Brüssel intern

Eine Friedensnobelpreisträgerin rüstet auf

Europäische Integration? Slowenische Soldaten auf einem deutschen Übungsplatz

Über viele Jahre fehlte der Europäischen Union ein zentrales Merkmal einer Militärmacht: ein Rüstungshaushalt. Dieses "Manko" hat sich mit dem neuen EU-Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027 nun aber leider erledigt. Dies war lange nicht möglich, weil der EU-Vertrag (Artikel 41.2) es eigentlich verbietet, Ausgaben für militärische Belange aus dem EU-Haushalt zu bestreiten und Großbritannien lange auf einer Einhaltung dieses Passus bestand, weil es gegenüber jedweder Stärkung der EU-Ebene skeptisch eingestellt war.

Brexit machte den Weg frei

Durch das britische Austrittsreferendum im Juni 2016 war aber der Weg in Richtung europäischer Militärhaushalt(e) frei, der dann auch zielstrebig beschritten wurde. Nachdem erste Versuchsballons bereits 2018 gestartet wurden, finden sich im neuen EU-Haushalt nun erstmals in der Geschichte der Europäischen Union gleich mehrere Militärhaushalte. Im Zeitraum zwischen 2021 und 2027 stehen fast 1,7 Milliarden Euro für die "Militärische Mobilität" zur Verfügung, mit der die Infrastruktur für die schnelle Verlegung von militärischen Gütern und Soldat:innen insbesondere Richtung Russland beschleunigt werden soll.

Ein besonders dicker Batzen sind die militärisch relevanten EU-Weltraumprogramme (v.a. Galileo und Copernicus), die mit fast 14,9 Milliarden Euro zu Buche schlagen. Kronjuwel der neuen Budgets soll der Europäische Verteidigungsfonds (EVF) werden. Über ihn soll die Herausbildung eines europäischen Rüstungskomplexes gefördert werden, indem er länderübergreifende Rüstungsprojekte mit insgesamt rund 8 Milliarden Euro subventioniert.

LINKE klagt gegen "Taschenspielertricks"

Wie erwähnt, besagt der EU-Vertrag in Artikel 41 (2), dass „Maßnahmen mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen“ nicht „zulasten des Haushalts der Union“ gehen dürfen. Aus diesem Grund bedient sich die EU-Kommission eines Taschenspielertricks, indem sie behauptet, beim Verteidigungsfonds gehe es nicht primär um Rüstungs-, sondern um Industriepolitik, die ja schließlich aus dem EU-Haushalt gefördert werden dürfe. Gegen diese abwegige Konstruktion hat die Linksfraktion im Bundestag in Kooperation mit der LINKEN im Europaparlament nun in Karlsruhe eine Organklage eingereicht, man darf gespannt sein, wie sich die Richter in dieser eigentlich völlig eindeutigen Angelegenheit verhalten werden.

Schließlich wurde eigens eine neue EU-Generaldirektion Verteidigungsindustrie und Weltraum ins Leben gerufen. Deren Chef, Industriekommissar Thierry Breton, stellte klar: „Es geht einfach darum, Europa auf dem geostrategischen Schachbrett der Welt zu behaupten. […] In dieser Hinsicht ist der Europäische Verteidigungsfonds das Instrument, das Europa in die Lage versetzt, […] die von den Mitgliedstaaten benötigten Fähigkeiten bereitzustellen.“ Dazu muss erwähnt werden, dass Breton zuvor CEO der Firma Atos war, die sich vor allem auch mit der Entwicklung von disruptiven Technologien befasst - einer der Schwerpunkte des jetzigen Verteidigungsfonds.

Künftig soll es auch EU-Militäreinsätze geben

Bislang haben allerdings selbst die allergrößten Rechtsverdreher in Brüssel noch keine Rechtfertigung gefunden, um EU-Militäreinsätze und die Lieferung von Waffen an Drittstaaten direkt aus dem EU-Haushalt zu finanzieren. Hier springt nun mit der seit März 2021 existierenden "Europäischen Friedensfazilität" ein besonders abenteuerliches Konstrukt in die Bresche. Aufgrund der rechtlichen Hürden ist sie als sogenanntes "haushaltsexternes Instrument" außerhalb des EU-Haushaltes angesiedelt, soll aber dennoch künftig EU-Militäreinsätze und Waffenlieferungen im Rahmen von EU-Einsätzen von 2021 bis 2027 mit insgesamt 5,7 Mrd. Euro finanzieren. Umstritten war dabei lange lediglich, ob darüber auch letale Waffen, die auf der EU-Militärgüterliste stehen, bezahlt werden können – selbst dies ist nun über diesen Fonds möglich.

Die Friedensfazilität hat im Übrigen den weiteren "Vorteil", dass sie der Kontrolle des Europäischen Parlamentes weitgehend entzogen ist. Fassungslos fragte ARD-Moderator Georg Restle: "Die sogenannte Friedensorganisation EU soll jetzt zum internationalen Waffenlieferanten aufsteigen. So etwas nennt man dann wohl ‚Paradigmenwechsel‘. […] Nicht zu vergessen, 2012 hat die Europäische Union den Friedensnobelpreis bekommen – wofür eigentlich?"