Tönnies will LINKEN-Politiker mundtot machen

Das System Tönnies: miese Arbeitsbedingungen, gute Anwälte

Friedrich Straetmanns ist gebürtiger Ostwestfale und neigt nicht zu unbedachten Äußerungen. Sonst hätte er wohl kaum als Richter an einem Sozialgericht arbeiten können. Insofern ist es schon sonderbar, dass der umstrittene Fleischkonzern Tönnies eine einstweilige Verfügung gegen den Bundestagsabgeordneten der LINKEN erwirkt hat. Hintergrund sind von Straetmanns geäußerte Zweifel an einer Aussage des Gütersloher Landrats Sven-Georg Adenauer (CDU). Dieser hatte die Hoffnung geäußert, dass die Firma Tönnies die Folgekosten für den massiven Corona-Ausbruch im Sommer 2020 im Werk Rheda-Wiedenbrück aus „moralischen Erwägungen“ übernehmen werde. Ein frommer Wunsch.

Kritik an den Zuständen im Tönnies-Werk

Zur Erinnerung: Tönnies war berüchtigt für die miesen Arbeitsbedingungen, unter denen seine meist osteuropäischen Arbeiter:innen schuften mussten. Niedriglöhne, beengter Wohnraum und unzureichender Infektionsschutz im Betrieb. Die Folgen waren bitter: Mehr als 1500 Beschäftigte infizierten sich in einem der ersten großen Corona-Ausbrüche Deutschlands. Der gesamte Landkreis Gütersloh musste in den Lockdown, auch Schulen und Kitas machten dicht. „In diesem Zusammenhang habe ich auch deutliche Worte zu den zu Beginn der Pandemie aus meiner Sicht zeitweise unhaltbaren Zuständen im Werk gesprochen. Anscheinend waren Tönnies diese Worte zu deutlich“, mutmaßt Straetmanns.

Der Abgeordnete betont, er sei für jedwede Kritik offen. „Auch die Firma Tönnies hätte jederzeit auf mich persönlich zukommen können, sofern meine Anmerkungen aus ihrer Sicht missverständlich oder unzutreffend gewesen sein sollten. Dies hat sie nicht getan. Stattdessen hat die Firma Tönnies die Kanzlei Schertz Bergmann beauftragt, um gegen mich vorzugehen.“ Die einstweilige Verfügung wurde vor dem Hamburger Landgericht erwirkt.

"Meine Meinung lasse ich mir nicht untersagen"

Will sich den Mund nicht verbieten lassen: Friedrich Straetmanns

Straetmanns gibt sich unbeugsam: „Das Wort und meine Meinung lasse ich mir in der politischen Auseinandersetzung von niemandem untersagen. Erst recht nicht, wenn es um die Belange der Arbeiter und Arbeiterinnen geht. Mein Anwalt hat Widerspruch gegen die Entscheidung des Gerichts eingelegt.“ Wobei die Chancen nicht gut stehen. Denn die Hamburger Justiz ist bei Medienanwälten aus der ganzen Republik äußerst beliebt. Der Medienjournalist Stefan Niggemeier erklärte das gegenüber dem NDR so: Die Hamburger Richter urteilten „eigentlich fast immer zugunsten des Persönlichkeitsrechts und nicht der Meinungsfreiheit.“

Hungerlöhne für die Beschäftigten, Hunderttausende für die CDU

Straetmanns, der auch im Ehrenrat von Arminia Bielefeld sitzt, verweist auf ein pikantes Detail. So ist der von ihm kritisierte Landrat Adenauer Mitglied der CDU. Während Tönnies bei seinen Arbeiter:innen sparte bis die Schwarte krachte, wurden die Christdemokraten großzügig bedacht. So berichtete die „Frankfurter Rundschau“ von über 150.000 Euro, die Tönnies seit 2002 an die CDU gespendet haben soll. „Wenn nun der zuständige Landrat Adenauer dieser Firma moralische Qualitäten zuschreibt, an denen ich erhebliche Zweifel habe, dann muss das, auch im Hinblick auf die anstehende Bundestagswahl, offen und ohne Scheuklappen kritisiert werden dürfen“, so Straetmanns.

Neuer Ärger für Tönnies und Co.

Übrigens: Tönnies droht neuer Ärger. Weil sich Arbeitgeber und die Gewerkschaft NGG nicht auf einen Mindestlohn einigen konnten, drohen der gesamten Branche nun Streiks. Gegenwärtig kämpfen die Beschäftigten und ihre Gewerkschaft NGG um einen besseren Tarifvertrag. Die Arbeitgeber haben die Tarifverhandlungen in der Fleischindustrie platzen lassen. Die Gewerkschaft NGG will einen tariflichen Mindestlohn von 12,50 Euro pro Stunde für alle Beschäftigten in der Schlachtung und Verarbeitung, einschließlich Geflügel. Eine Erhöhung des Mindestlohns auf 14 Euro pro Stunde nach einer kurzen Einarbeitungszeit. Schließlich soll der Mindestlohn für Facharbeiter 17 Euro betragen.

DIE LINKE unterstützt die Forderungen der Beschäftigten und der NGG! Die Löhne müssen steigen! Tarifverträge müssen leichter allgemeinverbindlich erklärt werden können. Infektionsschutz und Arbeitsschutz müssen wirksam kontrolliert werden!