Unsere neue Kolumne

Täglich erreicht uns Post: Ganz klassisch als Brief oder immer öfter als E-Mail. Oft spiegelt sich in den Briefen an DIE LINKE die Wirkung politischer Entscheidungen auf das Leben der Menschen wider. Auszüge aus diesen Briefen - natürlich anonymisiert - möchten wir nun regelmäßig an dieser Stelle mitlesbar machen.

Stefanie P., Kaufbeuren:

„Mein Name ist Stefanie P. und ich bin gelernte Hotelfachfrau, lebe und arbeite im Allgäu. So langsam wird dieser ganze Lockdown eine Zumutung. Wissen Sie evtl. wie lang der noch gehen soll? Ich bin aktuell in Elternzeit und würde dieses Jahr im Sommer gerne an meinen Arbeitsplatz zurückkehren. Nur leider musste mein Arbeitgeber, wie die gesamte Gastronomie, ja den Betrieb erst mal schließen. Ich habe die Befürchtung, je länger das Ganze geht, desto eher bin ich wohl bald meine Arbeitsstelle los und lande dann vielleicht mit Kind in Hartz 4. Es ist echt traurig, das eine ganze Branche so platt gemacht wird mit 2,5 Millionen Menschen und die Löhne gehören jetzt auch nicht zu den höchsten.
In der Gastronomie wurde so viel getan, wie in kaum einer anderen Branche und die Hygienebedingungen weitaus mehr erfüllt, soweit ich weiß. Abgesehen davon finde ich es auch nicht gut, dass man dann demnächst nur noch als Geimpfter ins Restaurant, Kino etc. kann. Und das, obwohl es keine Impfung gibt, die für Kinder und Jugendliche unter 18. Jahren zugelassen ist. Das ist einfach nicht gerecht. Momentan werden der jungen Bevölkerung viele Dinge genommen. Vor allen denen, die noch arbeiten müssen, zur Schule gehen oder ihre Berufsausbildung machen. Wie lange soll das so weiter gehen. Ich habe mir meine Elternzeit anders vorstellt. Das macht teilweise echt noch depressiv.“
 

Dennis R., Konstanz:

„Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts hat erst dieser Tage erklärt, dass mit einer zunehmenden Dauer des Lockdowns die Maßnahmen zur Grundrechtseinschränkung aufgrund der Corona-Pandemie immer besser begründet werden müssen, denn je länger den Bürgern elementare Rechte verwehrt werden, umso verhältnismäßiger müssen die Einschnitte sein. Wenn wir in öffentlichen Verkehrsmitteln die „Notbremse“ ziehen, werden wir darauf hingewiesen, dass „Missbrauch strafbar“ ist. Ob der Bund mit der Übernahme von Kompetenzen rechtmäßig gehandelt und sein Machtmonopol nicht zweckentfremdet hat, muss nun Karlsruhe entscheiden. Und auch, wenn viele Redner in Bundestag und Bundesrat es anders sahen: Natürlich ist der Beschluss des 4. Infektionsschutzgesetzes ein Angriff auf unseren Föderalismus.
Nein, ich bin wahrlich kein Anhänger der AfD oder von „Querdenkern“, aber es muss zulässig sein, sich gerade im Moment um unser Staatswesen zu sorgen. Nicht umsonst gilt in Deutschland das Prinzip der Subsidiarität. Vor Ort können Probleme am besten gelöst werden, denn dort sind Politik und Verwaltung nah am Menschen und ihrer Lebenswirklichkeit. Natürlich haben die Länder und Kommunen weiterhin den exekutiven Auftrag, Regelungen umzusetzen. Das konnten sie auch ohne „Bundesnotbremse“. Der Unterschied: Bei gewissen Inzidenzen müssen sie nun so handeln, wie es Berlin vorgegeben hat. Das entmachtet selbstverständlich die, die bisher souverän waren. Und die Befürchtung ist berechtigt: Mit dem aktuellen Dammbruch muss man künftig wohl noch öfter davon ausgehen, dass sich das Bundeskanzleramt Durchgriffsrechte aneignet.

