Kinotipp

„Wunderschön“

In „Wunderschön“, der dritten Regie-Arbeit von Karoline Herfurth, geht es um Frauen, das Bild von ihren Körpern in der Öffentlichkeit und im Verhältnis zu sich selbst. Gibt es Idealbilder, sollte man ihnen nacheifern, geht das überhaupt?

Die Regisseurin, selbst in der Hauptrolle als junge zweifache Mutter Sonja, und ihre vier Mitstreiterinnen gehen hier aufs Ganze und beweisen richtig Mut. Herfurth selbst hat sich mindestens zehn Kilo Speck angefressen, der einfach nicht in die alte Jeans passen will. Emilia Schüle spielt ihre Schwägerin Julie, die Model ist. Sie hat sich dafür dasselbe Gewicht runter gehungert. Was sie isst, erbricht sie – viel ist es nicht, was sie zu sich nimmt und es hat meist Pulverform.

Die Tochter ihrer Agenturchefin Leyla (Dilara Aylin Ziem) geht als schwergewichtige Schülerin zum Baseball. Ein Spiel, das ihr abgehauener und daher umso mehr präsenter amerikanischer Vater als Profi gespielt hat. Die Vorlieben der fülligen Tochter bringen die sitzengelassene Mutter, gespielt von der wiederum extrem schlanken Melika Foroutan, schier zum Wahnsinn im Hass auf den Ex.

Auch Frauke (Martina Gedeck) ist mit dem Körper unzufrieden, allerdings mit dem ihres Mannes Wolf (Joachim Król). Die Anfang Sechzigjährigen versuchen es mit einem Tangokurs, aber nur Frauke kommt dabei in die Gänge - mit dem Tango-Lehrer. Bald geht sie allein zum Kurs, ein kurzer Kuss stürzt sie in arge Zweifel über ihre langjährige Ehe.

Und da wäre noch Vicky (Nora Tschirner), Sonjas beste Freundin, die herumläuft wie in den fünfziger Jahren, eine Affäre mit dem neuen Sportlehrer ihrer Schule beginnt und ansonsten eine recht indifferente Rolle einnimmt.

Schönheitsoperationen, exzessiver Sport, Hungern – „Wunderschön“ nimmt sich den Wahn der Oberflächenperfektion vor. Der Vergleich mit Nachbarinnen, Freundinnen und Kolleginnen ist bitter real. Und geht es denen nicht wirklich besser, sind sie nicht schöner und schlanker? Dieser Film lebt von diesem vermeintlichen Gefälle. Und er hätte ein Meisterstück werden können, mit Filmen wie „Titane“, „Joker“ oder „Black Swan“ und anderen Werken, die Körperlichkeit extrem in Szene setzen, in einer Liga spielen.

Leider tut er es nicht. Denn erstens vertraut der Film kaum auf seine Darstellerinnen, die oft genug wirken, als seien sie nur zum Drehbuchaufsagen gekommen. Eine furchtbare Filmmusik sorgt für weitere schlimme Momente – es vergehen kaum fünf Minuten, bis ein sehr gewöhnlicher Filmscore die Szenerie untermalt und einen zum Schmunzeln auffordern will.

Am deprimierendsten ist aber: „Wunderschön“ soll eine Komödie sein, wie sie zuhauf in Deutschland produziert werden. Und das passt oft nicht: Wo Verzweiflung ist, soll bitte gelacht werden. Wo Härte extrapoliert werden müsste, gibt es schlecht gespieltes Geknutsche und Beziehungsgelaber. Wo Kampf sein müsste, ist Albernheit.

An vielen Stellen hat der Film auch Probleme mit der Wirklichkeit. Dass man in über zwei Stunden fast nichts über Sonjas Beruf erfährt, aus dem sie angeblich wegen ihrer Schwangerschaft geflogen sein will, zeigt ein herbes Desinteresse an den Figuren. Wie schade.

Wunderschön“. D 2022. Regie: Karoline Herfurth, Darsteller: Karoline Herfurth, Emilia Schüle u.a. Kinostart: 3. Februar 2022