Organizing

Mit Bernie an Thüringens Türen - Teil 2

Wer Wähler*innen erreichen will, muss auch mit ihnen reden.

Zweiter und letzter Teil unseres Hintergrundbeitrags zum Organizing. Hier erfahrt ihr, was den linken US-Senator mit dem Erfolg der LINKEN im Freistaat verbindet. Anhand einiger Beispiel erklären wir zudem, wie erfolgreiches Organizing funktioniert. Nicht nur in Thüringen, sondern in der gesamten Bundesrepublik.

Die Kandidat:innen bilden die Trägerstruktur in der politischen Kommunikation im Wahlkampf. Schön, dass sich einige im Landtagswahlkampf von der Idee anstecken ließen und so an die Thüringer Tradition der Partei DIE LINKE und ihrer Vorgänger anknüpften. Gut, dass viele ihrer Mitarbeiter*innen und Mitglieder vor Ort mitzogen. Wir waren in Greiz, Hildburghausen, Jena, Ilmenau und Eisenach unterwegs. Wir unterstützten die Mieterinnen der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft in Erfurt und sammelten Unterschriften gegen die Übertragung dieser KOWO an die Stadtwerke Erfurt. „KOWO bleibt!“, forderten wir gemeinsam mit den Mieterbeirät*innen im Wahlkampf, sammelten über 8000 Unterschriften – und gewannen.

Diese Kampagne begann jedoch mit einer sehr gut besuchten Veranstaltung der Landtagsabgeordneten Karola Stange in Erfurt-Rieth, mitten in ihrem Wahlkreis. Die Neubaublöcke mit den Wohnungen der Kommunalen Wohnungsbaugesellschaft prägen das Bild dieses Stadtteils. Und Karola Stange ist aus Rieth auch nicht wegzudenken: Viele Mieter*innen kennen sie persönlich, wissen um ihr Engagement und die konkreten Hilfen im Alltag. Die Bewohner*innen, die sich um zukünftige mögliche Mieterhöhungen sorgten, hörten von Karola Stange: KOWO bleibt!

Unterschriften sammeln – an Haustüren und auf der Straße

Die Veranstaltung war der Startschuss für Unterschriftensammlungen an Haustüren, vor Einkaufszentren, auf Strassen und Plätzen in Erfurt. Alleine im Wahlkreis Erfurt II waren wir mit 22 Genoss*innen aus fünf Bundesländern an fast 1200 Haustüren und haben rund 600 Gespräche geführt: „Guten Tag, ich komme von der LINKEn, die KOWO muss bleiben, bitte hier unterschrei- ben, am 27.Oktober Bodo wählen!“ Der erste Schritt in eine mögliche Privatisierung wurde so verhindert. Und: Bodo und DIE LINKE. wurden gewählt.

Alle Erfurter Wahlkreise wurden durch DIE LINKE direkt gewonnen, Bodo Ramelow und Susanne Hennig-Wellsow, Karola Stange und André Blechschmidt sind direkt gewählte Erfurter Abgeordnete. Klar, dieses Ergebnis wurde nicht nur diese Kampagne erzielt. Wahlen werden nicht allein im Wahlkampf gewonnen, sondern in den Jahren zwischen den Wahlen. Aber das Ergebnis ist Ausdruck der erfolgreichen und für die Mehrzahl der Menschen nützlichen Arbeit der Abgeordne- ten, des Ministerpräsidenten, der Minister*innen und der Partei in den vergangenen Jahrzehnten – aber das Klingeln und die damit verbundenen

Gespräche erinnerten die Wählerinnen und Wähler daran. So wurden unsere Plakate, Zeitungen, Spots und Social Media lebendig. Wir waren im Wahlkampf in 24 Gemeinden und Landkreisen an tausenden Türen – meistens mit der Bitte, zur Wahl zu gehen und Bodo Ramelow zu wählen. So wird die Wahlbeteiligung erhöht, so werden unsere Kandidierenden gewählt. So wachsen Demokrat*innen nach. So werden Wahlen gewonnen. In Thüringen – und in den USA.

