Brausehersteller ebenfalls mit an Bord. Besonders dreist das Sponsoring beim Klimagipfel in Polen 2018: Nicht nur gaben die polnischen Kohle- und Gaskonzerne Geld und präsentierten sich vor Ort mit den größten Ständen. Es gab auch Seifen, Ketten und Ohrringe aus Kohle zu kaufen, und die polnische Delegation präsentierte polnische Kohle als besonders sauber und als Beitrag zum Klimaschutz.

Der diesjährige Klimagipfel wurde von einigen Umweltverbänden als „Festival der fossilen Energien“ kritisiert. Weit über 600 Vertreter*innen von fossilen Konzernen wie Shell, Chevron oder Gazprom waren vor Ort, um lukrative Öl- und Gasdeals einzufädeln oder Lobbyarbeit zu betreiben. Damit waren sie zahlreicher vertreten als alle zehn Delegationen der am stärksten von der Klimakrise betroffenen Staaten zusammen.

Fossile Shoppingtour im Angesicht der Klimakrise

Die Ergebnisse des Gipfels sind denn auch durchwachsen: Zwar wird das Ziel, die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen, bekräftigt, doch außer dem Ausstieg aus der Kohleverstromung kein Wort zu Öl oder Gas. Wie auch, läuft doch der Ausbau fossiler Gasinfrastruktur auf Hochtouren. Kurz nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine war Kanzler Scholz in den Senegal gereist, um den Ausbau der Gasinfrastruktur voranzutreiben – für den Export in die EU. Dabei kippte er gleich noch das Versprechen vom Vorjahresgipfel in Glasgow über Bord, zum Jahresende die internationale Finanzierung von fossiler Infrastruktur einzustellen. Gemeinsam mit Wirtschaftsminister Habeck ist er seitdem auf fossiler Shoppingtour, vornehmlich in autoritären Regimes.

In seiner Rede in Sharm El-Sheikh betonte Scholz, Deutschland werde seine Klimaziele einhalten. Dabei hatte der Expertenrat der Bundesregierung seiner Auftraggeberin just in dieser Woche ins Stammbuch geschrieben, sie müsse ihre Anstrengungen verdoppeln, wenn sie ihre Klimaziele fürs Jahr 2030 erreichen wolle. Im Verkehrsbereich brauche es sogar das 14fache Tempo im Vergleich zum Ist-Zustand. Die Versprechen des deutschen Bundeskanzlers standen denn auch exemplarisch für die Statements der Staatenlenker der Industriestaaten: beschwichtigen, abwiegeln, beschönigen.

Die Industriestaaten weisen Verantwortung für Verluste und Schäden im globalen Süden von sich

Noch in Glasgow, beim letzten Weltklimagipfel, hatten die Industriestaaten, darunter Deutschland, sich geweigert, einem verbindlichen Finanzierungsmechanismus zuzustimmen, den 77 Staaten des globalen Südens gefordert hatten. Eine dürre Formulierung, dazu einen „Glasgow-Dialog“ zu führen, war der Minimalkompromiss. Vor der COP 27 in Ägypten hatten nun die Staaten, die bereits jetzt am stärksten unter den Klimafolgen leiden, aber am wenigsten zur Erderhitzung beitragen, eingefordert, die Verhandlungen zu „Loss and Damage“ auf die Agenda des diesjährigen Weltklimagipfels zu setzen. Unter dem Hinweis, dass dies keinerlei Eingeständnis für Verantwortlichkeiten oder Schuld, stimmten schließlich die Hauptverursacher der Klimakrise zähneknirschend Verhandlungen über „Loss and Damage“ zu. Nicht zuletzt sicher auch, weil die Chefunterhändler*innen der sogenannten G77 (die Antwort des globalen Südens auf die G7) durchblicken ließen, ansonsten den Gipfel zu keinem erfolgreichen Abschluss kommen zu lassen.

So kann es als kleiner Erfolg gewertet werden, dass es inzwischen endlich einen Fonds geben soll für die am stärksten von Klimakatastrophen heimgesuchten Staaten. Allerdings geht aus der Abschlusserklärung weder hervor, welche Staaten sich an der Finanzierung beteiligen werden, noch welche Beiträge eingezahlt werden sollen. Ein aktueller Bericht schätzt die notwendige Summe für den Kampf gegen die Klimakrise im globalen Süden – Klimaanpassung und „Loss and Damage“ – auf 2,4 Billionen Euro pro Jahr. Dass die reichsten Industriestaaten es noch immer nicht hinbekommen haben, 100 Milliarden Dollar jährlich für Klimaanpassung im globalen Süden bereitzustellen, lässt erahnen, was für ein Kampf es wird, eine halbwegs ausreichende Finanzierung von „Schäden und Verlusten“ zu gewährleisten. Dass die Industriestaaten es auch zum Abschluss des Klimagipfels ablehnten, eine Schuld an den verheerenden Folgen der Klimakrise für den globalen Süden einzugestehen, rundet das Bild ab.

