Afghanistan

Linke Außenpolitik heißt Menschenleben retten

Warum DIE LINKE sich beim Bundeswehreinsatz in Afghanistan enthalten hat

Die Linksfraktion im Bundestag hat sich von Anfang an dafür ausgesprochen, Menschen aus Afghanistan zu evakuieren. Im Juni hat sie, wie auch die Grünen einen Antrag eingereicht, in dem sie die schnelle unbürokratische Evakuierung von Ortskräften forderte. Der Antrag war mehrheitlich im Bundestag abgelehnt worden. Stattdessen hat sich die Bundesregierung aus SPD und CDU in ihrer Einschätzung zur Lage vor Ort völlig vertan und damit zahlreiche Menschenleben aufs Spiel gesetzt. Nicht zuletzt das der Bundeswehrsoldaten selbst, für die das ad hoc durchgeführte Evakuierungsmanöver deutlich riskanter war, als es eine frühzeitige Evakuierung gewesen wäre.

Dass mit dem Abzug der Bundeswehr auch Ortskräfte ausgeflogen werden müssen, um sie vor den Taliban zu schützen, ist seit Längerem bekannt. Doch seit Monaten hat die Bundesregierung versucht, die Zahlen derer, die Anspruch auf ein Visum hätten, herunterzurechnen,

  • indem sie sich zum Beispiel geweigert hat, volljährige Kinder von Ortskräften mit aufzunehmen,
  • indem sie Personen ausgeschlossen hat, die vor einem bestimmten Stichtag für die Bundeswehr gearbeitet haben,
  •  indem sie Personen ausgeschlossen hat, die in Subunternehmen für die Bundeswehr tätig waren.

Auch die Familienzusammenführung wird seit Jahren verschleppt. Viele in Deutschland lebende Afghan:innen mit Aufenthaltsstatus müssen nun um die Sicherheit ihrer Familien bangen, weil deren Anträge nicht rechtzeitig bearbeitet wurden. Trotz der sich verschlechternden Lage gab es weiter Abschiebungen nach Afghanistan. Vor diesem Hintergrund muss sich Bundesregierung, die Frage gefallen lassen muss, wie wichtig ihnen Menschenleben sind. Durch das Versagen dieser Regierung in den vergangenen Monaten sind zahlreiche Menschen in Gefahr, die hätten gerettet werden können.

Katastrophe mit Ansage

Auch wenn die rasche Einnahme von Kabul durch die Taliban für viele überraschend kam, deren Vorrücken war es nicht. Seit Monaten konnten sie Provinz für Provinz gewinnen, dabei Waffen erbeuten und ihre Reihen mit weiteren Anhängern füllen. Als sich 2001 die rot-grüne Koalition unter Gerhard Schröder für den Einsatz aussprach, ging es ihnen um Bündnistreue im sogenannten „Kampf gegen den Terrorismus“, der mit den Anschlägen vom 11. September die ganze Welt tief erschüttert hatte. Doch schon da warnte der Linken*-Politiker Roland Claus: „Der Krieg ist und bleibt ein untaugliches Mittel im Kampf gegen den Terror.“ und: „ Mit dem heutigen Beschluss sind wir auf dem Weg in ein unkalkuliertes militärisches Abenteuer.“ Immer wieder hat die PDS, dann Die LINKE den Bundeswehreinsatz kritisiert und auf die Fehlentwicklungen hingewiesen, denn Demokratie und Frieden lassen sich nicht herbeibomben. Dennoch haben auch die folgenden Regierungen immer wieder an dem Mandat festgehalten und insgesamt und 12,5 Milliarden Euro dafür ausgegeben. 59 Bundeswehrsoldaten fanden dabei den Tod, tausende getötete NATO-Soldaten, zigtausende afghanische Sicherheitskräfte, und zigtausende tote Zivilisten sind die bittere Bilanz. Vor allen in den abgelegenen Provinzen, wo kaum noch Hilfe, Versorgung und Equipment ankamen, wo der Frust über die korrupte Regierung besonders groß war, mangelte es an Ausrüstung, Munition und vor allem Motivation. Die Taliban hatten hier leichtes Spiel wieder Fuß zufassen. Und nun fielen ihnen nicht nur hundert tausende Maschinengewehre, sondern auch mehrere tausend gepanzerte Fahrzeuge, sowie Helikopter, Flugzeuge und vieles mehr in die Hände.

