Corona verschärft die soziale Ungleichheit

Derzeit gehen viele Jobs verloren, in denen man ohnehin wenig verdiente

Die Pandemie hat Deutschland im Griff. Corona macht die Menschen nicht nur krank und einsam, sondern verschärft auch die soziale Ungleichheit in Deutschland. Dies belegt der aktuelle Verteilungsbericht des gewerkschaftsnahen WSI-Instituts. „Haushalte mit geringerem Einkommen sind häufiger und stärker von corona-bedingten Einbußen betroffen“, heißt es dort. Denn Corona trifft auf ein Land, in dem die Einkommen schon vor der Pandemie extrem ungleich verteilt. Die Daten des sozio-ökonomischen Panels (SOEP), einer Langzeitstudie zu Einkommen, Erwerbstätigkeit, Gesundheit und Bildung, zeigen, dass die Ungleichheit seit 2010 steigt. „Die unterste Einkommensgruppe konnte vom Aufschwung der letzten Jahre kaum profitieren“, bringen die WSI-Autor*innen die Entwicklung auf den Punkt. Diese Tendenz werde sich durch die Krise noch verstärken, erwartet man beim WSI. Das zeige die Analyse der Daten aus Personeninterviews. Demnach müssen Personen mit niedrigen Löhnen häufiger Einkommensverluste hinnehmen. Wer wenig hat, bei dem fallen diese Einbußen auch stärker ins Gewicht. Erwerbstätige mit hohen Einkommen und Beschäftigte in Normalarbeitsverhältnissen haben hingegen kaum krisenbedingte Verluste verzeichnet.

Vor allem Geringqualifizierte verlieren ihre Jobs

Allein der 2. Lockdown wird nach Schätzungen von Ökonomen fast 600 000 Arbeitsplätze kosten, vor allem in der Gastronomie, im Hotelgewerbe und in vielen Dienstleistungsberufen. Auch Beschäftigte in der Leih- und Zeitarbeiter gehören zu den großen Verlierern. Sie alle sind in Branchen tätig, die ihre Mitarbeiter*innen ohnehin schlecht bezahlen. Niedriglöhner, die zudem saisonal beschäftigt sind, rutschen meistens direkt in den Hartz IV-Bezug. Da sich das Arbeitslosengeld I nach der Lohnhöhe richtet, werden die kommenden Monate auch für jene hart, die zwar anspruchsberechtigt sind, aber wenig verdienen. Auch beim Kurzarbeitergeld zeigen sich große Unterschiede. „Insbesondere Personen mit einem geringen Haushaltseinkommen, Geringqualifizierte und Personen, die nicht im Homeoffice arbeiten können, gingen besonders häufig in Kurzarbeit“, heißt es im WSI-Bericht. Für viele Geringverdiener ist problematisch, dass sich auch hier die Beitragshöhe nach dem pauschalisierten Nettoeinkommen richtet. Somit fallen auch Zuschläge für Nacht- oder Sonntagsarbeit weg. „Da das Kurzarbeitsgeld maximal 60 Prozent bzw. 67 Prozent des Nettoeinkommens beträgt, bedeutet das vor allem für Beschäftigte im Niedriglohnsektor einen großen (relativen) Einkommenseinbruch“, so das WSI. Kurz gesagt: Wer bereits vor der Krise ein geringes Einkommen hatte, wird jetzt mit noch weniger auskommen müssen. Auch viele Selbstständige und Freiberufler*innen, etwa aus der Fitness- und Gesundheitsbranche oder dem Messebau, sind in existenziellen Nöten.

Was jetzt zu tun ist

Das WSI empfiehlt ganz konkrete Schritte, um diese gefährliche Entwicklung zu stoppen. So fordern sie ein Mindest-Kurzarbeitsgeld, wie zum Beispiel in Frankreich, das am Mindestlohn orientieren sollte und somit die Grenze von 1.200 Euro nicht unterschreitet. Zudem müsse die Kinderbetreuung auch in der Pandemie gewährleistet sein. Insbesondere Geringqualifizierte könnten nicht im Homeoffice arbeiten, warnt das WSI und fordert einen Familienbonus, um die Einkommensverluste von Eltern abzufedern. Außerdem müssten die Hartz-IV-Sätze steigen und das Arbeitslosgeld I länger gezahlt werden.

Auch der LINKEN-Vorsitzende Bernd Riexinger fordert entschiedene Maßnahmen: „Der zweite Lockdown stürzt immer mehr Menschen in existentielle Nöte. Etwa ein Drittel der Beschäftigten hat Einkommensverluste zu beklagen – und sogar jeder Zweite mit einem Monatseinkommen unter 1300 Euro. Die von den Maßnahmen und der Wirtschaftskrise Betroffenen müssen endlich aufgefangen und abgesichert werden!“