Gustavo Petro: Die Krise kann nicht mit den Mitteln gestoppt werden, die sie hervorgebracht haben

Das Kontrastprogramm dazu boten die Staatschefs aus dem globalen Süden. So berichtete der Vertreter Kenias in erschütternden Worten vom katastrophalen Hunger und massenhaften Viehsterben in Folge der derzeitigen historischen Dürre, das Spiegelbild etwa zu Pakistan oder Bangladesch, wo Millionen von Menschen durch Überschwemmungen von der Außenwelt abgeschnitten sind. Gustavo Petro, neu gewählter Präsident Kolumbiens, mahnte, die Klimakrise könne nicht mit den Mechanismen gestoppt werden, die sie hervorgebracht haben: Der Markt sei ein denkbar schlechter Ratgeber für globale Klimagerechtigkeit. Es brauche Entschuldung des globalen Südens, gerechte und ernsthafte Finanzierung von Klimawandelfolgen und eine Neuverhandlung weltweiter Handelsverträge, die nicht allein auf ausbeuterischen Prinzipien beruhten, sondern die Erderhitzung permanent antreiben würden.

Die Klimakrise ist keine Gleichmacherin, sondern verstärkt Ungleichheit

So geht es nicht erst seit ein oder zwei Weltklimagipfeln, das ist das Bewegungsgesetz der COPs: Die kleinen Inselstaaten, denen das Wasser buchstäblich bis zum Hals steht, und die Vertreter*innen des globalen Südens berichten Statement für Statement von den alltäglichen Schäden und Verlusten, von der Dringlichkeit des Handelns. Die Vertreter*innen der reichen Staaten, egal ob Merkel, Scholz, Macron, Obama oder Biden erwecken den Eindruck, alles unter Kontrolle zu haben, schon irgendwie das Kind schaukeln zu können, und wiegeln ab, wenn es um die berechtigten Ansprüche der Staaten geht, deren Gegenwart das zeigt, was auf die Menschheit auf Ganzes zurollt – abgesehen vielleicht von den Milliardären, die sich irgendwann von Elon Musk auf den Mars schießen lassen.

Anlässlich des Klimagipfels in Scharm El-Scheich hatte die Entwicklungsorganisation Oxfam darauf hingewiesen, dass bspw. 125 Milliardäre soviel CO₂-Ausstoß erzeugten, wie ganz Frankreich, ein durchschnittlicher Milliardär so viel wie 1 Million Menschen. Die Klimakrise ist eben keine Gleichmacherin, sie verstärkt globale Ungleichheit. Den globalen Süden weiter mit Almosen abzuspeisen, während die Industriestaaten ihrem auf ständigem Wachstum basierenden Kapitalismus ein grünes Mäntelchen stricken, mag die Profite der großen Konzerne und die Vermögen der Superreichen absichern. Doch auf dem „Highway in die Klimahölle“ (UN-Generalsekretär Guterres) rast irgendwann jeder in den Abgrund.

Es hilft nichts, wir müssen ins Herz der Bestie

Das Pariser Klimaabkommen war ein grandioser Erfolg der internationalen Klimadiplomatie. Aber es hätte der Auftakt sein müssen für entschiedenes und konzertiertes Handeln aller Staaten. Stattdessen steigen die Emissionen Jahr für Jahr ungebrochen. In ein paar Jahren wird das Ziel der Begrenzung der Erderhitzung auf 1,5 Grad Makulatur sein, Inselstaaten versinken im Meer, Staaten des globalen Südens leiden unter katastrophalen Dürren und Überschwemmungen und das Geschäft der fossilen Konzerne läuft bombig. Klimadiplomatie kann dann zum Erfolg führen, wenn es in den einzelnen Staaten der Weltgemeinschaft Bewegung gibt, wenn es nicht das Geschäft mit den Lebensgrundlagen der Menschheit nicht mehr einträglich ist. Dann könnten die eindringlichen Worte des UNO-Generalsekretärs auf fruchtbaren Boden fallen.

Die Bestie, die dabei ist, unsere Zivilisation zu fressen, heißt Kapitalismus. Ihr Herz sind die auf Ausbeutung von Natur und Menschen angewiesenen Industriestaaten mit ihren Konzernen, Banken und Superreichen. Der Profit ist das Blut, das durch seine Adern gepumpt wird. Wer die Klimakatastrophe stoppen will, muss ins Herz der Bestie. Der Feind steht im eigenen Land, gilt auch für die Klimakrise.