Organizing ist die Methode von Bernie Sanders
und Alexandria Ocasio-Cortez

Organizing ist die Aufforderung Dieter Strützels, Möglichkeiten, Eingriffsmöglichkeiten, Handlungsmöglichkeiten, Selbstbestimmungsmöglichkeiten für die Menschen zu schaffen. Organi- zing ist die Methode von Alexandria Ocasio-Cortez und Bernie Sanders in den USA, die mit der Wahl von Joe Biden gewonnenen Spielräume für die Vielen zu nutzen: „For The Many – Not The Few“. Dabei stützen sich die Wahlkämpfer*innen in Thüringen auf eine erfolgreiche Tradition demokratischer Kämpfe. Sie führten auch dazu, dass DIE LINKE und ihre Vorläufer von 9,7 Prozent auf 31 Prozent wachsen konnten. Die Partei war nützlich für die Vielen, sie macht sich nützlich, indem sie sich gemeinsam mit ihnen für bessere Zustände einsetzt. Auch im Alltag: Wir machen‘s gerecht.

Noch ein Beispiel? Dezember 2018, noch 10 Monate bis zur Landtagswahl im Oktober 2019. In der kleinen Thüringer Kurstadt Bad Langensalza streiken seit 21 Wochen die Kolleginnen der dortigen Celenus-Klink für ihren Tariflohn. Der wird ihnen von der Leitung des Klinikkonzerns im fernen Offenburg bisher verweigert. Die heutige Landtagsabgeordnete Cordula Eger ist an vielen Samstagen mit ihren Genoss*innen und einem Infostand auf dem Marktplatz der kleinen Stadt. Sie sprechen die Menschen an, sammeln Unterschriften unter die Forderung nach Tarifbezahlung. Sie klingeln an den Haustüren. DIE LINKE. macht klar, dass mit der Verwirklichung dieser Forderung auch die Frage nach der Zukunft Bad Langensalzas als Kurort beantwortet wird: Welche Therapeutin, welcher Pfleger mag schon in einem Kurort arbeiten, in dem eine der größten Kliniken die Maßstäbe verrückt - und keinen Tariflohn bezahlt? Wenn Bad Langensalza langfristig Kurort bleiben soll, muss Celenus Tarif bezahlen! Sonst verlassen die Pflegekräfte den Ort! Die Kolleg*innen waren erfolgreich, ihr langer Kampf lohnte sich: Schön, dass heute eine von ihnen Mitglied der Fraktion DIE LINKE im Stadtrat Bad Langensalzas ist: Die Interessen des Kurorts sind in kundigen Händen.

Wie geht Organizing?

Doch wie geht das eigentlich ganz praktisch – dieses Organizing? Zunächst einmal werden die Gebiete herausgesucht, in denen wir aktiv werden wollen. Das ist das Mapping: Stadtteile, Straßen, Hausnummern bestimmen. Aufzeichnen, wo wir aktiv werden wollen. Reaktionen festhalten, nach der zukünftigen Intensivierung des Kontaktes fragen. Immer da, wo DIE LINKE. schon erfolgreich war, wo ihre Wahlergebnisse gut waren, klingeln wir und fragen nach. Oder auch dort, wo die Wahlbeteiligung gering war.

„Guten Tag, ich bin Mitglied der LINKEN. Unsere Abgeordnete Susanne Hennig-Wellsow und mich interessiert, wo bei Ihnen hier im Wohngebiet der Schuh drückt...?“ So sammeln wir Erkenntnisse, die wir im zweiten Schritt in eine Forderung umsetzen, für die wir dann an denselben Türen später Unterschriften sammeln. So werden weitere Mitstreiter*innen für die politischen Anliegen gewonnen. Gemeinsam mit den „Neuen“ werden die weiteren Schritte festgelegt, gemeinsam mit ihnen werden die Erfolge gefeiert. So wie es DIE LINKE in Bad Langensalza machte, als sie die streikenden Kolleg*innen gemeinsam mit der Fraktionsvorsitzenden der Linksfraktion im Thüringer Landtag zu einem Sommerfest einlud, um Erfolg und Ausdauer zu würdigen.

Mit dem Stein und mit der Schleuder, schlug einst David Goliath – heute nutzt er Klemmbrett, Kugelschreiber und Mundwerk, um Goliath immer fester an die Kette zu legen. Organizing. In den USA im November 2020. In Hamburg vor fünf Jahren anlässlich eines erfolgreiche Volksentscheids gegen die Olympiabewerbung der Stadt. Sie drohte, die soziale Spaltung zu vertiefen. Und auch in Thüringen. Damit Demokrat*innen nachwachsen.