Dass die Demokratie unter Corona leidet, zeigen gleichsam Aussagen des Bundesgesundheitsministers: Wenn er quasi dazu auffordert, den diesjährigen Wahlkampf zugunsten der Pandemiebekämpfung ausfallen zu lassen, dann schwingt in mir der Verdacht ganz offenkundig mit, wonach ein CDU-Mann die Umfragewerte für seine Partei erkannt hat. Enttäuscht bin ich aber auch von unserem Bundespräsidenten. Immer wieder verwehrt sich der oberste Mann im Staat dagegen, zum „Unterschriftenautomaten“ degradiert zu werden. Denn ihm kommt weit mehr Verantwortung zu: Vor seiner Unterzeichnung muss er ein Gesetz prüfen. Da ist es schon beachtlich, wenn er die „Bundesnotbremse“ nur rund zwei Stunden nach der Behandlung durch den Bundesrat ausfertigt. Es fällt schwer, den Vorwurf auszuräumen, dieses Gesetz sei im Eiltempo durch die Legislative gepeitscht worden. Ob nun Ausgangssperren oder Inzidenzwerte Anlass zur Kritik sind: Die Fehler im Gesetz sind offenkundig.

Bedenklich empfinde ich auch alle Diskussionen um die Frage, welche Freiheiten denjenigen zukommen sollen, die geimpft worden sind oder immun gegen Covid-19 erscheinen. Natürlich: Verfassungsrechtlich muss allen Bürgern, die keine potenzielle Infektionsquelle für andere Menschen mehr darstellen, die Bandbreite an Grundrechten zurückgegeben werden. Doch ethisch ist es zumindest fragwürdig, warum Älteren und Kranken, die von Seiten des Staates für die Impfung priorisiert wurden, Zugeständnisse gemacht werden sollen, während gerade die Jüngeren ungewollt auf diese Normalität warten müssen. Die Gleichheit der Menschen und die Solidarität unserer Gemeinschaft wird ad absurdum geführt. Und das ist gerade in heiklen Phasen der Geschichte keine gute Grundlage für ein Miteinander. Zusammenfassend bleibt mir zu attestieren: Wenn mittlerweile selbst Schauspieler und Comedians dafür angefeindet werden, dass sie die Maßnahmen des Staates gegen Corona durch Zynismus kritisch hinterfragen, dann kann ich verstehen, weshalb die Angst vor einem Schaden für unsere Demokratie lauter wird. Selbst LINKE und FDP erkennen mittlerweile offen an, dass in der Bewältigung der Pandemie etwas schiefläuft. Und ihnen kann man sicher nicht unterstellen, mit dem Nudelsieb auf dem Kopf durch die Straßen der Hauptstadt zu protestieren.“

Ramona E., Frankfurt/Oder:

„Seit über einem Jahr pflege ich meinen über 70-jährigen Nachbarn auf freiwilliger und unentgeltlicher Basis. Im Oktober 2020 hat mein Nachbar bei der Pflegekasse der IKK Berlin/ Brandenburg einen Pflegegrad beantragt. Dieser wurde nach einer telefonischen Begutachtung mit 0 (NULL) Punkten bewertet. Mein Nachbar ist stark gehbehindert, läuft auf Krücken in der Wohnung. Die Wohnung verlassen kann er nur mit meiner Hilfe. Ich gehe für ihn einkaufen, wasche die Wäsche, reinige die Wohnung, erledige Behördengänge, helfe ihm mehrmals täglich vom WC aufzustehen, dusche ihn und bereite ihm die Mahlzeiten zu. Es kann doch nicht sein, dass der Medizinische Dienst dafür Null Punkte im Gutachten vergibt und ihn quasi als gesund und vital darstellt. Eine zweite Begutachtung erfolgte im Januar 2021 nach Aktenlage. Diese ergab ebenfalls Null Punkte. Die dritte Begutachtung erfolgte nach wiederholtem Einspruch im März wiederum telefonisch und ergab wieder Null Punkte. Ich bin mit den Nerven am Ende. Der Höhepunkt ist aber die Behauptung des Medizinischen Dienstes, dass die Pflege sicher gestellt ist. Ja, die verlassen sich auf mich und schieben die soziale und humane Verantwortung von sich weg.
Man zahlt jahrelang auch als Rentner Beiträge zur Pflegeversicherung und erhält im Bedarfsfall keine Hilfe. Alte und kranke Menschen sind in Deutschland Ballast. Das ist kein Sozialsystem. Was kann ich jetzt noch tun, um gegen diese willkürlichen Bescheide der Pflegekasse vorzugehen? Klage vor dem Sozialgericht dauert ewig. Ich habe schon in Erwägung gezogen, die Pflegekasse wegen unterlassener Hilfeleistung anzuzeigen. Aber ich weiß nicht, ob das ein Schritt in die richtige Richtung ist.“

 

Ab per Brief oder Mail: Immer wieder wenden sich Menschen an DIE LINKE