Kommentar

Wenn ein kalter Winter droht, muss ein heißer Herbst die Antwort sein!

Wirtschaftsminister Habeck rät zum weniger Duschen. Derweil wird der vorläufige 2. Quartalsgewinn des Chemie- und Gaskonzerns BASF auf über 2 Milliarden geschätzt. Große Immobilienkonzern kündigen an, die Heizungen für ihre Mietenden zu drosseln während Mietsteigerungen dazu führen, dass 2-bis-3 Zimmer-Wohnungen in Großstädten 1500 bis 2000 Euro kosten. Kein Wunder, dass der Umsatz von Vonovia im vergangenen Jahr um 6,3 Prozent auf 4,37 Milliarden Euro gestiegen ist. Neben Stromkosten steigen auch die Lebensmittelpreise im Schnitt um fast 50 Prozent. Der Chef der Arbeitgeberlobby der Industrie, kurz BDI, sprach sich jüngst für eine 42-Stundenwoche aus - bei gleichzeitigem Lohnverzicht. Während wir uns also mehr für die Wirtschaft aufopfern sollen, hat laut Paritätischem Armutsbericht 2022 die Armut in Deutschland mit einer Armutsquote von 16,6 Prozent im zweiten Pandemie-Jahr (2021) einen traurigen neuen Höchststand erreicht. 13,8 Millionen Menschen müssen demnach hierzulande derzeit zu den Armen gerechnet werden, 600.000 mehr als vor der Pandemie. Der Paritätische Wohlfahrtsverband rechnet angesichts der aktuellen Inflation mit einer weiteren Verschärfung der Lage und appelliert an die Bundesregierung, umgehend ein weiteres Entlastungspaket auf den Weg zu bringen.

Die FDP geführte Bundesregierung pocht derweil weiter auf die Schuldenbremse; eine angemessene Erhöhung des Mindestlohns oder gar eine Anhebung der Hartz4 (mindestens) als Ausgleich auf die Inflation soll es nicht geben; nicht mal als reinen Ausgleich der Inflation. Lindner sieht zudem keine Übergewinne bei Öl-, Gas- oder gar Rüstungskonzernen und leugnet damit die Realität. Von Lindners Plänen, Steuerentlastungen über die kalte Progression vorzunehmen, würden vor allem Reiche entlastet, Ärmere hingegen so gut wie gar nicht. Der Rest der Regierung? Die Grünen sind vor allem damit beschäftigt ihren Bellizismus zu frönen. Aber sowohl im Ausland, etwa beim Schweigen zu Frontex, Assange oder Nordsyrien, als auch hierzulande, beim Predigen vom nationalen Zusammenhalt durch gemeinsamen Verzicht, zeigt sich die grüne Doppelmoral. Während eine kleine Gruppe an Großkonzernen von der Krise profitiert, drohen dem Großteil der Bevölkerung Strom- und Gassperren, wenn sie bald nicht mehr zahlen können. Mal ganz zu schweigen von den 100 Mrd. für die Bundeswehr, die man in soziale Programme hätte stecken können. Ach und die SPD? Sie macht das, was sie am besten kann - klein beigeben.

Das Geschwätz über Verzicht des Einzelnen, deutschen Zusammenhalt und vermeidliche Moral soll vor allem über die eigentlichen Verhältnisse hinwegtäuschen. In Krisenzeiten nimmt der Klassenkampf zu und nicht ab. Es gibt kein „Wir“ zwischen der arbeitenden Bevölkerung und multimilliarden-schweren Großkonzernen. Es ist keine Tugend in Zeiten von Krisengewinnern, genügsam zu sein. Es hat nichts mit Moral zu tun, mit dem Zeigefinger nur auf andere zu zeigen und sich selbst gegenüber beliebig zu bleiben. Es wird viel geheuchelt dieser Tage; Frust ist dagegen kein guter Ratgeber. Erst recht nicht, wenn etwas anderes möglich ist. Von einer Übergewinnsteuer ließen sich soziale Entlastungen für die Mehrheit finanzieren; von weiteren Vermögenssteuern sogar soziale Investitionen z.B. der Ausbau des Nahverkehrs, Schulen und Gesundheitseinrichtungen. Eine Erhöhung der Löhne sowie der Hartz4 Regelsätze helfen nicht nur Millionen von Menschen, es würde auch durch die wachsende Kaufkraft die Wirtschaft stabilisieren und Arbeitsplätze sichern. Eine Enteignung großer Energie- und Immobilienkonzernen (bei der Gelegenheit auch gerne die Rüstungsindustrie) würde uns vor einem Missbrauch der steigenden Preise schützen und zudem noch mehr demokratische Mitbestimmung über unseren so dringend benötigten Umbau unserer Gesellschaft hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit sowie Klimaneutralität führen.

Durch das Verhalten Einzelner oder die gemeinsame Wut auf die Regierung alleine wird sich das nicht erreichen lassen. Es braucht Menschen, die sich zusammenschließen vorangehen. DIE LINKE ist nach ihrem Grundsatzprogramm eine solche Kraft: „Wir wollen dazu beitragen, dass aus passivem Unmut aktive Gegenwehr wird. Wir setzen Lohndumping, Sozialraub und dem Ausverkauf öffentlichen Eigentums Widerstand entgegen. Wir wollen die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse verändern und ringen um eine andere Politik. Demokratie, Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Internationalismus und Solidarität gehören zu unseren grundlegenden Werten. Sie sind untrennbar mit Frieden, Bewahrung der Natur und Emanzipation verbunden. Wir kämpfen für einen Systemwechsel, weil der Kapitalismus, der auf Ungleichheit, Ausbeutung, Expansion und Konkurrenz beruht, mit diesen Zielen unvereinbar ist.“ Dafür müssen wir auch praktisch Partei ergreifen und das Bündnis mit weiteren Teilen der Zivilgesellschaft suchen. Dazu braucht es Mut, ein neues Niveau der Zusammenarbeit und vor allem Angriffslust auf den eigentlichen Gegner. Mit Blick auf die gesellschaftlichen Herausforderungen steht einiges auf dem Spiel. Mit Blick auf die absurden sowie unverdienten Profite einiger Weniger gibt es einiges zu gewinnen. Die Ankündigung der Regierung, sich auf einen kalten Winter einzustellen, muss mit einem heißen Herbst beantwortet werden.