Schon im Juni 2019 hatte die afghanische Regierung über nur noch knapp der Hälfte der Regionen die Kontrolle. Das immer schnellere Voranschreiten der Taliban wurde vor Monaten schon thematisiert. Die Bundesregierung hätte sich auf den worst case vorbereiten können und müssen. Warum so spät erst gehandelt und die Lage vor Ort so falsch eingeschätzt wurde, muss unbedingt aufgearbeitet werden.

Evakuierung als letztes Mittel

Letztlich blieb nach der Einnahme Kabuls keine andere Möglichkeit, als Evakuierungen über den Flughafen unterstützt von der US-Armee und mit Hilfe der Bundeswehr vorzunehmen. Die LINKE hat sich ihre Entscheidung zum Evakuierungsmandat nicht leicht gemacht. Doch jetzt mit dem Finger auf sie zu zeigen ist ein Ablenkungsmanöver, mit dem die schweren Fehler der Regierung im Vorfeld verschleiert werden sollen. Die Evakuierung wurde von der LINKEn nicht abgelehnt, ging es doch darum noch so viele Menschen wie möglich zu retten. Dennoch gab es Bedenken zu einzelnen Passagen im Antrag der Bundesregierung. So heißt es in der Auftragsbeschreibung: „Durchführung einer militärischen Evakuierung deutscher Staatsangehöriger, von Personal der internationalen Gemeinschaft sowie weiterer designierter Personenaus Afghanistan“. Wie bereits beschrieben wurde seit Monaten die Zahl der visaberechtigten Ortskräfte durch bürokratische Hürden klein gehalten, viele weitere bedrohte Personengruppen, wie Menschenrechtsaktivist:innen, Journalist:innen, Frauenrechtler:innen oder LGBTQ, fanden keine Berücksichtigung. Daher kam auch der Parteivorstand in seiner Debatte zum Evakuierungsmandat zu dem Schluss, dass aus linker Sicht eine Zustimmung nur in Betracht käme, wenn „alle Ortskräfte und alle Menschenrechtsaktivisten*innen gleichberechtigt mit gerettet werden“.

Zustimmung unmöglich

Auch die Mittel des Mandats waren nicht genauer eingeschränkt, sondern es war sehr allgemein vom Einsatz militärischer Gewalt die Rede. Somit war auch ein gewaltsames Vorgehen gegen Zivilist:innen nicht ausgeschlossen. Angesichts der chaotischen Zustände am Flughafen und den Berichten von Schüssen seitens des US-Militärs auf Zivilist:innen eine realistische Annahme. Daher konnte die Linksfraktion dem Antrag der Regierung nicht vorbehaltlos zustimmen. Die Enthaltung wurde zunächst im Parteivorstand diskutiert und der Fraktion empfohlen, die sich ihrerseits mehrheitlich daran orientierte.

Die Evakuierung ist nun beendet, gerade einmal 138 Ortskräfte mit ihren Familien konnten ausgeflogen werden. Tausende Betroffene sind noch im Land und verstecken sich vor den Taliban oder versuchen verzweifelt in eines der Nachbarländer zu entkommen. Sie brauchen jetzt konkrete Hilfe: schnelle unbürokratische Visavergabe, bzw. die Möglichkeit zur visafreien Einreise, Aufnahmeprogramme in den Bundesländern, wie es z.B. Berlin gerade eingerichtet hat für alle (!) Verfolgten und deren Angehörige, Einrichtung sicherer Fluchtwege, Abschiebestopp und Bleiberechtsregelungen.