Vorschlag für einen Impfsommer

Viele wollen sich nicht impfen lassen

Die Impfkampagne läuft mehr als schleppend. Obwohl es gerade genug Impfstoff in der Bundesrepublik gibt, werden viele Menschen aus verschiedenen Gründen nicht erreicht. Die Bundesregierung hat zu wenig getan, um das Impfen gegen COVID-19 zu einer Selbstverständlichkeit zu machen. Leider hilft das Herumschieben von Verantwortung und die Debatten darüber, wer was wann darf, überhaupt nicht dabei, eine vierte Welle im Herbst und Winter zu verhindern. Deshalb muss die Impfkampagne jetzt zu einem gemeinsamen Ziel aller gesellschaftlichen Akteure werden.

Wir werden fanatische ImpfgegnerInnen nicht überzeugen können. Es muss darum gehen, die Leute für eine Impfung zu gewinnen, die sich nicht ausreichend informiert fühlen und Ängste haben, die man ihnen nehmen kann. Die mit unserem Gesundheitssystem keine guten Erfahrungen gemacht haben, die diskriminiert wurden oder die keinen Hausarzt haben, dem sie vertrauen. Forschungen zeigen, dass der Zugang zur Impfung in Deutschland eine Frage des sozialen Status ist. Das muss korrigiert werden. Und wir müssen diejenigen erreichen, denen eine Impfung schlichtweg nicht wichtig genug ist, um dafür Zeit zu opfern oder die sich aus anderen Gründen nicht auf einen Termin festlegen können.

1. Wir brauchen einen Impfmobilisierungsgipfel

Eine gemeinsame Mobilisierungs- und Aufklärungskampagne, organisiert von der Bundesregierung und den Ländern, kann viele Menschen erreichen und diesen Sommer noch zum Impfsommer machen. Dazu eingeladen werden sollten alle großen gesellschaftlichen Akteure:

  • Gewerkschaften und Arbeitgebervertreter,

  • den Städtetag sowie Verbände kommunaler Einrichtungen,

  • Migrant:innenorganisationen, humanistische Verbände und die Glaubensgemeinschaften,

  • die großen Mitglieder- und Sportverbände,

  • die im gesundheitlichen und sozialen Sektor tätigen Verbände, wie Deutsches Rotes Kreuz, Paritätischer Wohlfahrtsverband, Arbeiterwohlfahrt oder Volkssolidarität, VDK etc. sowie PatientInnenverbände.

Ziel des Gipfels muss sein, gemeinsam die Probleme bei der Impfbereitschaft zu analysieren und Wege zu finden, wie die Verbände in ihre Mitgliedschaft und in die Gesellschaft hineinwirken können. Es müssen jetzt diejenigen erreicht werden, die bisher im Stich gelassen wurden.


2. Impfangebote im Alltag ausweiten

Projekte, wie der „Impf-Drive-In“ ohne Termin im Berliner Bezirk Lichtenberg, stoßen auf eine unglaublich große Resonanz. Impfangebote, die Menschen im Alltag erreichen, müssen ausgebaut werden:

  • Mit Pop-up-Impfstationen in Fußgängerzonen und auf Parkplätzen größerer Einkaufszentren ohne Bürokratie und Termine – nicht nur während der Corona-Pandemie, sondern auch zum Beispiel vor der Grippe-Saison,

  • mit mobilen, ggf. mehrsprachig begleiteten Impfteams in den Stadtteilzentren vor allem sozialer Brennpunkte, die Aufklären, Hemmschwellen abbauen und Menschen in einer vertrauten Umgebung erreichen.


3. Impfen muss gefördert werden

Gute Ideen dürfen nicht am Geld scheitern, weil nichts teurer sein kann als eine vierte Welle. Die Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit muss ausgeweitet werden. Clubs, Kultureinrichtungen und die Veranstaltungsbranche könnten direkt mit in die Kampagne eingebunden werden, da eine hohe Impfquote auch in ihrem Interesse liegt. Dafür müssen Bund und Länder sofort und ohne Finanzierungshürden Geld bereitstellen.

  • Bund und Länder könnten ein gemeinsames Sonderprogramm für Impfen und Kultur auflegen, das Festivals, Veranstaltungen oder Kulturwochen mit Impfangeboten und Werbekampagnen verbindet,

  • in jedem Freibad, in jedem Stadtpark, in jeder Fußgängerzone und auf jeder Ausgehmeile müssen Informations- und Aufklärungsteams unterwegs sein,

  • im TV und den sozialen Medien muss eine Öffentlichkeitskampagne mit mehrsprachigen Spots und bekannten Leuten aus allen Generationen und Gesellschaftsbereichen laufen,

  • der Großteil des Bundespresseamts, das in diesen Monaten sowieso nur noch Wahlkampf machen würde, kann sofort umgestellt werden auf den Impf-Informationsbetrieb und koordiniert diese Kampagne.


So viele Möglichkeiten sind noch nicht ausgeschöpft. Es ist jetzt wichtig, zwei Monate alle Kraft daraufzulegen, möglichst alle zu überzeugen, und gemeinsam, ohne Profilierungssucht, Besserwissereien und Eitelkeiten, an einem Strang zu ziehen.